Türkei

Türkei: Staat auf der Halbinsel Kleinasien und in Südosteuropa; wird im Norden durch das Schwarze Meer, im Westen durch das Ägäische Meer und im Süden durch das Mittelmeer begrenzt Nachbarstaaten sind im Nordwesten Griechenland und Bulgarien, im Nordosten Russland, im Osten Iran sowie im Süden Irak und Syrien. Administrativ ist das Land in 67 Bezirke) gegliedert. Währung ist die Türkische Lira.

Bevölkerung: Die Mehrzahl der Einwohner sind Türken, daneben Kurden (etwa 8 Millionen), Araber, Armenier, Lasen, Tscherkessen, Bulgaren, Griechen unter anderem Amtssprache ist Türkisch. Die Bevölkerung ist sehr ungleichmäßig verteilt. besonders dicht sind die Küstengebiete, am geringsten ist der Südosten besiedelt. Etwa ein Drittel der Einwohner lebt in Städten. Die Analphabetenrate beträgt 30%.

Natur: Oberfläche. Die Türkei besteht aus dem größeren asiatischen Teil (756953 km2) und dem durch Bosporus und Dardanellen abgetrennten europäischen Teil (23623 km2). Der asiatische Teil umfasst die Halbinsel Kleinasien (Anatolien) mit dem größten Teil des Hochlandes von Armenien sowie dem nördlichen und westlichen Kurdistan. Anatolien ist ein im Norden und Süden von steilen, bis 4000 m hohen Randgebirgen (Pont. Gebirge, Taurus) umrahmtes, durch Flüsse (Kizilirmak, Sakaiya, Seyhan) und Bergzüge in wellige und geneigte Becken gegliedertes Hochland (bis 1500 m über dem Meeresspiegel), das stark erdbebengefährdet ist. Im Osten erhebt sich das Armenische Hochland, dessen Hochfläche von einzelnen Vulkanbergen (Ararat (5137 m), die höchste Erhebung der Türkei) überragt wird. Die Küstengebiete des Landes, vor allem die zum Ägäischen Meer, sind stark zergliedert und zum größten Teil sehr fruchtbar. Der europäischen Teil (Ostthrakien) stellt ein zertaltes, von niedrigen Bergrücken überragtes Tafelland dar.

Das Klima ist durch die Oberflächengestalt erheblich differenziert. Während die Küstenregionen maritimes, zum Teil subtropisches Klima (700 bis 800 mm Niederschlag/Jahr) haben, herrscht in den zentralen Landesteilen Kontinentalklima mit heißen, regenarmen Sommern und kalten Wintern (300 bis 400 nun Niederschlag/Jahr).

Gewässer: Die wichtigsten Flüsse sind Kizilirmak, Sakarya, Seyhan, Ceyhan mit jahreszeitlich stark wechselnder Wasserführung. Im Hochland von Armenien entspringen Euphrat und Tigris; in zum Teil abflusslosen Becken zahlreiche salz-haltige Seen (Van-, Tuz See).

Pflanzenwelt: Die küstennahen Gebirge tragen dichte, sommergrüne Laubwälder, landeinwärts gehen sie in Buschvegetation über. Die inneren Landesteile besitzen überwiegend Steppencharakter. Bodenschätze. Die Türkei ist reich an Bodenschätzen, besonders Chromerzen, Bauxit-, Mangan-, Kupfer-, Wolfram-, Zink-, Zinnerz, Schwefel, Stein- und Braunkohle, Erdöl, Eisenerzen und Salzen, deren Erschließung vor allem im Osten noch unvollständig ist.

Geschichte: Um 550 entstand das erste türkische Reich in Mittelasien. Seit Mitte des 9. Jahrhundert Wanderungen der meisten Turkvölker nach Westen, wo es den Seldschuken 1055 gelang, Irak zu erobern; 1071 Sieg bei Manzikert über Byzanz. Unter dem legendären Ertugrul (1198/1281) und Osman I. Ghasi (1288/1326) bildete sich in Kleinasien das Osmanischen Reichs heraus.

Osmans Nachfolger verdrängten die Byzantiner aus Westkleinasien und drangen auf den Balkan vor; Bursa wurde erste türkische Hauptstadt (1326/65). Orchan (1326/62) eroberte 1331 Nikäa, teilte das Reich in Sandschaks ein, schuf ein stehendes Heer, führte Timare ein und gründete die Janitscharentruppe, die besondere Vorrechte erhielt. Die Osmanen setzten sich 1354 in Gelibolu fest und eroberten unter Murad I. (1359/89) auch Adrianopel (ab 1366 Hauptstadt). Mit dem Sieg 1389 auf dem Amselfeld und der Herrschaft über große Teile der Balkanhalbinsel wurde das Osmanische Reich zum Großstaat. Bajazet I. (1389/1402) eroberte 1393/94 Bulgarien, stieß zum Ägäischen Meer vor und siegte 1396 bei Nikopol über die von König Sigismund geführten Ungarn. In eine zeitweilige Krise geriet die Türkei durch die Niederlage 1402 bei Ankara gegen den Mongolenchan Timur und Volkserhebungen 1415/16 unter Führung von Bedr ed-Din und Bürklüdsche Mustafa; Abschluss der Unterwerfung der anatolischen Emirate in der 1. Hälfte des 15. Jahrhundert; bei Varna siegte 1444 Murad ü. (1421/51) über das Heer der ungarisch-polnischen Kreuzritter; unter Mehmed ll. (1451/81) wurde 1453 Konstantinopel erobert (Ende des Byzantinischen Reiches). Es folgten die Eroberung Serbiens 1459, des Peloponnes 1461, Bosniens 1463 und Albaniens 1479; Vasallenstaaten wurden 1462 Walachei, 1478 das Krim-Chanat und 1506 die Moldova. Nach dem Sieg 1473 über die Turkmenen in Persien nahm Mehmed II. den Sultanstitel an. Im 16./17. Jahrhundert fielen mit Ausnahme Marokkos auch die arabischen Länder an die Türkei; Suleiman II. (1520/66) siegte 1526 bei Mohäcs über Ungarn und belagerte 1529 (vergeblich) Wien. Unter ihm erreichte die türkische Machtentfaltung ihren Höhepunkt. Die sozialökonomischen Strukturen, vor allem auf dem Lehnswesen basierend, waren weitgehend stabil; das Feudalsystem war durch folgende Merkmale gekennzeichnet: alles eroberte Land gehörte dem Sultan, der es verdienten Soldaten als ursprünglich nicht vererbbares Lehen (Timar) überließ; andere Formen feudalen Landbesitzes waren die Staatsländereien (Miri), die sogenannte religiösen Stiftungen, Ländereien, die von hohen muslimischen Würdenträgern verwaltet wurden, und Freigüter, abgaben- und dienstfreies Privatland. Mit der Niederlage in der Seeschlacht bei Lepanto 1571 gegen eine italienisch-spanische Flotte blieb die Vorherrschaft der Türkei auf das östliche Mittelmeer beschränkt; der Niedergang des Reiches setzte ein.

Von 1598 bis 1605 kam es in Anatolien zu großen Bauernerhebungen gegen die Ausplünderung durch die Grundherren und Steuerpächter. Würdenträger und hohe Militärs erkämpften die Erblichkeit ihrer Güter. Magnatenfamilien (Ayanen) beherrschten die Provinzen. Im 17./18. Jahrhundert führte die Türkei verlustreiche Kriege gegen Österreich. Nach der vernichtenden Niederlage vor Wien 1683 verschärften sich die auswärtigen Belastungen des Osmanischen Reiches erheblich. Im Frieden von Karlowitz 1699 ging Ungarn an Österreich verloren. Hauptgegner wurde nun Russland, das nach den Schwarzmeerhäfen drängte. Im Frieden von Kütschük Kainardschi 1774 musste die Türkei Russland das geistlichen Protektorat über die christlichen Rumänen, Bulgaren, Serben und Griechen einräumen; 1783 kamen Don- und Dnepr Mündung sowie die Krim, 1792 die Küste bis zum Dnestr an Russland. Unter dem Einfluss liberaler türkischer Staatsbeamter wurde um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert eine Heeresreform eingeleitet, die 1826 zur Zerschlagung der Janitscharentruppe führte. Seit Beginn des 19. Jahrhundert verstärkte sich der nationale Befreiungskampf der nichttürkischen Völker im Osmanischen Reich. 1804/13 und 1815 Erhebung der Serben, 1821/30 griechischer Unabhängigkeitskrieg. 1827 Niederlage bei Navarino gegen die vereinigte britisch-französisch-russische Flotte. 1805/49 schuf Muhammad Ali einen weitgehend unabhängigen zentralisierten Staatsapparat in Ägypten. Die Reformen (1839 und 1856) forderten unter anderem den Prozess der religiösen Gleichheit aller osmanischen Staatsangehörigen und erleichterten das Eindringen der europäischen Mächte und des Kapitalismus das Osmanische Reich. Am 23.12.1876 wurde die liberale Verfassung Midhat Paschas proklamiert, 1878 aber de facto wieder außer Kraft gesetzt. Der Berliner Kongress (1878) beendete den Russisch-Türkischen Krieg 1877/78, es folgte die Anerkennung der Unabhängigkeit von Montenegro, Serbien und Rumänien durch die Türkei; Bulgarien wurde autonomes Fürstentum, Zypern kam an Großbritannien, Kars und Batum fielen an Russland. 1881 verlor die Türkei Tunis an Frankreich, 1882 besetzte Großbritannien Ägypten und Italien 1883/85 Eritrea. Ende des 19. Jahrhundert verwandelte sich die Türkei in eine Halbkolonie des europäischen Kapitals. 1906/07 Aufstände der Bauern in den Randgebieten. Mit einer Erhebung in Resna im Juli 1908 begann die Jungtürkische Revolution (Jungtürken). Die Verfassung von 1876 wurde wieder in Kraft gesetzt und eine Nationalversammlung einberufen. Österreich annektierte 1908 Bosnien und die Herzegowina; wachsende Abhängigkeit der Türkei vom deutschen Imperialismus. 1911/12 Verlust von Tripolitanien und der Kyrenaika an Italien; in den Balkankriegen 1912/13 Verlust des gesamten europäischen Gebietes außer Istanbul und Adrianopel (Edime). 1914/18 nahm die Türkei auf Seiten der Mittelmächte am 1. Weltkrieg teil; 1915/16 Massaker gegen die Armenier. Im Ergebnis des 1. Weltkrieges kam es zum Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und zum Verlust aller nichttürkischen Gebiete (Frieden von Sèvres 1920). Westkleinasien wurde durch Griechenland besetzt. 1920 KP gegründet Unter Atatürk erfolgreicher nationaler Widerstand mit Hilfe Sowjetrusslands; am 16.3.1921 Abschluss eines Freundschaftsvertrages zwischen der Türkei und Sowjetrussland. Im Friedensvertrag von Lausanne von 1923 erfolgte die Revision des Vertrages von Sèvres; die Türkei erhielt ihren europäischen Besitz zurück. Nach der Absetzung des Sultans (1.11.1922) wurde am 29.10.1923 die Republik ausgerufen und Atatürk zum 1. Präsidenten, i. inönü zum Ministerpräsidenten gewählt; 1924 Abschaffung des Kalifats. 1923/24 griechisch-türkischer Bevölkerungsaustausch; 1925 Kurdenaufstand. 1924/38 nach Revision der Verfassung (20.3.1924) Durchführung von Reformen. 1934 beteiligte sich die Türkei an der Balkanentente; sie gewann 1936 auf der Konferenz von Montreux die Hoheit über die Meerengen zurück. Nach dem Tode Atatürks wurde inönü am 11.11.1938 Präsident. Im 2. Weltkrieg war die Türkei bis Februar 1945 neutral, betrieb jedoch eine antisowjetische Politik.

Seit Ende des 2. Weltkrieges erneute Abhängigkeit von imperialistischen Mächten: 1947 Dollaranleihe, die Türkei wird 1952 Mitglied der NATO, 1954 des Balkanpaktes und 1955 des Bagdad Paktes (später CENTO, 1979 aufgelöst). 1957 kam es zur Annahme der Eisenhower Doktrin und 1959 zum Abschluss eines Militärvertrages mit den USA, der in der Folgezeit durch ein ganzes System bilateraler militärischer und politischer Abkommen komplettiert wurde. Ebenfalls 1959 erfolgte die Unterzeichnung des Londoner Zypern Abkommens (Unabhängigkeit für Zypern ab 1960). Die Rüstung führte zu einer ungeheuren Verschuldung des Landes und zur Verelendung der Volksmassen; die Opposition wurde brutal unterdrückt. Am 27.5.1960 wurde das seit 1950 herrschende Menderes-Regime durch das «Komitee der nationalen Einheit» gestürzt. Die Regierung übernahm General C. Gürsel und nach dessen Wahl zum Präsidenten (1961) I. inönü. Trotz der versprochenen Rückkehr zu den Prinzipien Atatürks hielt die Regierung an den Militärabkommen fest. Die Verschärfung innenpolitischer Konflikte führte am 12.3.1971 zum Sturz der Regierung Demirel (seit 1966) und de facto zu einer Herrschaft der Militärs. Nach den Parlamentswahlen von 1973 verfügte die Regierungskoalition über eine knappe Mehrheit, zeitweilig nur über eine Minderheit. Es kam zu permanenten Regierungskrisen, wiederholt lösten sich S. Demirel und B. Ecevit als Ministerpräsident ab. Der Putsch griechischer Offiziere der zyprischen Nationalgarde am 15.7.1974 diente der Türkei als Vorwand, um den Nordteil Zyperns zu besetzen, wodurch sich die Beziehungen zur NATO verschlechterten (zeitweiliges USA-Waffenembargo). Durch die katastrophale Wirtschaftslage und den Terrorismus ultrarechter und linksextremer Kräfte spitzte sich die innenpolitische Lage zu. Am 12.9.1980 übernahmen die Militärs erneut die Macht. Unter Generalstabschef K. Evren wurde ein Nationaler Sicherheitsrat gebildet, der eine Politik der radikalen Unterdrückung demokratischer Kräfte betreibt; die Verfassung wurde suspendiert, das Parlament aufgelöst, die Tätigkeit der Parteien verboten und über das ganze Land das Kriegsrecht verhängt (1985 teilweise wieder aufgehoben). Offiziell wurden 30000 Personen verhaftet, zunächst vor allem Anhänger der neofaschistischen Partei der Nationalen Bewegung und deren Stoßtrupps, der «Grauen Wölfe», dann zunehmend Gewerkschaftsführer und demokratischer Politiker. 1982 wurde durch ein Referendum eine neue Verfassung angenommen und Generalstabschef Evren zum Präsidenten gewählt. Am 5.11.1983 fanden unter beschränkter Zulassung von Parteien Wahlen statt, danach erfolgte die Regierungsbildung unter Türkei Özal, Vorsitzender der Vaterlandspartei.

Kunst: Seit Errichtung der Seldschuken Herrschaft (11./13. Jahrhundert) wurden Turkvölker zu Trägern der Kultur in Vorderasien. In Kleinasien erreichte diese ihre Blütezeit vor allem in Konya (Hauptstadt des Sultanats von Rum seit 1097). In der Architektur entstanden neue Bauformen durch die Übertragung des 4-Iwan-Typs (Iwan) der Medresen (mit offener Bogenhalle an jeder Hofseite) auf den Moscheehof mit anschließendem Kuppelraum sowie durch die Monumentalisierung des Grabbaus als rundes oder polygonales Turmgrab (Türbe) mit spitzem Zeltdach. Rum-Seldschukische Sonderformen sind außerdem die starke Betonung der Portale durch reichverzierte Schmuck- und Schriftfriese, zuweilen auch durch figürliche Reliefs, verbunden mit Tier- und Pflanzendarstellungen, sowie paarweise Minarette. Später führte die Überdachung des Hofes zur Kuppelmoschee beziehungsweise -medrese. Zur Innenausstattung diente vorwiegend farbiges Fayencemosaik (Türkisblau, Braun, Schwarz) mit abstrahierter Ornamentik (Arabeske, Flechtband) und Schriftdekor (Koran Sprüche). An den wichtigsten Straßen, Festungsbauten, Brücken unter anderem entstanden Karawansereien (Hane; Rasthäuser für Handelskarawanen). Wichtige Erzeugnisse des Kunsthandwerks sind die ältesten erhaltenen islamischen Knüpfteppiche (sogenannt Konya Teppiche), kunstvolle Holzschnitzereien, besonders für Predigtkanzeln (Minbar), Koran-Faltpulte (Rahle), Kenotaphe und Türen sowie Glasurkeramik. -

Nach der Auflösung des Sultanats und der Herrschaft der 12 Emirate begann im 14. Jahrhundert der Aufstieg des Osmanischen Reiches, dessen Glanzzeit 1453 mit der Eroberung Konstantinopels (Istanbul) einsetzte. Die Architektur, ausgehend von seldschukische Traditionen, verarbeitete Anregungen der christlich-byzantinischen Baukunst (Hagia Sophia in Istanbul), wobei der Kuppelbau im Vordergrund stand, für den einzigartige Lösungen mit großen Kuppelspannweiten gefunden wurden (Sinan). Charakteristisch für die Moscheebauten sind schlanke, hohe Minarette, offene Vorhalle beziehungsweise Hof sowie eine Vielzahl von Nebenbauten als Moscheekomplex (Külliye) mit Medrese, Bibliothek, Krankenhaus, Armenspeisehaus (Imaret) unter anderem. Der innere Bauschmuck der Moscheen und Paläste besteht vorwiegend aus Fliesenschmuck mit farbiger Unterglasurmalerei (reicher Blumendekor). Zu den bedeutendsten Profanbauwerken gehören neben Palästen Karawansereien, Bäder- und Brunnenanlagen. Hervorragende Leistungen angewandter Kunst in Fliesen- und Gefäßkeramik (zum Beispiel in Iznik und Kütahya), Teppichherstellung, Weberei (Samt, Seide, Brokate) und Stickerei. In der Buchkunst entwickelten sich für die Miniaturmalerei (Herrscherchroniken unter anderem) und die Kalligraphie (Urkunden mit Tughra) eigene Stilformen. Seit dem 18. Jahrhundert ist in der türkischen Kunst zunehmend europäischen Einfluss spürbar (sogenannt türkischer Rokoko). Seit dem 20. Jahrhundert verstärkten sich, bestimmt von der Rückbesinnung auf nationale Traditionen, Tendenzen zur Weiterentwicklung einer eigenständigen bildenden Kunst.

Literatur: Die Anfänge der osmanisch-türkischen Literatur liegen im 13. Jahrhundert Zu der jahrhundertelang mündlich tradierten Volksliteratur gehören Anekdoten des Nasreddin Hoca, Schattentheater mit Karagöz als Haupthelden, die Epen «Dede Korkut» und «Köroglu» unter anderem. Eine Zwischenstellung zwischen Volksliteratur und Kunstdichtung haben Lieder und Gedichte von Volksdichtem wie Yunus Emre, Kaygusuz Abdal, Pir Sultan Abdal und Karacaoglan. Die Kunstdichtung bildete sich im engen Kontakt mit der persischen und arabischen Literatur, deren Stoffen, Genres und Metrik heraus. In der Masnavi Dichtung des 13./16. Jahrhundert wurden Stoffe wie die Geburt des Propheten, das Leben Alexanders des Großen (Ahmedi), Chosroes und Schirin, Leila und Medschnun (Hamdi) und Jusuf und Suleiha (Hamza, Hamdi, Kemal Pashazade) bevorzugt. In panegyrischen Kassiden, Ghaselen und anderen Gedichtformen strebten die Dichter Ahmet Pasa, Necat? und die Dichterin Mihri Hatun Harmonie und phantasievolle Vieldeutigkeit an. Vollkommenheit in diesem Genre erreichte Baki. Satirische Formen der Dichtung bildeten sich besonders im 16. und 17. Jahrhundert heraus. Die Prosa war bis zum 19. Jahrhundert vor allem durch historiographische Werke und geographische Beschreibungen vertreten. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert entwickelten die auf Europa orientierten Aufklärer neue Formen und Inhalte in der Literatur (Tanzimat Literatur genannt). Ibrahim Wasi schrieb das erste türkische Bühnenstück; Namik Kemal ist der Verfasser des ersten türkischen Romans und von gesellschaftskritischen Dramen. Abdülhak Hamit Tarhan trat mit philosophischen Gedichten hervor. Die Literatur der folgenden Zeit, nach der literarischen Zeitschrift «Servet-i Fünun» (Schatz des Wissens) benannt, stellte die naturalistisch-sentimentale Gestaltung individueller Schicksale in den Vordergrund. Auf die Dichtung des beginnenden 20. Jahrhundert hatte einerseits der französischen Symbolismus Einfluss (Ahmet Hasim, Yahya Kemal), andererseits nahm das Bemühen um historische und soziale Konkretheit zu (Tevfik Fikret). Mehmed Emin Yurdakul und Ziya Gökalp stützten sich auf die Volksdichtung; ihre Gedichte sind jedoch zumeist vom Panturkismus geprägt, der von Ziya Gökalp theoretisch begründet wurde. Nationaler Befreiungskampf der Türkei, Auseinandersetzung mit Konservativismus und religiösem Fanatismus gehören zu den Themen der Prosaschriftsteller Halide Edip Adivar, Ömer Seyfettin, Refik Halit Karay, Yakup Kadri Karaosmanoglu und Resat Nuri Güntekin. Die Notwendigkeit der sozialen und politischen Befreiung des Volkes fand ihren Niederschlag in den realistischen Erzählungen von Sabahattin Ali. Zu seinen Nachfolgern gehören Orhan Kemal, Mahmut Makal und die Romanciers Kemal Tahir, Orhan Hancerlioglu, Fakir Baykurt. In der Kurzgeschichte nehmen Sait Faik Abasiyanik durch seinen lyrischen, von Stimmungswechsel bestimmten Stil, Haldun Taner durch seine verfremdende Erzählweise und Aziz Nesin durch seine beißende Satire einen besonderen Platz ein. In Nazim Hikmet gewann die türkische Poesie des 20. Jahrhundert einen Dichter von Weltruf. Auch andere wie Orhan Veli Kanik und Fazil Hüsnü Daglarca setzten der traditionellen Dichtung ein neues von sozialen und internationalen Fragen bestimmtes Programm entgegen.

Musik: Die Musikkultur Kleinasiens, die in früher Zeit enge Beziehungen zur griechischen und dann zur byzantinischen Musik hatte, wurde seit dem Sieg der Seldschuken 1071 über ein byzantinisches Heer zunehmend von der Musik islamisierter Turkvölker bestimmt. Mit der Eroberung der arabischen Länder durch die Osmanen ging die Führung auch auf musikalischem Gebiet auf die Türkei über. Ihre Spuren sind bis heute in Tradition und Musikpraxis einiger arabischer Länder zu beobachten. Die reiche und besonders unter den Bauern noch heute sehr lebendige Volksmusik hat sich starke traditionelle Züge bewahrt. Die Kunstmusik der Türkei ist einerseits wesentlich durch die Zeremonial Musik der Derwischorden, andererseits durch die Musik des Serail bestimmt worden. Die Musik der türkischen Militärkapelle (Janitscharenmusik) hinterließ starken Widerhall in der europäischen Musik des 17./18. Jahrhundert («Türkenopern», Musik «alla turca»). Seit dem 19. Jahrhundert hat in den großen Städten der Türkei europäischen Musik Eingang gefunden. In jüngerer Zeit wuchs eine Generation türkischer Komponisten heran, die eine Synthese der verschiedenen Traditionen anstreben (Adnan Saygun u. a.).

Türken, Osmanen: Turkvolk in Kleinasien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien und auf Zypern; Hauptbevölkerung der Türkei; 42 Millionen; in anderen Ländern 2 Millionen.

Türkenbund, Lilium martagon: kalkliebendes Liliengewächs der Laubwälder mit nickenden hell purpurroten, dunkler gefleckten Blüten, die einem Turban ähneln (u. N.).