Wissenschaftlich-phantastische Literatur

Wissenschaftlich-phantastische Literatur: Literatur, die stofflich-thematisch sowie in der Art ihrer künstlerischen Gestaltung wissenschaftlichem Denken mit phantasievollen Visionen und Hypothesen vereinigt; wendet sich meist der Zukunft (Zukunftsliteratur)I, seltener der Vergangenheit zu. Die ältere utopische Literatur beschreibt idealisierte gesellschaftliche Zustände als gegenwärtig oder künftig real existierend. Da solche Zustände nur in der Vorstellung, niemals in der Wirklichkeit möglich sind, ist sie von jener wissenschaftlich-phantastischen Literatur abzugrenzen, die durchaus mögliche soziale und technische Entwicklungen vorwegnimmt. Zur eigentlichen utopischen Literatur rechnen bestimmte Werke der bürgerlichen Aufstiegsperiode (Morus «Utopia», 1516; G. D. Campanella «Der Sonnenstaat», 1623; F. Bacons «Neu-Atlantis», 1626; alle deutsch). In der deutschen Literatur finden sich Züge der utopischen Literatur, zum Beispiel in H. J. C. von Grimmelshausens «Simplicissimus» (1669) und J. Goethes «Faust n» (1832). Die bürgerliche utopische Literatur der Gegenwart geht in der Regel am Kampf der Arbeiterklasse um die reale Gestaltung der gesellschaftlichen Zukunft vorbei. Bedeutende Autoren älterer phantastischer Literatur, teilweise mit satirischen Zügen, sind F. Rabelais («Gargantua und Pantagruel», 1532/52) sowie im 19. Jahrhundert A. Bierce, F. O’Brien, E. A Poe, P. Scheerbart. In neuerer Zeit entstand mit der Science-fiction (englisch, «Wissenschaftsdichtung») eine wissenschaftlich-phantastische Literatur, die vor allem die Perspektiven von Naturwissenschaft und Technik vorzustellen sucht. Modellwirkung übten die unterhaltenden, abenteuerlich-phantastische Romane von J. Verne aus; Mitbegründer und früher wichtiger Vertreter wurde H. G. Wells, in Deutschland K. Laßwitz («Auf zwei Planeten», 1897). Erforschung der Galaxien, Weltraumabenteuer, Begegnungen mit Außerirdischen, Sich-Verselbständigen der Technik wurden gängige Themen. Bürgerlich-humanistische Autoren benutzen «Anti-Utopien» als Gesellschaftssatire (K. Capek, A. Huxley, R. Bradbury, K. Vonnegut). Zunehmend geriet jedoch bei bürgerlichen Autoren die Darstellung erschreckender Endzeitzustande menschlicher Zivilisation (technische und soziale Katastrophen) in den thematischen Mittelpunkt. Ebenso sank die Science-fiction in den kapitalistischen Ländern nach dem 2. Weltkrieg immer mehr zur effektvollen, aber anspruchslosen Trivial-, oft Schundliteratur mit massenhafter Verbreitung (auch als Comics). Sozialistische Autoren stellen hingegen die Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlicher Entwicklung und technischer Fortschritt in der Zukunft dar (A. N. und B. N. Strugazki, S. Lem). Auch bedeutende Autoren der Erzählkunst (A. France, H. Hesse, A. Seghers, A. N. Tolstoi) verwendeten in ihrem Schaffen Elemente des Genres der wissenschaftlichen Literatur.