Weimar

Weimar: Stadtkreis im Bezirk Erfurt, in fruchtbarer Talweitung der Ilm, im Thüringer Becken; 64000 Einwohner; bedeutendes Kultur-, Touristenzentrum und wichtige Kongress- und Industriestadt; Landmaschinen-, Uhren-, Elektroarmaturenbau, Metallspielwarenherstellung, Möbel- und graphische Industrie; Verkehrsknoten; Hochschule für Architektur und Bauwesen, Hochschule für Musik «Franz Liszt», Agraringenieur-, Fachschule, Institute; Staatsarchiv Weimar, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur beziehungsweise der deutschen Kunst und Literatur des 20. Jahrhundert, Museen, Kunstsammlungen, Sitz der Goethe- und der Shakespeare-Gesellschaft; Nationaltheater, Staatskapelle Weimar; weitgehend als Fußgängerzone rekonstruierte Altstadt mit historischen Bauwerken; neue Wohngebiete an der Peripherie. Baudenkmäler sind die Stadtkirche St. Peter und Paul (heute Herderkirche; spätgotische Hallenkirche, barock umgebaut; mit Cranachaltar), Jakobskirche (1168 geweiht, Umbau 1713), Stadthaus (1547), Cranachhaus (1547/49), Herderhaus, Kirms-Krackow-Haus (16. Jahrhundert), Wittumspalais (1767, heute Wieland Museum), Grünes Schloss (1562/69, 1761/66 umgebaut; jetzt Landesbibliothek), Rotes Schloss (1576), Gelbes Schloss (1704), Fürstenhaus (1774), Haus der Frau von Stein. An der Ilm liegen das Schloss (Renaissancebau, klassizistische Umgestaltung 1790/1803; Kunstsammlungen) und der Park mit Goethes Gartenhaus (1776/82); ferner Goethehaus am Frauenplan (1794 nach Goethes Plänen umgebaut; Goethe-Nationalmuseum), Schillerhaus (1777; Museum), Goethe-Schiller-Gruft (1825), Goethe-Schiller-Denkmal (1857 von E. Rietschel); südlich der Stadt Barockschloss Belvedere mit prachtvoller Innenausstattung (1724/32, heute Rokokomuseum), Schlosspark (1776/1853 umgestaltet); nordöstlich Schloss Tiefurt an der Ilm (Ende 16. Jahrhundert, seit 1776 umgestaltet; Innenräume mit ursprünglicher Ausstattung des Rokoko, Klassizismus und Biedermeier), Landschaftspark mit Kleinarchitekturen (1776/1850). 975 erwähnt, 1254 als Stadt genannt, 1547/1918 Residenz der Herzoge (seit 1815 Großherzöge) von Sachsen-Weimar(-Eisenach). Seit Mitte des 18. Jahrhundert, insbesondere während der Regierungszeit von Herzog Karl August, entwickelte sich Weimar zu einem Zentrum geistig-kulturellen Lebens in Deutschland (C. M. Wieland, J. Goethe, J. G. Herder, F. Schiller). Auch ein intensives Musikleben gab es über mehrere Jahrhunderte (J. S. Bach, Liszt, R. Wagner, R. Strauss). 1919 tagte hier die Weimarer Nationalversammlung. 1920/48 war Weimar Hauptstadt des Landes Thüringen. Die thüringische Arbeiterregierung hatte 1923 in Weimar ihren Sitz. 1937 errichteten die Faschisten auf dem Ettersberg nördlich von Weimar das KZ Buchenwald (heute Nationale Mahn- und Gedenkstätte).

Weimarer Beiträge: Monatszeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturtheorie; 1955 von L. Fürnberg und H.-G. Thalheim in Weimar begründet, erscheint seit 1963 in Berlin.

Weimarer Malerschule: realistische Richtung der Landschaftsmalerei zwischen 1860/1914, deren Entwicklung eng mit der 1860 gegründeten Weimarer Kunstschule verbunden ist. Im Gegensatz zu den meisten deutschen Kunstakademien der Zeit wurde in Weimar die unmittelbare Naturanschauung gelehrt. Von realistischen Auffassungen ausgehend und den Historismus negierend, kamen die Künstler der Weimarer Malerschule über die Freilichtmalerei früh zu impressionistischen Gestaltungen (tages-, jahreszeitlich, witterungsspezifisch und atmosphärisch differenzierte Landschaften). Hauptvertreter waren K. Buchholz, P. Baum, T. Hagen.

Weimarer Nationalversammlung: verfassunggebendes Parlament der Weimarer Republik, am 19.1.1919 gewählt; hatte 236 bürgerliche Abgeordnete, 165 Abgeordnete der SPD und 22 der USPD, die KPD hatte sich nicht an der Wahl beteiligt; tagte in Weimar und Berlin (vom 6.2.1919 bis 21.5.1920); wählte die erste Regierung unter P. Scheidemann und den Reichspräsidenten F. Ebert, stimmte am 22-/23. 6.1919 dem Versailler Vertrag zu und nahm am 31.7.1919 die Verfassung (Weimarer Verfassung) an, die am 14. 8.1919 in Kraft trat. Die Weimarer Nationalversammlung schuf die Grundlagen für die bürgerlich-parlamentarische Herrschaft des deutschen Imperialismus.

Weimarer Republik: Bezeichnung für den bürgerlich-parlamentarischen Staat und den Zeitabschnitt in der Geschichte Deutschlands, der als Ergebnis der Novemberrevolution mit der Wahl der verfassung-gebenden Nationalversammlung am 19.1.1919 begann und mit der Errichtung der faschistischen Diktatur am 30.1.1933 endete.

Weimarer Verfassung: die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919 (Unterzeichnung durch den Reichspräsidenten; gültig ab 14.8.1919), Grundgesetz der Weimarer Republik 1919/33, vom hitlerfaschistischen Regime faktisch beseitigt, wenn auch formell nicht aufgehoben; brachte als Ergebnis der Novemberrevolution unter anderem die verfassungsmäßige Verankerung der republikanischen Staatsform und die Erweiterung der bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten. Sie half zugleich, die Klassenherrschaft des deutschen Monopolkapitals und der Junker, mit Mitteln der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie ausgeübt, zu sichern. Die Stellung des Reichstags (auf 4 Jahre gewählt) war gestärkt worden; ihm oblagen insbesondere die Reichsgesetzgebung und die Überwachung der Tätigkeit der Reichsregierung. Die Vertretung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung war Aufgabe des Reichsrates. Die Stellung des Reichstages war jedoch durch den starken Ausbau der Rechte des Reichspräsidenten (auf 7 Jahre direkt gewählt), der den Ausnahmezustand verhängen konnte und das Notverordnungsrecht hatte, sowie durch das Reichsgericht und die Reichsregierung beschränkt. Die Macht der alten Regierungs-, Verwaltungs- und Justizbürokratie blieb unangetastet.