Urgeschichte

Urgeschichte, Vorgeschichte, Prähistorie: ältester und längster Abschnitt in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft. Die Urgeschichte begann mit der Entwicklung des Menschen aus dem Tierreich vor 2 bis 3 Millionen Jahren, aus dem Kreis der progressiven Australopithecinen über die Stufen des Archanthropus (Urmensch), Paranthropus (Altmensch) zum Neanthropus (Neu- oder Jetztmensch) bis zur Entstehung der Klassengesellschaft im 4./3. Jahrtausend vor Christus Sozialökonomisch ist sie gekennzeichnet durch das Gemeineigentum am Hauptproduktionsmittel, dem Grund und Boden, sowie durch das Organisationsprinzip der Blutsverwandtschaft. Die Urgeschichte wird in 2 große Abschnitte untergliedert. Der erste ist charakterisiert durch die Herauslösung des Menschen aus dem Tierreich, die Vervollkommnung des menschlichen Körpers, Herausbildung der menschlichen Arbeit, Entwicklung sozialer Beziehungen. Der zweite Abschnitt umfasst die entwickelte Urgesellschaft, die mit der Gentilgesellschaft gleichgesetzt werden kann. Die technischen Hilfseinteilung in Altstein-, Jungstein-, Bronze- und Eisenzeit wird jedoch aus praktischen und Traditionsgründen weiter benutzt. Altsteinzeit, Paläolithikum (600000/8000 vor Christus). In Europa setzte die Entwicklung mit dem Altpaläolithikum (600000/200000 vor Christus) ein. In der Anfangsphase gab es noch keine speziellen Werkzeugformen, erst mit dem Auftreten des Urmenschen (Homo erectus) wurden bewusst Werkzeuge bestimmter Form, zum Beispiel Faustkeile, hergestellt. Der Urmensch nutzte auch erstmalig nachweisbar das Feuer. Der Lebensunterhalt wurde durch Jagen und Sammeln bestritten. Funde des Urmenschen existieren aus Afrika, Ostasien, Europa (unter anderem Bilzingsleben). Es folgte das Mittelpaläolithikum (200000/50000 vor Christus). Seit der letzten Zwischeneiszeit entwickelte sich in Europa das Moustérien, dessen Geräteformen unter anderem Handspitzen und Schaber sind. Zur Jagd wurden hölzerne Stoßspeere mit im Feuer gehärteter Spitze benutzt. Träger des Moustérien war der Altmensch (sogenannt Neandertaler), seine soziale Organisationsform die Horde. Während des Jungpaläolithikums (50000/8000 vor Christus) kam es zur vollen Entwicklung der Gentilgesellschaft; kombinierte Werkzeuge aus Knochen, Horn, Stein, Elfenbein und Holz sowie neue Produktionsinstrumente wie die Harpune, Speerschleuder, Pfeil und Bogen wurden erfunden. Erste Anzeichen künstlerische und kultische Vorstellungen werden fassbar (Höhlenmalerei, Plastiken). Erst jetzt kann man von Urgesellschaft im eigentlichen Sinne sprechen.

Mittelsteinzeit, Mesolithikum (8000/4500 vor Christus). Während in Europa die Mittelsteinzeit mit Jagen, Sammeln und besonders Fischfang noch andauerte, vollzog sich im Vorderen Orient der Prozess der agrarischen Revolution, der Übergang zu Bodenbau und Viehzucht. Die Anfänge der agrarischen Revolution liegen im 10./9. Jahrtausend vor Christus; sie ermöglichte eine dauerhafte Seßhaftigkeit und die Existenz großer Menschengruppen auf engem Raum. So lebten in Jericho (Jordanien) im 8. Jahrtausend etwa 2000 bis 3000 und in Catal Hüyük (Türkei) im 7. Jahrtausend vor Christus etwa 10000 Menschen in einer Siedlung. Die Entwicklung der Produktivkräfte war mit der Erzeugung stabiler Überschüsse verbunden, die stärkere soziale Differenzierung und auf lange Sicht die Herausbildung von Klassen und Staaten ermöglichten.

Jungsteinzeit, Neolithikum (4500/1800 vor Christus). entsprechend der unterschiedlichen Entwicklung der Produktivkräfte ist der Beginn der Jungsteinzeit regional verschieden. Ende des 5. Jahrtausend begann die bäuerliche Wirtschaftsweise im südlichen Mitteleuropa (Bandkeramik). Um 3000 vor Christus setzte die Jungsteinzeit mit der Trichterbecherkultur auch in Nordeuropa ein. Mesolithische Restgruppen existierten weiter. Charakteristisch für die Jungsteinzeit sind sesshafte Lebensweise, Bodenbau und Viehzucht. Der Arbeitsprozess differenzierte sich weiter; neue Techniken wie Steinsägen, -bohren, -schleifen, Spinnen, Weben und Töpferei wurden angewendet. Geschlossene, teils befestigte Dorfsiedlungen und Kollektivbestattungen in Großsteingräbern deuten auf vollentwickelte Gentilordnung mit Sippe und Großfamilie hin. In der Endphase sind Klug und Wagen und die Domestikation des Pferdes nachweisbar. Grabausstattung (Totenhäuser) und reiche Beigaben, aber auch Streitäxte weisen auf beginnende soziale Differenzierung hin. Gegen Ende der Jungsteinzeit (auch Kupferzeit genannt) Auftreten neuer Kulturgruppen: Schnurkeramik (Ost-, Mittel- und Nordeuropa), Glockenbecherkultur (Südwest- und Mitteleuropa).

Bronzezeit (1800/750 vor Christus). Unter dem Einfluss des mit dem Aufkommen der Bronze im Vorderen Orient im 3. Jahrtausend sich vollziehenden Übergangs zur Klassengesellschaft bildete sich im ägäischen Raum eine städtlichen Kultur mit Elementen der Sklaverei heraus, so die minoische (kretische) Kultur auf Kreta; die helladische (kretisch-mykenischen) Kultur in Griechenland. In Mitteleuropa begann die Frühbronzezeit um 1800 vor Christus, in Nordeuropa um 1700 vor Christus (Nord. Bronzezeit). Die Mittlere Bronzezeit (1550/1250 vor Christus) wurde durch eine Unruheperiode (Hortfunde) eingeleitet. Süd- und Südosteuropa blieben in dieser Zeit im Einflussbereich der ägäisch- (kretisch-) mykenische Kultur. Die Späte Bronzezeit (1250/750 vor Christus), unter anderem Urnenfelderkultur in Mitteleuropa, Koban Kultur im Kaukasus, ist gekennzeichnet durch die allgemeine Verbreitung neuer Kulturpflanzen (Hafer), Pflugbau (hölzerner Hakenpflug) und Pferd und Wagen. Die Bronze wurde Gebrauchsmetall (Waffen, Geräte, Schmuck), Zinn und Kupfer wurden bergmännisch gewonnen. Die Spezialisierung der metallurgischen Produktion ließ Handwerk entstehen. Anfänge einfacher Warenproduktion, Tauschhandel mit Bronzegeräten, Bronzebarren, Bernstein und Edelmetallen sind nachweisbar. Befestigte Burgwälle wurden als Verteidigungsanlagen und politische und kultische Stammeszentren errichtet. Unter den Bedingungen der Erzeugung von Überschüssen an Nahrungsmitteln sowie der Metallproduktion kam es teilweise zur weiteren Zersetzung der Urgesellschaft. Eisenzeit (750 vor Christus Beginn nach Christus). In den Mittelmeerländern bildete sich die Klassengesellschaft weiter aus. Im übrigen Europa unterscheidet man einen älteren und jüngeren Abschnitt der Eisenzeit.

In der Hallstattzeit (750/450 vor Christus) kam es zur Gewinnung und Verarbeitung des Eisens, Bronze wurde noch als Schmuckmetall verwendet. Salz wurde durch Bergbau (Hallstatt) und aus Sole (Halle) gewonnen. Auf der Grundlage einer fortschreitenden Arbeitsteilung (Handwerker, Händler) kam es zum Anwachsen des Privateigentums an Produktionsmitteln und zum teilweisen Übergang zur einfachen Warenproduktion. Es bildete sich eine Gentil Aristokratie heraus, die durch befestigte Herrensitze und reich ausgestattete Fürstengräber fassbar wird. Nördlich der Alpen formierten sich ethnisch verschiedene Gruppen des Hallstattkreises, in Oberitalien die Villanova Kultur. La-Tène-Zeit (450 vor Christus/Beginn nach Christus). Während das Mittelmeergebiet von Rom beherrscht wurde, bildete sich im südlichen Mitteleuropa die La-Tène-Kultur heraus, deren Träger im westlichen Kerngebiet die Kelten waren. Kelt. Stämme drangen in Frankreich, England, Schottland, Spanien, Mittelitalien, Griechenland und Kleinasien ein und bildeten in Hinsicht auf materielle Kultur und Kunstäußerung (La Tène-Stil) ein relativ einheitliches Gebiet von der Donaumündung bis zur atlantischen Küste. Auf Grund der Weiterentwicklung der Produktivkräfte (eiserne Pflugschar, Töpferscheibe, Metall- und Glasherstellung, einfache Warenproduktion) bildete sich eine soziale Oberschicht mit Privateigentum an Grund und Boden, an Arbeitsinstrumenten und -Produkten, die zum Teil in befestigten Burgen lebte. Die handwerklich tätige Bevölkerung lebte unter anderem in Oppida (stadtartigen Siedlungen). Schrift und Münzprägung kamen auf. Einer eigenständigen Entwicklung der keltischen Stämme zur Klassengesellschaft wurde jedoch durch die Eroberungen der römischen Sklaverei Gesellschaft ein Ende bereitet (58/52 vor Christus Besetzung Galliens durch römische Truppen unter Cäsar). In der vorrömischen Eisenzeit Nordeuropas lebten noch bronzezeitlichen Traditionen fort. Im 6. Jahrhundert vor Christus kam es im Gebiet des nördlichen Mitteleuropa, Südskandinaviens und Dänemarks zur Herausbildung der Jastorfkultur, deren Träger germanische Stämme waren. Bodenbau und Viehzucht waren die Grundlage ihrer Wirtschaft. Anfänge einer sozialen Differenzierung sind später sowohl in schriftlichen Quellen (Cäsar, Tacitus) als auch unter anderem in den Bestattungsbräuchen materiell fassbar. Die Kenntnis der Eisenproduktion wurde den Germanen aus westlichen und stündlichen Gebieten vermittelt und förderte ihre Konsolidierung. Eine Expansion germanischer Stämme bis an Rhein und Donau erfolgte. Hier kamen sie ab 2./1. Jahrhundert vor Christus in ständigen Kontakt mit dem römischen Imperium. Den germanischen Stämmen, die zu dieser Zeit im Stadium der militärischen Demokratie lebten, gelang es, die Versuche der römischen Klassengesellschaft, sie zu unterjochen, zu verhindern und mit der siegreichen Schlacht im Teutoburger Wald 9 nach Christus dem militärischen Vordringen der Römer ein Ende zu setzen. Damit erhielten sich die germanischen Stämme die Möglichkeit, später unter dem Einfluss der Klassengesellschaft, aber dennoch relativ selbständig, den Übergang zu einer qualitativ neuen Sozialökonomischen Formation, dem Feudalismus, in West- und Mitteleuropa zu vollziehen.