Ungarn

Ungarn, ungarische Volksrepublik, Abkürzung UVR: sozialistischer Staat im Südosten Mitteleuropas; grenzt im Osten und Südosten an Rumänien, im Süden am ehemaligen Jugoslawien und im Westen an Österreich; verwaltungsmäßig in die Hauptstadt Budapest, 19 Bezirke (Megye) und 5 Städte mit Bezirksrecht gegliedert. Währung ist der Forint. Bevölkerung 96,6% der Einwohner sind Ungarn, den Rest bilden gleichberechtigte nationale Minderheiten: Deutsche (1,6%), Slowaken (1,1%), Rumänen (0,2%) und Südslawen (0,3%); der Anteil sonstiger Nationalitäten beträgt 0,2%. Amtssprache ist Ungarisch. Ungarn gehört zu den dichtest besiedelten Staaten Europas; vor allem die weitere Umgebung von Budapest ist dichtbewohnt. Eine überdurchschnittliche Bevölkerungskonzentration weisen auch die Bezirke Pest, Komarom und Borsod-Abauj-Zemplen auf. Der durchschnittliche jährliche Bevölkerungszuwachs ist gering und beträgt seit 1970 etwa 0,4%. Bei anhaltendem Urbanisierungsprozess lebt über die Hälfte der Einwohner in Städten, dabei konzentriert sich über ein Drittel der Stadtbevölkerung allein in Budapest (hier lebt beinahe ein Fünftel der Bevölkerung). Der Anteil der Werktätigen an der Gesamtbevölkerung beträgt die Hälfte, davon sind über 95 % im sozialistischen Sektor beschäftigt.

Natur - Oberfläche: Sie wird vorrangig von Flach- und Hügelland geprägt (nördlicher und zentraler Teil des Pannon. Beckens). Seiner geomorphologischen Gestaltung nach gliedert sich Ungarn in das Kisalßld (Oberungarische Tiefebene), in das ungarische Mittelgebirge mit dem Transdanubischen Mittelgebirge (westlich der Donau) und dem Nordungarischen Mittelgebirge (östlich der Donau, höchste Landeserhebung Kekes (1015 m), in das Transdanubische Hügelland zwischen Donau und Drau mit dem Mecsek im Süden, in das Alpenvorland (bis 883 m)im Westen sowie in das fast die Hälfte der Landesfläche einnehmende die Niederungarische Tiefebene im Osten und Südosten.

Klima: Gemäßigt-kontinentales Klima, das europäisch-ozeanischen und subtropischen mediterranen Klimaeinflüssen unterliegt; mittlere Jahrestemperatur etwa 9 bis 11°C; jährliche Niederschlagsmenge 500 bis 800 mm, Abnahme der Niederschlagsintensität von Westen nach O.

Gewässer: Das Flussnetz Ungarns gehört zum Einzugsgebiet der Donau, deren ungarischer Abschnitt 417 km beträgt; weitere wichtige Flüsse: Theiß (595 km ungarischer Abschnitt), Körös, Drau, Raab und Siö; der Bewässerung dienen vor allem Theiß und Körös; größte Seen: Balaton (596 km2), Stausee bei Kisköre an der Theiß, Velence See und der nur zum Teil zu Ungarn gehörende Neusiedler See (Fertö); zahlreiche Thermalquellen.

Pflanzen- und Tierwelt: Die ursprüngliche Vegetation bestand vorwiegend aus Laubwäldern und Waldsteppe; heute ist nur etwa ein Sechstel der Landesfläche bewaldet (besonders Buchen, Eichen). Das Alfold wurde größtenteils in Grassteppe (Puszta) und später überwiegend in Ackerland umgewandelt; Nationalparks mit Restgebieten der Puszta in der Hortobágy und bei Kecskemét. Die ursprüngliche Tierwelt wurde weitgehend zurückgedrängt; ein ansehnlicher Wildbestand (unter anderem Rotwild, Reh, Wildschwein) ist in den Wäldern erhalten geblieben. Wirtschaft Seit Bestehen der volksdemokratischen Ordnung erfolgte im Prozess der sozialistischen Entwicklung die Umgestaltung von einem Agrarland mit wenig Industrie zu einem entwickelten Industriestaat mit leistungsfähiger Landwirtschaft. Fast 60% des Nationaleinkommens resultieren aus der Industrie, 17% aus der Landwirtschaft. Grundlegende Voraussetzung für das Wirtschaftswachstum (das Nationaleinkommen hat sich seit 1950 beinahe verfünffacht) ist die Zusammenarbeit mit der UdSSR und den anderen RGW-Mitgliedstaaten sowie die aktive Teilnahme Ungarns an der Vertiefung der sozialistischen ökonomischen Integration. entsprechend den Richtlinien des VII. Fünfjahrplanes (1986/90) ist der Übergang zur Intensivierung der Produktion wirtschaftspolitisches Hauptziel. Industrie. Die Entwicklung der Industrie erfolgte mit Hilfe der UdSSR und anderer sozialistischen Staaten. Es entstanden neue Industriestandorte in vorher rein agrarisch genutzten Gebieten. Wichtigstes Industriezentrum ist Budapest (30% der Industrieproduktion). Bergbau. Ungarns wichtigster Bodenschatz ist Bauxit (Jahresforderung etwa 3 Millionen t), der vor allem im Bakony und zum Teil im Vértes überwiegend im Tagebau gewonnen wird. Mineral. Rohstoffe (außer Bauxit) und Energieträger müssen größtenteils importiert werden, da sie nur in begrenztem Umfang vorhanden sind: Abbau von Braunkohle bei Tatabánya, Dorog, Tokod, Ozd und im Tal der Sajó, von Lignit bei Visonta und Várpalota, von Steinkohle bei Pécs und Komló (zum Teil verkokbar). Die Erdöl- und Erdgasgewinnung verlagert ihren Schwerpunkt von Südwest- u. (Budafok, Lovászi, Gellénháza) zunehmend auf die Vorkommensgebiete des Alfold (unter anderem Algyö bei Szeged, Mezökeresztes, Szank, Hajdúszoboszló); Manganerz- (Urkut, Eplény), Uranerz- (Pécs) und Kupfererzabbau (Recsk). Die Elektroenergiegewinnung erfolgt fast ausschließlich durch Wärmekraftwerke vor allem auf Kohle- (zu 30%; unter anderem Visonta, Kazincbarcika, Oroszlány) sowie Erdöl- und Erdgasbasis (Százhalombatta, Leninváros). Der Ausnutzungsgrad der Wasserenergie (kleine Kraftwerke in Kisköre und Tiszalök) ist noch gering; im Bau sind Wasserkraftwerke an der Theiß (Csongrád) und an der Donau (Nagymaros; in Zusammenarbeit mit der CSSR); bei Paks ist ein Kernkraftwerk (1760 MW) im Bau, dessen erste Blocks bereits an das Netz angeschlossen sind. Bezug von Elektroenergie erfolgt aus der UdSSR vor allem durch die 750-kV-Leitung von Winniza (Ukraine) nach Albertirsa. Die Standorte der Aluminiumerzeugung konzentrieren sich in der Nähe der Bauxitvorkommen und der Energiezentren; Tonerde Herstellung (Mosonmagyaróvár, Ajka), Verhüttung (Várpalota. Ajka, Tatabánya), Aluminiumwalzwerk (Székesfehérvár, Budapest); einen Teil des Bauxits verarbeitet die UdSSR für Ungarn auf der Grundlage eines Regierungsabkommens. Die Basis für die Eisenmetallurgie und Stahlerzeugung (Miskolc, Ózd, Dunaùjvàros, Budapest) bildet Importeisenerz aus der UdSSR. Hauptstandorte des Maschinenbaus sind Budapest, Miskolc, Györ, Székesfehérvàr. Dynamisch entwickeln sich der Fahrzeug- (unter anderem Ikarus-Omnibusse, Lokomotiven, Waggons), Werkzeug- und Landmaschinenbau sowie die Elektrotechnik/Elektronik mit ihrer Spezialisierung auf die Mikroelektronik. Große Bedeutung erlangte auch die chemische Industrie (Zentren Szàzhalombatta, Leninvàros, Budapest, Kazincbarcika, Varpalota), deren wichtigste Zweige Erdölverarbeitung, Herstellung von Pharmazeutika, Kunststoffen und Düngemitteln sind. Erweiterung und Modernisierung erfuhren die Baustoff- und Leichtindustrie. Zentrum der Textil- und Bekleidungsindustrie ist Budapest; breitere Standortverteilung hat die Nahrungs- und Genussmittelindustrie (unter anderem Konserven-, Fleischwaren(Salami) und Tabak-Warenherstellung, Weinkeltereien).

Geschichte: Das Gebiet des heutigen Ungarn war bereits in der Stein- und Bronzezeit besiedelt, seit 10 vor Christus römische Provinz Pannonia (West- u.), im 4./5. Jahrhundert nach Christus Zentrum des Hunnenreiches, im 6./8. Jahrhundert Reich der Awaren. Um 896 erfolgte die Landnahme durch die nomadisierenden finnougrischen Magyaren (Ungarn) aus dem Gebiet zwischen Prut und Dnestr, die nach anfänglichen Streifzügen in westlichen Nachbarländern Ende des 10. Jahrhundert zu Ackerbau und Sesshaftigkeit übergingen. Die Gentilgesellschaft zerfiel, frühfeudale Produktionsverhältnisse entstanden. Istvan I. (1000/38) begründete den ungarischen Feudalstaat, führte das (römische) Christentum ein, unterwarf den heidnischen Stammesadel und ließ sich 1000 krönen. Unter der Árpáden-Dynastie (1000/1301) festigte sich die Feudalordnung, und im Zuge der feudalen Expansion wurden Siebenbürgen (Transilvania), Slawonien, Kroatien und Dalmatien angegliedert. Die im 13. Jahrhundert einsetzende feudale Zersplitterung erleichterte den Mongoleneinfall 1241. Unter B61a IV. (1235/70) erlebte Ungarn einen Wiederaufbau und wirtschaftlicher Aufschwung (Städtegründung, Bergbau, deutsche Zuwanderung). Karoly, Robert (1308/42) und Lajos I. (1342/82) aus der Dynastie der Anjou (1308/82) versuchten, die feudale Anarchie zu brechen und die Zentralgewalt zu festigen; Lajos I. führte die feudale Expansion fort und verband Ungarn 1370 in Personalunion mit Polen. J. Hunyadi (Reichsverweser 1446/52) gelang es, die von der Balkanhalbinsel vorstoßenden Türken abzuwehren. Unter seinem Sohn, König Matyas I. Corvinus (1458/90), erstarkte die Zentralgewalt, erreichte Ungarn seine größte Machtausdehnung (Eroberung von Mähren, Schlesien, der Lausitz und Besetzung Wiens) und erlebten Wirtschaft und Kultur eine Blütezeit (Renaissance). Nach Matyas brach die Zentralgewalt zusammen (Dynastie der Jagiellonen 1490/1526); die zunehmende Willkürherrschaft und Ausbeutung ließ die zum Kreuzzug gegen die Türken versammelten Bauern 1514 die Waffen gegen die eigenen Feudalherren kehren. Der von Gy. Dozsa geführte Bauernaufstand wurde blutig niedergeschlagen, die Leibeigenschaft verschärft und 1515 gesetzlich fixiert. 1526 unterlag die Adelsarmee den Türken in der Schlacht bei Mohics; Mittel- u. geriet unter türkische (1541), West- u. unter habsburgischer Herrschaft und Öst- u. (Siebenbürgen) als Fürstentum unter türkischen Oberhoheit. Von hier aus wurde der nationale Befreiungskampf Ungarns gegen beide Eroberer, gegen die katholischen Habsburger auch durch die Reformation, geführt (Aufstände unter Führung der siebenbürgischen Fürsten I. Bocskai 1604/06, G. Bethlen 1619/26 und I. Thököly 1678/82). Nach der Vertreibung der Türken 1683/87 fiel fast ganz Ungarn an Österreich (1699 Frieden von Karlowitz); die nationale und religiöse Unterdrückung (Gegenreformation) führte zu erneuten Aufständen, so zur Volkserhebung 1703/11 unter Ferenc II. Rakoczi, und forderte Wien Zugeständnisse ab; es musste Ungarn wieder Verfassung und Adelsprivilegien verbürgen. Unter dem Einfluss der Franzos. Revolution entstand eine republikanische Bewegung (Geheimbund ungarischer Jakobiner) unter der Führung von I. Martinovics, J. Hajnoczy (1750-1795) unter anderem; sie wurde 1794/95 grausam unterdrückt. Die Krise des Feudalsystems löste seit 1825 eine liberal-adlige Reformbewegung zur Einführung bürgerlich-kapitalistischer Verhältnisse aus, deren Führung 1840 L. Kossuth übernahm, der im Gegensatz zu I. Szechenyi für einen von Österreich unabhängigen ungarischen Industriekapitalismus eintrat. Durch die französische Februar- und die Wiener Märzrevolution beflügelt, brach am 15.3.1848 in Ungarn die bürgerlich-demokratische Revolution aus; sie bewirkte, dass Wien die Bildung einer ungarischen Regierung unter L. Batthyany akzeptieren musste (173. 1848) und am 11.4.1848 den vom Landtag vorgelegten Gesetzen zustimmte, die die wichtigsten Forderungen einer bürgerlich-nationalen Umgestaltung erfüllten, die Bauern- und Nationalitätenfrage jedoch ungelöst ließen. Im Herbst 1848 organisierte Habsburg den bewaffneten Überfall auf Ungarn; er wurde durch die von Kossuth geworbene Honved Armee Anfang 1849 abgewehrt. Im April 1849 erklärte Kossuth Ungarn zum unabhängigen Staat. Österreichische Truppen warfen mit Hilfe zaristischer im August 1849 die ungarische Revolution nieder. Ungarn wurde der zentralistischen österreichischen Verwaltung eingegliedert. Zunehmende innere Widersprüche (Vielvölkerstaat), außenpolitische Misserfolge und die militärische Niederlage gegen Preußen 1866 zwangen die österreichische Regierung zum Ausgleich von 1867, durch den Ungarn in Realunion mit Österreich selbständiges Königreich wurde (österreichische ungarische Monarchie). Mit der Bildung der Doppelmonarchie auf der Grundlage einer Verständigung zwischen der österreichischen Bourgeoisie und dem ungarischen Großgrundbesitz betrat Ungarn den preußischen Weg der Entwicklung des Kapitalismus. Gegen die sich verschärfende Ausbeutung und nationale Unterdrückung der Minderheiten gerichtet, nahmen seit den 80er Jahren des 19. Jahrhundert die Arbeiterbewegung und die Bauernbewegung einen Aufschwung. 1880 entstand die Allgemeine Arbeiterpartei (L. Frankel), 1890 die Sozialdemokratische Partei, die jedoch unter den Einfluss des Austromarxismus geriet.

Der 1. Weltkrieg und die Oktoberrevolution führten zum weiteren Erstarken der Arbeiter- und Bauernbewegung und beschleunigten den Zerfall des habsburgischen Vielvölkerstaates. Am 16.11.1918 wurde die bürgerliche Republik Ungarn ausgerufen und damit die 400jährige Herrschaft der Habsburger beendet. Die unter Graf M. Karolyi gebildete Koalitionsregierung der kleinbürgerliche und rechtssozialistische Mehrheit konnte die Aufgaben einer bürgerlich-demokratische Revolution nicht lösen, die Enteignung des Großgrundbesitzes ging nur schleppend voran. Im November 1918 wurde unter Führung von B. Kun die KP gegründet, die zur führenden politischen Kraft heranwuchs. Als die Karolyi-Regierung infolge der Verschärfung der politischen Krise, besonders durch die Forderung der Großmächte nach Gebietsabtretungen Ungarns, am 20.3.1919 zurücktrat, ging die Regierungsgewalt auf die Sozialdemokratischen Minister über. Die Sozialdemokratische Parteiführung beschloss die Vereinigung mit der KP, die die Errichtung der Diktatur des Proletariats forderte. Am 21.3.1919 wurde die ungarische Räterepublik ausgerufen; der aus Kommunisten und Sozialdemokraten gebildete Revolutionäre Regierende Rat leitete Maßnahmen zur Beseitigung der kapitalistischen Ordnung und zur Verteidigung Ungarns gegen die Entente Truppen ein. Die Übermacht der imperialistischen Intervention und der inneren Konterrevolution, die sich unter Führung M. Horthys in Szeged formierte, führte im August 1919 zur Niederlage der Räterepublik. Ein reaktionärer Block der Großbourgeoisie und des Großgrundbesitzes kam mit Hilfe ausländischer Imperialisten zur Macht, ging mit zügellosem weißem Terror gegen die Anhänger der Räterepublik vor und stellte die kapitalistische Ordnung wieder her. Der am 1.3.1920 als «Reichsverweser» der wiederhergestellten Monarchie zur Führung gelangte Horthy errichtete eine halbfaschistische Diktatur, gegen die die illegale KP einen heldenhaften Kampf führte. Außenpolitisch drängte Horthy auf die Revision des Friedensvertrages von Trianon von 1920 und lehnte sich daher an das faschistische Italien (Vertrag 1927) und an Deutschland an; im Februar 1939 trat Ungarn dem Antikomintern- und im November 1940 dem Dreimächtepakt bei. Mit Hilfe dieser faschistischen Mächte erlangte Ungarn die Südslowakei, die Karpato Ukraine (1. Wiener Schiedsspruch, November 1938), Nordsiebenbürgen (2. Wiener Schiedsspruch, August 1940) und die Batschka (April 1941). Die ungarische Wirtschaft wurde in den Dienst des deutschen Imperialismus gestellt. An der Seite seiner faschistischen Verbündeten griff Ungarn 1941 Jugoslawien an und nahm im Juni 1941 am Überfall auf die UdSSR teil. Im März 1944 ließ Hitler Ungarn militärisch besetzen, nachdem es versucht hatte, mit den Westmächten Separatfrieden zu schließen. Im Oktober 1944 übernahm die faschistische Partei der Pfeilkreuzler die Macht in Ungarn Die antifaschistischen Kräfte schlossen sich unter Führung der KP im Mai 1944 zur ungarischen Front zusammen. Ihr Kampf wurde von der Roten Armee unterstützt, die Ungarn von den deutschen und ungarischen Faschisten befreite (23.9.1944/4.4.1945). Noch vor der Befreiung der Hauptstadt (13.2.1945) wurde im Dezember 1944 in Debrecen die Provisorische Nationalregierung gebildet, die am 20.1.1945 das Waffenstillstandsabkommen mit der UdSSR, den USA und Großbritannien Unterzeichnete. Am

15.3.1945 erließ sie die Verordnung über die Bodenreform, die den Großgrundbesitz enteignete.

Am 1.2.1946 erfolgte die Ausrufung der Republik. Die Angriffe der Reaktion wurden vom Linken Block unter Führung der KP im März 1946 zurückgeschlagen und die Errichtung der Volksdemokratie zum Ziel gesetzt (III. Parteitag der KP, 28.9./1.10.1946). Die Berg- und Kraftwerke wurden Ende 1946, die Großbanken und die Schwerindustrie im November 1947, die kapitalistische Betriebe im März 1948 verstaatlicht.

Im Juni 1948 vereinigten sich die KP und die Sozialdemokratische Partei auf marxistisch-leninistische Grundlage zur Partei der ungarischen Werktätigen. Die am 20.8.1949 von der Landesversammlung angenommene Verfassung dokumentierte den Sieg der Volksdemokratischen Ordnung: Ungarn wurde Volksrepublik. Mit dem 1. Fünfjahrplan 1950/54 wurde das Ziel gestellt, die Grundlagen des Sozialismus aufzubauen; dabei konnte sich Ungarn auf die Hilfe der sozialistischen Staaten stützen. Im Oktober 1956 versuchten die internationale und die ungarische Reaktion, die volksdemokratische Ordnung mit Waffengewalt zu stürzen (Konterrevolution 23.10./4.11.1956). Die bewussten Kräfte der Arbeiterklasse organisierten die Partei als marxistisch-leninistischer ungarischer sozialistischer Arbeiterpartei (Abkürzung USAP) neu. Am 4.11.1956 wurde die Revolutionäre Arbeiter- und-Bauern-Regierung gebildet. Die Niederschlagung der Konterrevolution, unterstützt von sowjetischen Truppen, bewahrte Ungarn vor der Restauration des Kapitalismus. Die Volksmacht wurde gefestigt und der sozialistische Aufbau der Volkswirtschaft seitdem erfolgreich fortgesetzt. Unter Führung der USAP und fest in die sozialistische Staatengemeinschaft eingefügt (U. ist Gründungsmitglied des RGW und des Warschauer Vertrages), gestaltet das Land gegenwärtig die entwickelte sozialistische Gesellschaft. Der XIII. Parteitag der USAP 1985 beschloss, die besonders seit 1970 dynamische Entwicklung trotz verschlechterter internationaler Wirtschaftsbedingungen durch Verbesserung des Wirtschaftsmechanismus fortzusetzen. Generalsekretär der USAP ist J. Kadar, Vorsitzender des Präsidialrates K. Nemeth und Ministerpräsident K. Grosz.

Kunst: Urgeschichtliche Kulturen, besonders aber die Kunst der Römerzeit, sind durch reiche Funde belegt (Aquincum, P6cs). Die sich um 900 ansiedelnden Ungarn brachten ein reiches Kunsthandwerk mit. Seit Istvan I. erfolgte der Anschluss an die europäische kulturelle Entwicklung (romanische Kirchen unter anderem in Jak). Die Festigung der Zentralgewalt förderte die hochromanische (Libeny) und schließlich die frühgotische Entwicklung (Esztergom) im 12./13. Jahrhundert, die durch die Zisterzienser weiter begünstigt wurde (Belapatfalva); bedeutende Plastikfunde der Spätgotik auf der Burg von Buda. In den Städten entstanden im 14./15. Jahrhundert Hallen- und Saalkirchen. Durch enge Beziehungen zu Italien setzte unter Matyas I. Corvinus eine frühe Renaissance ein (Burgen, Paläste; Bakocz Kapelle in Esztergom; wertvolle Handschriften, sogenannt Corvinen). Mit der Türkenherrschaft hörte eine selbständige Kunstentwicklung nicht völlig auf. Im Barock zeigte sich zum Teil ein enger Anschluss an Österreich (Palast Esterhazy bei Sopron) mit lebhafter Bautätigkeit vor allem im 18. Jahrhundert. Der Maler A. Manyoki wirkte im Ausland, im Lande selbst Maler unter anderem aus Österreich. Ende des 18. Jahrhundert erfolgte der Übergang zum Klassizismus (Dom von Szombathely). Der nationale Aufschwung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhundert rief auch eine beachtliche Kunstentwicklung hervor, sowohl in der Architektur (Kettenbrücke in Budapest) als auch in Malerei (K. Marko) und Plastik (I. Ferenczy). In der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert wurde der Realismus stark gefördert (M. Munkacsy, L. Paal). K. Ferenczy, J. Rippl-Ronai, S. Hollosy unter anderem erstrebten eine nationale und soziale Wirkung ihrer Kunst, einige arbeiteten in Malerkolonien (Szolnok, Nagybánya). Die sogenannte Malerschule der Tiefebene (J. Koszta, J. Tomyai), die sich thematisch dem Leben der Landbevölkerung und der kargen Schönheit der Puszta zuwandte, wirkt bis in die Gegenwart. Die Architektur nahm vor allem in Budapest einen bedeutenden Aufschwung. Künstler, die sich zum Proletariat bekannten (die Maler S. Ek und G. Derkovits, Künstlergruppe «Die Acht», Künstlerkreis um die Zeitschrift «MA»), wurden nach 1919 vom Horthy Regime verfolgt. Ungarischer Künstler leisteten in den 20er/30er Jahren bedeutende Beiträge zur proletarisch-revolutionären Kunst (B. Uitz, B. Per unter anderem) wie auch zum Konstruktivismus und zum modernen Bauen (L. Moholy-Nagy, S. Bortnyik, M. Breuer, V. Vasarely unter anderem).

Nach 1945 entwickelte sich zunächst eine Vielzahl unterschiedlicher künstlerischer Strömungen. Jedoch setzte sich, vor allem durch das Schaffen der älteren Künstlergeneration, eine stilistisch weitgefächerte humanistische und sozialistische Kunst durch. Seit Ausgang der 50er Jahre ist eine große Vielfalt an künstlerischen Leistungen besonders in der Plastik und baugebundenen Kunst zu verzeichnen; das Plakat, das moderne Bauschaffen sowie Volkskunsttraditionen werden gepflegt und gefördert.

Literatur: Von der älteren ungarischen Literatur sind nur einige Sagen und Heldenlieder in späteren lateinischen Chroniken erhalten. Mit der Übernahme des Christentums (11. Jahrhundert) begann die lateinische Codex Literatur. Die ältesten Schriftdenkmäler in ungarischer Sprache sind eine Totenrede (um 1200) und eine Marienklage (um 1300). Die hussitische Volksbewegung (Anfang 15. Jahrhundert) regte Bibelübersetzungen an. Die Dichtung des ungarischen Humanismus, noch vorwiegend lateinisch, gipfelte in der Lyrik von J. Pannonius. Durch die Reformation erfolgte ein kultureller Aufschwung, begünstigt durch die Ausbreitung der Buchdruckerkunst. Neben der vollständigen Bibelübersetzung (1590) von G. Karolyi waren die humanistische Lyrik von B. Baiassi, die Prosaschriften von P. Pazmany und das Heldenepos «Zrinyade» von M. Zrinyi Höhepunkte der sich nun in ungarischer Sprache entwickelnden Literatur im 16. und 17. Jahrhundert Nach der Niederwerfung (1711) der von Ferenc II. Ràkóczi gegen die Habsburger geführten Befreiungsbewegung trat die ungarische Sprache wieder in den Hintergrund. Bedeutendster Vertreter der in Ungarn Ende des 18. Jahrhundert einsetzenden und zu einer Spracherneuerung führenden Aufklärung war G. Bessenyei. Ihm folgten die von der Jakobinerbewegung und der Franzos. Revolution beeinflussten Dichtergruppen mit F. Kazinczy, M. Fazekas, J. Karman. Der größte Dichter der ungarischen Aufklärung, M. Csokonai Vitéz, schrieb lyrische Gedichte, D. Berzsenyi Oden. J. Katona schuf 1814 mit «Bànk bàn» das ungarischen Nationaldrama, und F. Kölcsey wurde der Dichter der ungarischen Nationalhymne. Der Romantiker M. Vörösmarty verlieh den freiheitlichen Ideen klassischen Ausdruck. Vertreter des historischen Romans, der in den Vordergrund rückte, waren M. Jósika und J. Eötvös. Mit S. Petöfis volkstümliche-realistische Dichtung, die den Auftakt zur bürgerlich-demokratische Revolution 1848/49 gab, trat die ungarische Literatur in die Weltliteratur ein. Petöfis Freund war der Epiker und Balladendichter J. Arany. I. Madächs Drama «Die Tragödie des Menschen» (1861) gilt als der ungarische «Faust». Durchschlagenden Erfolg für den ungarischen Roman brachten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert die romantischen Werke M. Jókais. Kritisch in seiner Aussage war der Erzähler K. Mikszath. G. Gàrdonyi verhalf dem historischen Roman zu neuem Glanz. In den Werken von Z. Ambrus, S. Bródy, J. Heltai, Gy. Krüdy, F. Molnär hielt das städtliche Milieu Einzug in die Literatur. Geprägt von der Dichtung E. Adys und den Bestrebungen der sich um ihn und die 1908 gegründete humanistische Zeitschrift «Nyugat» (Westen) scharenden Dichter, wie M. Babits, D. Kosztolanyi, A. Teth, Gy. Juhasz, M. Füst, und Schriftstellern, wie Zs. Möricz, M. Kaffka, F. Karinthy, F. Mera, L. Nagy und J. J. Tersanszky, entstand in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert die moderne ungarische Literatur. Beeinflusst vom bürgerl. Radikalismus und sozialistischen Ideen, erhob sie die Forderung nach Unabhängigkeit und demokratischen Umgestaltung Ungarns. Nach der Niederschlagung der proletarischen Revolution 1919 mussten viele sozialistische Schriftsteller, wie B. Illes, B. Balazs, L. Barta, A. Gabor, A. Komjat, A. Hidas, S. Gergely, J. Lengyel und M. Zalka, emigrieren. Eine große Gruppe bildeten in den 30er Jahren die eine Agrardemokratie propagierenden «Volkstümler», wie L. N6meth, Gy. Illyes, P. Veres, P. Szabö, J. Darvas. Jüngere «Arbeiterschriftsteller» waren L. Benjamin, F. Kis und E. Veszi. A. Jozsef, der Dichter des Proletariats, ist der bedeutendste Vertreter der sozialistisch-realistischen ungarischen Literatur. Bedeutende antifaschistische Lyrik schrieb M. Radnoti.

Nach der Zerschlagung des Faschismus 1945 entwickelte sich in Ungarn in allen literarischen Genres ein reges Leben, an dem mit den zurückkehrenden Emigranten auch wieder die in der «inneren Emigration» lebenden, bis dahin von der Zensur verfolgten Autoren teilnahmen. Parallel zu der sich seit dem «Jahr der Wende» 1948 stärker entfaltenden sozialistischen Kulturrevolution wuchs auch die Rolle der ungarischen sozialistischen Literatur. Neben den älteren Schriftstellern meldeten sich auch jüngere mit dem Anspruch auf umfassende künstlerische Gestaltung der neuen gesellschaftlichen Realität. Nach oftmals komplizierten Auseinandersetzungen mit revisionistischen Strömungen Mitte der 50er Jahre fanden viele Schriftsteller zum sozialistischen Realismus, konnte zunehmend von einer ungarischen sozialistischen Literatur gesprochen werden, die, im Bündnis mit allen humanistischen Strömungen, bestrebt ist, Kunde zu geben von dem Bewusstseinswandel, der sich seit der 2. Hälfte der 60er Jahre mit den großen wirtschaftlichen und strukturellen Veränderungen der ungarischen Gesellschaft in den Menschen vollzieht. Namhafte Vertreter der zeitgenössischen ungarischen Literatur sind außer den bereits genannten.

Musik: Die eigentliche Volksmusik (Bauernmusik) in Ungarn wurde erst Anfang des 20. Jahrhundert von B. Bartök und Z. Kodaly als solche erkannt und erforscht. Bis dahin galten dafür die von Zigeunerkapellen gespielten, jedoch auch nicht zur typischen Volksmusik der Zigeuner zählenden Verbunkos (ursprünglich Musik zur Soldatenwerbung), die auch in Werken von F. Liszt und anderen Komponisten als «ungarische» Intonationen zu finden sind. In der echten, bäurischen ungarischen Folklore mischen sich vielfältige Kultureinflüsse; sie reichen von der Pentatonik über modale Melodik bis zu orientalischen Ornamentik. Die erste Blüte der ungarischen Musik im 19. Jahrhundert ist eng mit der Zigeunermusik verbunden. J. Bihari war Zigeuner und Primas eines eigenen Ensembles; ihm wird auch die Komposition des weltbekannten Rakoczi-Marsches zugeschrieben. Zugleich trat der ebenfalls in der Zigeunermusik begründete Csardas seinen Siegeszug an. Begründer der ungarischen Kunstmusik und Organisator des Musiklebens wurde F. Erkel; an Rang wird er übertroffen von F. Liszt, der aber überwiegend im Ausland lebte. 1853 wurde die Philharmonische Gesellschaft, 1875 die Musikakademie, 1884 das Opernhaus gegründet. Am Ende des Jahrhunderts kündeten die Geiger J. Joachim und J. Hubay in aller Welt vom Aufschwung ungarischer Musik. Die Operetten F. Lehars und I. Kalmans wurden weltbekannt. Im 20. Jahrhundert bestimmten die Komponisten B. Bartök und Z. Kodaly durch die Verbindung von Volkslied- und zeitgenössischen Elementen die weitere Musikentwicklung. Im gleichen Sinne wirkten unter anderem P. Kadosa, F. Farkas, L. Weiner, S. Szokolay, A. Bozay. Nach der Befreiung vom Faschismus hat das ungarische Musikleben eine vorher nie gekannte Blüte erlangt. Das von Kodaly entwickelte System der Musikerziehung ist international vorbildlich.