Ukraine

Ukraine: 603700 km2, 50,8 Millionen Einwohner; 84 Einwohner/km; Hauptstadt Kiew. Grenzt im Westen an Polen und im Südwesten an Ungarn und Rumänien, im Süden Küste des Asowschen und Schwarzen Meeres.

Bevölkerung: 74% Ukrainer, 21% Russen und 5% Angehörige anderer Nationalitäten. Von den Bewohnern leben 65 % in Städten. Am dichtesten sind die Industriegebiete (besonders Donezbecken), am schwächsten die Polessje besiedelt. Unter der Sowjetmacht bedeutende soziale Errungenschaften; so stieg zum Beispiel die Zahl der Ärzte und Krankenhausbetten, auf 10000 Einwohner berechnet, im Vergleich zu 1940 um das 4,7- beziehungsweise 3,4-fache. Seit den 30er Jahren besteht in der Ukraine SSR eine allgemeine Grundschulpflicht, 1959/62 wurde die acht- und 1971/75 die zehnjährige Schulpflicht durchgesetzt. Von 1000 in der Volkswirtschaft Beschäftigten haben 887 eine abgeschlossene Hoch- beziehungsweise Mittelschulbildung. Natur. Oberfläche. Die Ukraine SSR liegt überwiegend im südöstlichen Teil der Osteuropäischen Ebene. Charakteristisch sind bis 471 m hohe Höhenzüge, deren Osthänge steil zu den Flussniederungen abfallen und besonders am Dnepr zerschnitten sind, und ausgedehnte Niederungen (im Norden Polessje, im Zentrum Dnepr-, im Süden Schwarzmeertiefland). Im Westen erheben sich die Waldkarpaten (Gowerla, 2061m), im Süden, auf der Krim, das bis 1545 m hohe Krimgebirge. Klima. Es ist gemäßigt kontinental mit zunehmender Kontinentalität von Nordwesten nach Südosten; der Süden der ukrainischen Steppenzone ist dürregefährdet. Die Südküste der Krim gehört zur feuchten subtropischen Klimazone. Gewässer. Nahezu das gesamte Flussnetz gehört zum Einzugsbereich von Schwarzem und Asowschem Meer. Hauptströme sind der Dnepr mit den Hauptnebenflüssen Pripjat, Desna und Sula, der Nördliche Donez, südliche Bug, Dnestr, Oberlauf der Theiß und im äußersten Südwesten ein Teil der Donaumündung. Durch den Bau von Wasserkraftwerken entstanden mehrere Stauseen, besonders am Dnepr. Der Wasserversorgung von Industrie, Bevölkerung und Landwirtschaft dienen zahlreiche Kanäle (Dnepr), besonders der Nordkrimkanal. Vegetation. Der nördliche Teil der Ukraine SSR liegt in der Mischwald-, der mittlere und südliche in der Waldsteppen- und Steppenzone, wo fruchtbare Schwarzerdeböden, die über die Hälfte des Territoriums der Ukraine SSR einnehmen, vorherrschen. Etwa 14% der Gesamtfläche sind bewaldet. Bodenschätze. Reiche Vorkommen an Steinkohle (hauptsächlich Donezbecken), Erdgas (Westukraine), Erdöl, Eisen- und Manganerze, Bauxit, Nichteisenmetalle, Stein-, Kalisalze, Kaolin, Baustoffe unter anderem

Geschichte: Ende des 8. Jahrhundert und Anfang des 9. Jahrhundert entstand auf dem Gebiet der heutigen Ukraine SSR der mächtige Feudalstaat Kiewer Rus; nach dem Zerfall der Rus, Ende des 12. Jahrhundert, bildeten sich mehrere Fürstentümer heraus; 1237/40 Zerstörung der wichtigsten Städte (Kiew, Tschernigow unter anderem) durch Mongolen; Ende des 13. und im 14. Jahrhundert unterlagen die Fürstentümer den Litauern, Polen und Ungarn; Angliederung der Ukraine an Litauen und Polen. Im 14./15. Jahrhundert begann die Herausbildung des ukrainischen Volkes; durch die Lubliner Union 1569 kam der größte Teil der Ukraine zu Polen; gegen feudale, nationale und religiöse Unterdrückung richteten sich heftige Kämpfe, vor allem der Kosaken, doch erst die Erhebung unter B. Chmelnizki 1648/54 befreite die Ukraine vom polnischen Joch. 1654 Vereinigung der Ukraine mit Russland; danach bedeutende Entwicklung der Produktivkräfte, aber auch volle Herausbildung der Leibeigenschaft. Die anfangs vom Zarismus gewährte Autonomie der Ukraine wurde schrittweise abgebaut. Durch die Teilungen Polens Ende des 18. Jahrhundert wurden alle ukrainischen Gebiete bis auf Galizien, die Bukowina und Transkarpatien mit Russland vereinigt. Die Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 beschleunigte die Entwicklung kapitalistischer Produktionsverhältnisse (Durchsetzung des Kapitalismus Mitte des 19. Jahrhundert); Entstehung einer revolutionär-demokratische Bewegung unter T. Schewtschenko. In den 80er Jahren des 19. Jahrhundert Bildung der ersten marxistischen Arbeiterzirkel; aktive Teilnahme des ukrainischen Proletariats an der Revolution 1905/07; im Februar 1917 Errichtung der Doppelherrschaft, im März 1917 Machtergreifung durch die bürgerlich-nationalistische ukrainische Rada; nach dem Sieg der Oktoberrevolution wurde am 24./25.12. 1917 die Ukrainische Sowjetrepublik ausgerufen. 1918 Okkupation der Ukraine durch deutsch-österreichische Truppen, 1919 folgte die Intervention der Entente, mit deren Unterstützung die Petljura Regierung gebildet wurde. Nach der polnischen Intervention 1920 kamen 1921 im Frieden von Riga die westukrainischen Gebiete an Polen. Am 30.12.1922 gehörte die Sowjetukraine zu den Gründungsrepubliken der UdSSR. Unter der Sowjetmacht gewaltiger Aufschwung auf allen Gebieten. 1939 wurden die Westukraine, 1940 die von Ukrainern bewohnten Gebiete Bessarabiens und die nördliche Bukowina, 1945 Transkarpatien mit der Ukraine SSR wiedervereinigt Während des 2. Weltkrieges wurde die Ukraine SSR 1941/42 durch faschistische deutsche Truppen besetzt; 1944 vollständig durch die Rote Armee befreit. 1954 wurde die Krim Bestandteil der Ukraine SSR. Kunst. Die Zeugnisse der Kultur gehen bis ins Paläolithikum zurück; vom 7. bis 4. Jahrhundert vor Christus entstand im Schwarzmeerraum eine lokale Variante der antiken Kultur. Seit dem 10. Jahrhundert verbreitete sich im Gebiet der Kiewer Rus der Steinbau unter dem Einfluss der byzantinischen Kunst (Sakral- und Profanbauten in Kiew, Tschernigow), verbunden mit Mosaiken und Freskomalerei. Eine hohe Blüte erreichten auch Buch- und Ikonenmalerei sowie die angewandte Kunst. In der Periode der feudalen Zersplitterung (2. Hälfte 12./Mitte 15. Jahrhundert) bildeten sich selbständige unabhängige Kunstschulen zum Beispiel in Kiew, Tschernigow, Wolynien, Galizien heraus, die zu unmittelbaren Vorgängern der ukrainischen Kunst wurden (Bauten mit Festungscharakter: Burgen, befestigte Städte, Wehrkirchen, aber auch Profanbauten: Rathäuser, Handelsbanken; Entwicklung der volkstümliche Holzbaukunst). Allmählich drangen profane Elemente in die Wandmalerei ein, ebenso machte sich bei den Ikonen ein Abgehen von der kanonisierten Darstellung bemerkbar (16./17. Jahrhundert). Seit dem 17. Jahrhundert verbreiteten sich Holzplastik und -Schnitzerei; in der Ikonenmalerei entstanden die sogenannte Parsunen als Vorgänger der Porträtmalerei. Im 17. Jahrhundert entwickelten sich Historien-, Schlachten- und Porträtmalerei, später auch die Landschaftsmalerei. Der Buchdruck gewann große Bedeutung (I. Fjodorow), Holz- und Kupferstich wurden gepflegt (Meister Hja). Nach 1654 verstärkten sich die Beziehungen zur russischen Kunst. Im 18. Jahrhundert dominierte ein durch besonderen Reichtum des Bauschmucks gekennzeichneter Barock (B. F. Rastrelli). Bedeutende Vertreter der ukrainischen Kunst wurden in Petersburg ausgebildet (A. Lossenko, D. Lewizki, W. Borowikowski, I. Martos, W. A. Tropinin). In der 2. Hälfte 18. Jahrhundert bis zum Beginn des 19. Jahrhundert entstanden, häufig unter Beteiligung russischer Architekten, bedeutende klassizistische Bauten. Es entwickelten sich besonders Genre- und Landschaftsmalerei (Tropinin). T. Schewtschenko begründete eine revolutionär-demokratische Kunst, die vornehmlich durch die mit den russischen Peredwischniki der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert verbundenen Künstler fortgesetzt wurde (N. Pimonenko, K. Kostandi, P. Nilus). In der Epoche des Kapitalismus begann in den Städten eine eklektizistische Bautätigkeit aber auch klassizistische Traditionen und solche der Volksbaukunst wurden weitergeführt. Nach dem Sieg der Oktoberrevolution verstärkte sich in allen Bereichen mit dem Bau neuer Städte und Industriekomplexe die Bautätigkeit. In Malerei, Plastik und Graphik dominierten schon in den 20er Jahren realistische Richtungen; besondere Bedeutung erlangten Agitationsgraphik, Plakat und Karikatur. 1922 wurde die Staatliche Kunsthochschule in Kiew gegründet. 1938 entstand der Verband Bildender Künstler der Ukraine SSR. Nach dem Großen Vaterländischen Krieg verlagerte sich der Schwerpunkt der künstlerischen Propaganda auf die Widerspiegelung des Lebens in Russland. Neben Malerei, Graphik und Plastik haben sich besonders angewandte Kunst und Volkskunst entfaltet.

Literatur: Die ukrainische Literatur ist in ihren Anfängen eng mit der altrussischen Literatur der Kiewer Rus verbunden. Mit der Herauskristallisierung des Ukrainischen aus dem Ostslawischen beginnt im 14./15. Jahrhundert die eigenständige Entwicklung der ukrainischen Literatur, in der 2. Hälfte des 16. Jahrhundert unterbrochen durch die Unterdrückungspolitik der polnischer Feudalherren. Die Literaturentwicklung im 16./17. Jahrhundert stand im Zeichen des Kampfes um soziale und nationale Befreiung. Höhepunkt der Literatur zur Zeit des Feudalismus war das satirische Schaffen von I. Wyschenski. Innerhalb der Barockdichtung des 17. Jahrhundert erfreuten sich die sogenannte Wirschi über religiöse, moralisch-didaktische und historische Themen besonderer Pflege. An der allmählichen Verweltlichung der Literatur im 18. Jahrhundert hatten Wanderprediger einen großen Anteil, darunter insbesondere R Skoworoda, der bedeutendste Vertreter der ukrainischen Aufklärung. Die Entwicklung der ukrainischen Literatur im 19. Jahrhundert stand im Zeichen des aufstrebenden Kapitalismus, der Krise des Feudalismus und der Herausbildung der ukrainischen bürgerlichen Nation. Ihre bedeutendsten Vertreter zu Beginn des 19. Jahrhundert waren I. Kotliarevski und G. Kwitka-Osnowjanenko. In den 30er Jahren bildete sich die ukrainische Romantik heraus, die sich insbes. auch um die Sammlung der Volksdichtung, vor allem der sogenannt Dumy (epische Heldenlieder der Kosaken) verdient machte. Die entscheidende Rolle bei der Konstituierung der neuen ukrainischen Literatur spielte T. Schewtschenko. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert war der kritische Realismus die dominierende literarische Strömung; M. Wowtschok, P. Mimy, I. Karpenko-Kary schilderten den Zerfall des Feudalsystems, die Entwicklung des Kapitalismus und die allmählich heranreifende Revolution. Die bedeutendsten Schriftsteller revolutionär-demokratischer Richtung waren I. Franko, M. Kozjubinski, L. Ukrainka.

-Die Oktoberrevolution schuf grundlegend neue Bedingungen für die ukrainische Literatur. Zu den Begründern der ukrainischen Sowjetliteratur, in der sich in den 30er Jahren der sozialistischen Realismus festigte, gehören P. Tytschina, M. Rylski, W. Sosjura, O. Wyschnja, I. Kulik, A. Golowko, M. Bashan. Die künstlerische Gestaltung der neuen sozialistischen Charakterzüge des sowjetischen Menschen war das Anliegen von A. Komijtschuk, I. Kotscherga, I. Mikitenko, M. Kulisch, I. Le, J. Janowski, A. Malyschko, O. Dowshenko unter anderem Nach dem 2. Weltkrieg brachte die Zeit des friedlichen Wiederaufbaus ein weiteres Aufblühen der ukrainischen Sowjetliteratur, zu der eine neue Generation von Schriftstellern stieß, so u. ä. O. Hontschar, M. Stelmach, W. Kosatschenko, A. Lewada, H. Tjutjunnyk, W. Sobko, N. Rybak. Zu den neuen talentierten Schriftstellern der letzten Jahre zählen I. Dratsch, I. Drosd, A. Huzalo, L. Kostenko, B. Olijnik, P. Skunz, I. Schtscherbak.

Musik: Zu den ältesten ukrainischen Volksliedern zählen Weihnachts-, Frühlings-, Wiegen- und Hochzeitslieder. In den historischen Gesängen und Heldenliedern kommt der Kampf des ukrainischen Volkes für seine nationale Unabhängigkeit zum Ausdruck. Seit dem späten 17. Jahrhundert blühte der mehrstimmige Chorgesang auf. Charakteristische Volksmusikinstrumente der Ukrainer sind Bandura (auch Kobsa genannt), Lyra, Zimbel und Geige. Träger der Volksmusikkultur war jahrhundertelang der Kobsar (wandernder Volkssänger). Bekannte ukrainische Volkstänze sind Hopak und Kasatschok. Die Quellen der ukrainischen Kunstmusik gehen auf die Musik der Kiewer Rus zurück. Im 17. Jahrhundert fand der mehrstimmige Gesang nach westeuropäischem Vorbild Verbreitung. Um die Mitte des 19. Jahrhundert kam es zur Herausbildung einer nationalen ukrainischen Komponistenschule. Zum Begründer der ukrainischen Musikklassik wurde um 1900 N. Lyssenko. Auf dem Gebiet der Volksmusikforschung erwarb sich F. M. Kolessa internationalen Ruf. Nach der Oktoberrevolution wurde die Entwicklung der ukrainischen sozialistischen Musikkultur durch namhafte russische Musiker, darunter R. M. Glier, unterstützt. B. Ljatoschinski begründete die ukrainische Sinfonik. L. Rewuzki und A. Schtogarenko schufen Oratorien und Kantaten. Die Eröffnung des ersten ukrainischen Operntheaters in Charkow (1925) bildete den Ausgangspunkt für das Entstehen neuer ukrainischer Opern, wobei sich besonders J. S. Mejtus verdient machte. Zu den namhaften ukrainischen Komponisten der Gegenwart zählen G. Maiboroda, W. Kireiko, A. Grabowski, V. Silwestrow und M. Skorik. In der Ukraine SSR gibt es gegenwärtig 5 Opernhäuser, 25 Philharmonien und 4 Konservatorien. Daneben bestehen zahlreiche Musikschulen, Musikfachschulen und andere musikalische Einrichtungen.