Schweiz

Schweiz, französisch Suisse, italienisch Svizzera sämtliche schweizerische Eidgenossenschaft: Staat im südlichen Mitteleuropa; grenzt im Norden an die BRD, im Osten an Österreich und Liechtenstein, im Süden an Italien, im Westen an Frankreich; gegliedert in 20 Kantone und 6 Halbkantone.

Bevölkerung: Etwa 75% der Schweizer sprechen deutsch, etwa 20% französisch (Kantone Neuenburg, Freiburg, Jura, westlicher Teil von Wallis, Waadt, Genf), 4% italienisch (Tessin), 1% rätoromanisch (Graubünden). Amtssprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. In der Schweiz leben etwa 900000 Ausländer (15 % der Einwohner). Bevölkerungsballungen befinden sich im Mittelland und in breiteren Alpentälern; im Inneren der Hochalpen nur Streusiedlungen; sehr geringer Bevölkerungszuwachs, 58% der Bevölkerung leben in Städten, bedeutende Abwanderung aus den Großstädten in umliegende Randgemeinden; 20% der Schweizer sind unter 15 und 14% über 65 Jahre alt.

Natur Oberfläche: Sie wird überwiegend von Gebirgsland eingenommen, etwa die Hälfte der Landesfläche liegt über 1000 m hoch. Die Schweiz umfasst von Norden nach Süden den Schweizer Jura, das Alpenvorland (Schweizer Mittelland) und die Schweizer Alpen (Schweizer Oberland mit Unterwaldner, Glarner, Walliser, Tessiner, Rätische Alpen). Nördlich der großen Längstalfurche Rhone-Furkapass-Urseren Vorderrhein befinden sich die Zentralketten mit Finsteraarhorn (4274 m), Aletschhorn (4182 m) und Jungfrau (4158 m); südlich von ihr die Südkette mit Matterhorn (4478 m), Monte-Rosa Gruppe (Dufourspitze, höchster Gipfel der Schweiz, 4633 m) und Berninagruppe (bis 4049 m).

Klima: Die Schweiz liegt in der Übergangszone vom mediterranen zum feuchtatlantischen Klima und von diesem zum trockneren Klima der Zentralalpen. Die Niederschläge pro Jahr sind außer in den Binnentälern (Wallis etwa 500 mm) im Allgemeinen hoch (im Mittelland 700 bis 1200 mm, im Jura über 1000 mm, am Alpenaußenrand 1600 bis 2000 mm; Maximum am Mönchsgrat über 4000 mm); die Schneegrenze liegt zwischen 2500 und 3200 m, im Oberengadin dauert die Schneedecke 5 bis 6 Monate an. In alpinen Gebieten besteht Lawinengefahr, der durch umfangreiche Schutzmaßnahmen begegnet wird. Föhn tritt häufig in den von Norden nach Süden gerichteten Talstrecken von Rhein, Linth und oberer Reuß auf. Wärmebegünstigt sind die Seen mit ihren Uferlandschaften. Gewässer. Der größte Teil der Schweiz wird vom Rhein entwässert (wichtigster Nebenfluss Aare mit Reuß); kleinere Teile gehören zu den Einzugsgebieten von Rhône, Po (Tessin), Etsch, Donau (Inn); oberflächig abflusslose, verkarstete Gebiete im Schweizer Jura; zahlreiche Seen, darunter bedeutende wie Genfer, Neuenburger, Bieler, Thuner, Brienzer, Vierwaldstätter, Zuger See, Zürich- und Walensee; Anteil am Bodensee und am Lago Maggiore. Gletscher bedecken 1600 km2, besonders in den Berner und Walliser Alpen (Großer Aletschgletscher, größter Alpengletscher). Pflanzen- und Tierwelt. Sie ist im Allgemeinen mitteleuropäisch. Die Vegetation ist den Höhenstufen entsprechend vielgestaltig. In der montanen Zone tritt der Ackerbau zugunsten von Laubwald und Grünland zurück, in der subalpinen Zone herrscht Nadelwald vor, in der alpinen Zone breiten sich Matten aus, auch sind hier subarktische Pflanzenarten anzutreffen. Insgesamt nimmt der Waldbestand etwa 25% der Landesfläche ein. Der größte Teil des Waldes (85%) dient als Schutzwald gegen Lawinen, Erdrutsche und Bodenerosion. Charakteristische Tiere der Höhenregion sind Gemsen, Murmeltiere und Greifvögel. Klimabegünstigte Gebiete am Südrand der Alpen weisen mediterrane Vegetation auf (Zypressen, Edelkastanien, Mandelbäume unter anderem).

Geschichte: Ansiedlungen sind seit der Altsteinzeit auf dem heutigen Territorium der Schweiz nachweisbar, in der Jungsteinzeit befanden sich an den Seen zahlreiche Pfahlbauten. Die in der La-Tène-Zeit eingedrungenen keltischen Helvetier wurden 58 vor Christus von Cäsar geschlagen und unterworfen. Im 5. Jahrhundert ließen sich im Südwesten Burgunden, im Nordosten Alemannen nieder. Allmählich schritt die Christianisierung voran, Klöster entstanden und entwickelten sich zu bedeutenden Kulturzentren (St. Gallen um 613, Reichenau 724 gegründet). Die Eingliederung in das fränkische Reich (Burgund im 6. Jahrhundert, Alemannien endgültig im 8. Jahrhundert) beschleunigte die Herausbildung feudaler Produktionsverhältnisse. In den Alpentälern blieben jedoch freie Bauern und ein starker Gemeindebesitz erhalten. Im 9. Jahrhundert kam ein großer Teil des schweizerischen Gebietes zum Ostfrankenreich, ein anderer zum Mittelreich und dann mit Burgund 1033/34 zum römisch-deutschen Reich. Der Widerstand gegen das Vordringen der Gerichtsherrschaft von Grafengeschlechtern (unter anderem der Habsburger) in die Innerschweiz führte zu bewaffneten Auseinandersetzungen. 1291 beschworen die Landgemeinden Uri, Schwyz und Unterwalden (Urkantone) auf dem Rütli ihr Bündnis. In mehreren Schlachten (1315 bei Morgarten, 1386 bei Sempach, 1388 bei Näfels) bezwang das schweizerische Volksaufgebot die Ritterheere (insbesondere der Habsburger) und erreichte die Reichsunmittelbarkeit für die Eidgenossen. Der Bund der 3 «Orte» erweiterte sich im 14. Jahrhundert zur Eidgenossenschaft der «acht alten Orte» (bis Ende des 15. Jahrhundert 13 Orte). Siege im Krieg gegen Burgund (bei Grandson und Murten 1476 und bei Nancy 1477) sowie im Schwabenkrieg festigten ihre Stellung und führten 1499 zur De-facto-Unabhängigkeit vom Reich. Im Verlauf ausgedehnter und verlustreicher Feldzüge wurde 1513 Tessin erobert. Anfang des 16. Jahrhundert war die Schweiz eine Konföderation selbständiger Kantone; neben den Eidgenossen gab es politisch minderberechtigte Orte. Wirtschaftlich am fortgeschrittensten waren die Stadtkantone (Bern, Zürich, Basel), wo sich Anfänge kapitalistischer Produktionsverhältnisse herausbildeten. In den innerschweizerischen Kantonen (Waldstätten), wo Viehzucht als Hauptzweig der Wirtschaft vorherrschte, differenzierte sich die Bauernschaft, die Markgenossenschaft löste sich auf und eine dörfliche Oberschicht entstand. Viele Schweizer kämpften gegen Sold im Ausland (Reislaufen). Basel wurde ein bedeutendes Zentrum des Humanismus. Zu Beginn der 20er Jahre des 16. Jahrhundert setzte zunächst in Zürich unter der Führung von H. Zwingli die Reformation ein, ergriff vorwiegend Stadtkantone und erhielt im französischsprachigen Genf unter J. Calvin ein eigenes theologisches Profil. Die Waldkantone blieben katholisch, Zürich unterlag im Kampf mit ihnen (Tod Zwinglis 1531). Ende des 15. und im 16. Jahrhundert kam es zu mehreren Bauernaufständen. Der Dreißigjährige Krieg verschonte die Schweiz bis auf Graubünden. 1648 erhielt die Schweiz auch die De-jure-Unabhängigkeit. Unter dem Einfluss der Aufklärung (Zentren Zürich und Genf) entwickelte sich ein schweizerisches Nationalbewusstsein. Nach dem Beginn der Französischen Revolution 1789 brachen im Land Aufstände aus; 1798 wurde die Schweiz von französischen Truppen besetzt und in die Helvetische Republik umgewandelt. Allmählich gewannen jedoch konservative Kräfte wieder die Oberhand (1803 Mediationsakte), die föderalistische Struktur verstärkte sich erneut. Im Bundesvertrag von 1815 wurde ein lockerer Staatenbund vereinbart. Der Wiener Kongress erklärte die Schweiz für «immerwährend neutral»). Gegen die Mehrheit der von den Liberalen beherrschten Kantone schlossen sich 1843/45 die katholischen Kantone zum Sonderbund zusammen, erlitten im Sonderbundkrieg (1847) jedoch eine Niederlage. Unter dem Eindruck der revolutionären Bewegung von 1848 in den Nachbarstaaten wurde eine liberale Bundesverfassung durchgesetzt. An die Stelle der souveränen Kantone trat ein Bundesstaat, der 1874 noch stärker zentralisiert wurde. 1856/58 zwang die Schweiz den König von Preußen, seine Ansprüche auf Neufchatel («Neuenburger Handel») aufzugeben. Mit der raschen Entwicklung des Kapitalismus entstand in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert ein Industrieproletariat. Es kam zu großen Streiks (1868 Bauarbeiter in Genf) und zur Entstehung sozialistischer Zirkel, die sich der I. Internationale anschlossen. 1870 wurde die Sozialdemokratische Partei der Schweiz gegründet (erneut 1888), die bald unter revisionistischen Einfluss geriet. zwischen 1895 und 1917 lebte W. I. Lenin mehrfach in der Schweiz im Exil. Die Linken der europäischen Arbeiterbewegung tagten 1915 in Zimmerwald und 1916 in Kiental. Im Februar 1918 entstand das Oltener Aktionskomitee, das den Landesgeneralstreik vom 11./12.11.1918 leitete. Mit dem Übergang zum Monopolkapitalismus hatte in der Schweiz eine Konzentration des Bankkapitals und ein wachsender Kapitalexport eingesetzt. Der technische Fortschritt erlaubte Ende des 19. und im 20. Jahrhundert die Realisierung mehrerer großer Verkehrsprojekte (Sankt-Gotthard-, Simplon- und Mont Blanc-Tunnel): Der Neutralitätsstatus der Schweiz begünstigte die Niederlassung vieler internationaler Organisationen und die Durchführung bedeutender Kongresse (Völkerbund, ab 1946 europäischen Sitz der UN sowie Sitz des Internationalen Roten Kreuzes und der ILO in Genf, Genfer Konferenzen, Welthandelskonferenz 1964, Treffen zwischen KPdSU-Generalsekretär M. Gorbatschow und USA-Präsident R. Reagan 1986). Am 5./6.3.1921 ging aus den Reihen der Sozialdemokratie die kommunistische Partei der Schweiz hervor; sie war 1940/44 verboten und wurde am 14./15.10.1944 als Partei der Arbeit der Schweiz neu gegründet Während des 2. Weltkrieges organisierten patriotischen Kräfte im «Reduit national» unter General Guisan die Verteidigung gegen eine drohende faschistische Besetzung. Die Schweiz lehnte nach 1945 und erneut 1986 einen Beitritt zu den UN ab, arbeitet aber in den Spezialorganisationen mit (zum Beispiel in der UNESCO); sie gehört seit 1960 der kleinen Freihandelszone EFTA an. Nach einer Volksabstimmung wurde 1971 das Frauenwahlrecht auf Bundesebene eingeführt.

Kunst: Bedingt durch die geographische Lage sowie politische Entwicklung, stand die Schweiz von jeher in Wechselbeziehung zu den benachbarten Kulturen. Mit dem Erlangen der politischen Unabhängigkeit Ende des 15. Jahrhundert verschmolzen Fremdeinflüsse zunehmend mit den regionalen Eigenheiten zu einer stilistisch reichen nationalen Kunst (zum Beispiel Glasmalerei, bürgerlicher Wohnhausbau, Brunnenplastik). Aus vorkarolingischer, karolingischer und ottonischer Zeit sind die ersten bedeutenden Architekturdenkmäler erhalten (Ringkrypta in der Kirche des ehemaligen Benediktinerklosters in Münster), wertvolle Zeugnisse karolingischer und ottonischer Buchmalerei befinden sich in der Stiftsbibliothek von St. Gallen. In der Romanik entwickelten sich eine burgundisch, elsässisch und lombardisch geprägte Architektur und Bauplastik (Höhepunkte: Züricher und Baseler Münster). Die Herausbildung der Gotik wurde durch die Entfaltung der Städte und die Gründung der Eidgenossenschaft (1291) gefördert. Beeinflusst von der französischen Kathedralgotik, entstanden im Westen die frühgotischen Kathedralen und Stadtkirchen (Kathedralen von Genf, Lausanne, Sitten), im Nordosten wurden die Städte Bern (Münster), Zürich und Luzern hervorragende künstlerische Zentren der Hoch- und Spätgotik. Malerei (K. Witz) und Plastik (H. Multscher) erlangten in ihrem volksverbundenen derben Realismus bestimmenden Einfluss auf die europäischen Kunst. Ausgeprägte nationale Elemente entwickelten sich in den zahlreichen Burgen und befestigten Schlössern des Mittelalters, den städtlichen Wehrbauten, Rathäusern und besonders im Bauernhaus. Der Übergang zur Renaissance vollzog sich zuerst in den von Italien beeinflussten Gebieten (S. Lorenzo in Lugano, 1517). Die aufstrebenden Handelsstädte waren Zentren einer blühenden bürgerlichen Kunst. Den schweizerischen Städtetyp vertraten am reinsten Bern und Freyburg. Der Sakralbau blieb weiter eine große Bauaufgabe. Charakteristische Züge der schweizerischen Kunst (Wirklichkeitssinn, Derbheit und Eigenwilligkeit der Formen, Verbundenheit mit der heimatlichen Landschaft) werden deutlich in der Malerei und Graphik (N. Manuel, genannt Deutsch; U. Graf; J. Amman und H. Holbein d. J.), eine Blüte erreichte die Buchillustration. Eigenständige Leistungen entstanden in der Glas- und Fassadenmalerei und Brunnenplastik (J. Dies). Im Barock reiften die Ansätze einer bürgerlichen Kunst voll aus. In den gegenreformatorischen Gebieten wurde, vom italienischen Barock und von der Vorarlberger Bauschule beeinflusst, der Sakralbau fortgesetzt. In den reformierten Zentren entwickelten sich das städtliche Wohnhaus und der ländliche Herrensitz weiter, in der Malerei bildete sich vor allem die Bildnis- (J. E. Liotard, A Graf!) und die Landschaftsmalerei (Alpenmalerei, C. Wolff) heraus. Ende 18./19. Jahrhundert erlangte die schweizerische Malerei internationale Bedeutung (J. H. Füssli, A. Graff, Schweiz Geßner, A. Böcklin, F. Hodler). Im 20. Jahrhundert entwickelte sich die Malerei in engem Kontakt zu den führenden spätbürgerlichen europäischen Kunstströmungen (Dada-Bewegung, Zürich; Gruppe Rot-Blau, 1924/25). Schweizerische Künstler wirkten unter anderem in Deutschland und Frankreich (P. Klee, H. Haller), internationale Bedeutung erlangte das Werk des Bildhauers und Malers A. Giacometti. Die realistische Kunst wurde in der Graphik besonders von H. Emi, in der Plastik von H. Haller befruchtet. Mit der Entwicklung eines hochentwickelten Industriestaates Anfang des 20. Jahrhundert kam es zur Herausbildung einer qualitätvollen Architektur, die besonders nach 1945 im Schul- und Mehrzweckbau ein hohes Niveau erreichte. Führende Architekten waren H. Schmidt, H. Meyer und besonders Le Corbusier.

Literatur: Die Literatur der Schweiz ist in den 4 Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch verfasst; sowohl der italienischen als auch der rätoromanische Literatur kommt aber nur regionale Bedeutung zu.

Die deutschsprachige Literatur der Schweiz ist seit ihrer Entstehung eng mit der deutschen geistig-kulturellen Entwicklung verbunden. Bemühungen um eine deutschsprachige Literatur begannen Ende des 10./Anfang des 11. Jahrhundert mit Notker. Beeinflusst von den Kreuzzügen, entstand im 13. Jahrhundert volkstümliche Epik betont unhöflichen Charakters (Sagen um Dietrich von Bern; Konrad von Würzburg). Der patrizische Ritter und Züricher Ratsherr R Manesse regte im 13. Jahrhundert die Große Heidelberger oder Manessischer Liederhandschrift an. Zu den darin vertretenen Minnelyrikern gehörten auch die bürgerliche J. Hadlaub und Steinmar von Klingnau. Nach Gründung der Eidgenossenschaft (1291) entstanden Chroniken und volkstümlicher Lieder, die die patriotischen Taten seit der Schlacht bei Sempach (1386) rühmen. Reformationsdramen schufen (Schuldrama, Satiren und Fastnachtsspiel weiterführend) P. Gengenbach und N. Manuel, dessen Werk Höhepunkt des schweizerischen Volksschauspiels ist. Vertreter der frühen Aufklärung ist A. von Haller («Die Alpen», 1729), ihm folgten Geßner, J. K. Lavater und Hirzel, die im Zuge nationalpädagogische Bestrebungen die «Helvetische Gesellschaft» (1761) gründeten. Um ästhetische Maßstäbe bei der Gestaltung eines bürgerlichen Menschenbildes bemühten sich J. J. Bodmer und J. J. Breitinger. U. Bräkers Autobiographie «Der arme Mann im Tockenburg» (1798) förderte die plebejische Literatur der Schweiz Im 19. Jahrhundert entwickelte J. H. Pestalozzi in didaktischen Romanen und Erzählungen ein nationales Erziehungsprogramm zur materiellen Sicherstellung der Volksmassen. Ihm folgten H. Zschokke mit Volkserzählungen, J. Gotthelf mit antikapitalistischen, konservativ-christlichen Romanen. Während G. Keller dem aufklärerischen Humanismus der progressiven bürgerlich-demokratische Bewegung und der junghegelianischen Philosophie verbunden war, bemühte sich C. F. Meyer um Bewahrung seines Humanismus über die Besinnung auf Ideale der Renaissance. Angesichts der Kunstfeindlichkeit der Bourgeoisie nahmen unter F. Nietzsches Einfluss C. Spitteler unter anderem elitäre, geschichtspessimistische Haltungen ein. Direkter Einfluss Nietzsches kennzeichnet im 20. Jahrhundert die in der Schweiz spielenden Romane von J. Knittel. R Walser schrieb aus kleinbürgerlicher Sicht antikapitalistisch akzentuierte Romane. Die Rückständigkeit der schweizerischen Verhältnisse deckt der mit der Arbeiterklasse verbundene J. Bührer in historischen Romanen und Stücken auf. Wieder einen national eigenständigen Beitrag zum europäischen Literaturprozess leisteten M. Frisch und F. Dürrenmatt. In der parabelhaften Abbildung von Grundproblemen der Ideologiebildung stoßen sie zum Wesen der bürgerlichen Gesellschaft vor. Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte verstärkt eine Hinwendung zu sozialen Problemen der Schweiz Sie schließt die Darlegung der zwiespältigen Rolle der Schweiz gegenüber dem faschistischen Deutschland ebenso ein (W. M. Diggelmann) wie das desillusionierende Erlebnis der kapitalistischen Nachkriegsentwicklung (H. Boesch und A. Muschg). Bei H. Loetscher und W. Kauer treten dabei die unteren Schichten der Gesellschaft ins Blickfeld und Sujets, die den proletarischen Existenzkampf darstellen, dienen gleichzeitig auch dazu, die unzerstörbare Kraft der einfachen Menschen auszudrücken.

Französischsprachige Literatur: Die Entwicklung einer eigenständigen Literatur der französischsprachigen Schweiz setzte im 16. Jahrhundert mit dem Wirken des Reformators J. Calvin ein; echte Autonomie vermochte sie wegen des Übergewichts der französischen Kultur jedoch nie zu erringen. Nationale Züge traten insbesondere in der sogenannt Kantonalliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhundert auf (C. F. Ramuz). Seither sind nahezu alle namhaften Schriftsteller der französischsprachigen Schweiz nach Frankreich gegangen und zählen zur französischen Literatur. Die rätoromanische Literatur der Schweiz, deren älteste schriftliche Zeugnisse Bibeltexte aus der Reformationszeit sind, erlangte wegen ihres zersplitterten Verbreitungsgebietes (Kanton Graubünden) nur regionale Bedeutung. Seit dem 19. Jahrhundert bewusst in den Dienst der Verteidigung der Sprache und des rät. Brauchtums gestellt, konnte sie ihren eigenständigen Charakter jedoch bewahren. Nachdem zunächst die Lyrik vorherrschte, kam es im 20. Jahrhundert auch zur Entfaltung von dramatischer und erzählender Literatur. Musik

Die musikalische Entwicklung auf dem Gebiet der heutigen Schweiz wurde vielfältig von benachbarten Kulturen beeinflusst, so dass nur in geringem Umfang Merkmale einer nationalen Musik ausgeprägt sind. Im frühen Mittelalter waren verschiedene Klöster (insbesondere St. Gallen) Zentren liturgischer Musik und musiktheoretische Forschung. Gleichzeitig bestand auch eine weltliche Musikpflege im Minnesang, für den J. Hadlaub (um 1300) und die (ohne Melodien überlieferte) Große Heidelberger oder Manessische Liederhandschrift bedeutsame Beispiele sind. Im 15./16. Jahrhundert existierte eine vielfältige bürgerliches Musik: an der Universität Basel war Musik seit der Gründung Lehrfach, der Musikaliendruck publizierte Lehr- und Gesangbücher, einige Städte pflegten Liedgesang im Schulunterricht, das instrumentale Musizieren spielte eine wichtige Rolle. Während die Reformen J. Calvins und H. Zwinglis die Musik im Gottesdienst stark einschränkten und der Entwicklung der liturgischen und der Orgelmusik ein gewisses Ende setzten, wurden in den Städten aber Collegia musica und andere Musikvereinigungen gegründet, die das bürgerliche Musikleben bestimmten. Unter dem Einfluss der Berliner Liederschulen entwickelte sich Ende des 18. und im 19. Jahrhundert eine spezifische Liedtradition, die mit H. G. Nägeli und im volkstümlichen Solo- und Chorgesang einen Höhepunkt fand. Zugleich bezeugen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhundert Musikfeste, die Gründung der «Schweizerischen Musikgesellschaft» (1808) und des «Eidgenössischen Sängervereins» (1842) den Gedanken an nationale Einheit in der Musik. Das Wirken der Komponisten des 19. Jahrhundert blieb auf die nationale Ebene beschränkt. Erst im 20. Jahrhundert erlangten Komponisten der Schweiz auch internationales Ansehen (F. Martin, A. Honegger, H. Sutermeister, R. Liebermann, O. Schoeck, W. Burkhard, R. Kelterborn unter anderem).

Schweizerdeutsch: Sammelbezeichnung für die deutschen Mundarten in der Schweiz; vorherrschend im mündlichen Sprachgebrauch, während das Schweizerhochdeutsch, die in der Schweiz verwendete deutsche Schriftsprache (mit gewissen Eigenheiten vor allem im Wortschatz), im schriftlichen Gebrauch bestimmend ist.