Renaissance

Renaissance: (französisch, «Wiedergeburt») Epoche der Entwicklung der materiellen und geistigen Kultur in Europa im 14./16. Jahrhundert, gekennzeichnet durch Blüte der Wissenschaft, der Kunst und Literatur sowie der handwerklichen und frühkapitalistische Produktion und Technik. Die Kultur der Renaissance war vorwiegend städtisch; sie beruhte wirtschaftlich auf der frühkapitalistischen Warenproduktion und brachte die Interessen des neu entstandenen progressiven Bürgertums zum Ausdruck. Geistiger Hauptinhalt der Ideologie der Renaissance war der vorwiegend weltliche, antifeudale und antitheologische Humanismus. Die Renaissance erreichte ihren Höhepunkt in Italien, das im 13./14. Jahrhundert das am weitesten entwickelte europäische Land war, ausgedehnte Handelsbeziehungen besaß und in dem die meisten Kulturdenkmäler der Antike erhalten waren. Das Ende der Renaissance wurde in der 2. Hälfte des 16. Jahrhundert durch das Vordringen der feudal-katholischen Reaktion bestimmt.

Philosophie: Die Philosophie der Renaissance richtete sich gegen Scholastik, Kirche, Klerus und christliche Asketismus und erstrebte die Befreiung aus den Fesseln der Theologie. Es entwickelte sich, meist in pantheistische Verbrämung, die Auffassung vom Weltall als der unendlichen, sich nach eigenen Gesetzen bewegenden Materie (Nikolaus von Kues, B. Telesio, G. Bruno, G. Galilei). In der Gesellschafts- und Staatstheorie unterstrichen die Denker der Renaissance den weltlichen Charakter von Staat und Gesellschaft (N. Machiavelli, J. Bodin). Zugleich entwickelten sich sozialutopische Anschauungen einer idealen, klassenlosen Gesellschaft auf der Grundlage des Gemeineigentums (T. More, G. D. Campanella, T. Müntzer).

Bildung: Fortschrittliche Pädagogen der Renaissance stellten das Ideal des gesunden, lebensfrohen Menschen auf und betonten die Körpererziehung. Größte Bedeutung erlangte die Erweiterung des Inhaltes der Bildung, besonders durch Studium und Pflege der klassischen Sprachen, der griechisch-römische Geschichte, Kultur und Literatur sowie durch naturwissenschaftlichen Fächer wie Arithmetik, Geometrie und Astronomie.

Kunst: Die Renaissancekunst ist gekennzeichnet durch die Befreiung von mittelalterlichen Konventionen, Symbolen und Formen und durch das Erschließen neuer Inhalte, in denen die Hinwendung zum tatkräftigen, selbstbewussten Menschen und seiner natürlichen Umgebung aus Landschaft und Raum dominiert. Die künstlerische Erfassung des Lebens war dabei untrennbar mit der naturwissenschaftlichen Forschung verbunden (Leonardo da Vinci, A. Dürer). Die Kunst basierte auf den neu gefundenen Gesetzen der Perspektive, Anatomie, Optik, Mechanik unter anderem; Grundlage dafür war die Antike, deren originale Kunstwerke wie auch theoretische Schriften man intensiv als bewundertes und nachahmenswertes Vorbild zu studieren und zu sammeln begann. Auftraggeber wurde neben öffentliche Institutionen in zunehmendem Maße die erstarkende Klasse des Bürgertums. Mit monumentalen öffentlichen Bauten (Kirchen, Paläste, Rathäuser) wie auch mit privaten Aufgaben prägte sie das Bild ihrer Zeit, wobei die neuen künstlerischen Ausdrucksformen zu einer Manifestation des Bewusstseins sowohl als Persönlichkeit wie auch als gesellschaftliche Macht wurden. Die Kunst der Renaissance bildete sich zuerst in Italien (und davon abhängig in Spanien) heraus und erlebte hier einen großartigen Aufstieg im 15. und frühen 16. Jahrhundert Wegbereiter dafür waren Ende 13./Anfang 14. Jahrhundert (sogenannt Periode der Protorenaissance) der Bildhauer N. Pisano mit seinen von antiken Vorbildern geprägten Skulpturen und der Maler Giotto mit einer neuartigen Raum- und Menschenauffassung. Der eigentliche Beginn liegt in der Frührenaissance (Quattrocento; 15. Jahrhundert), als die bahnbrechenden Architekten (F. Brunelleschi, L. B. Alberti) mit neuen technischen Mitteln Kirchen- und Profanbauten von zweckvoller harmonischer Gliederung (als neuen Typ den Palazzo, den monumentalen Stadtpalast) schufen. Einen Vorrang unter den Künsten hatte die Bildhauerkunst, da sie in enger Anlehnung an antike Vorlagen ein wirklichkeitsnahes Abbild des Menschen zu schaffen vermochte. Im Rahmen baugebundener traditioneller Aufgaben vollzog sich hier in den beiden ersten Jahrzehnten des Quattrocento die entscheidende Entwicklung zur Frührenaissance, die Lösung der Skulptur von ihrer im Mittelalter üblichen dienenden Funktion als Teil eines Baues oder Gerätes zur frei stehenden, selbständigen Statue. Die religiöse Thematik wurde dabei mit neuem Leben erfüllt; die Gestaltung des nackten Menschen trat in den Vordergrund (Davidstatuette von Donatello), die theoretisch erarbeitete Zentralperspektive wurde in das Relief aufgenommen und damit die größtmögliche Raumillusion erreicht (Paradiestür von L. Ghiberti). Als neue Aufgaben entstanden Reiterstandbilder (Gattamelata von Donatello, Colleoni von Verrocchio) und seit der Jahrhundertmitte auch die Bildnisbüste, die ebenso wie die Profilbildnisse der Malerei eine erste Blüte der Porträtkunst bildeten. Selbst die zahlreichen Madonnenreliefs wurden mit porträthaften Zügen junger Mütter ausgestattet. Auch in der Malerei dominieren (einschließlich bei religiösen Themen) die realistische Darstellung der Kraft und Schönheit des Menschen sowie die Auseinandersetzung mit Raum- und Luftperspektive zur wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe der Umwelt. Die Ausgestaltung der Kirchen, Klöster und Paläste bot Raum für Freskenzyklen, in denen die Hauptmeister, wie A. Mantegna, P. della Francesca, D. Ghirlandaio und S. Botticelli, figurenreiche Szenen darstellten. Ende 15./Anfang 16. Jahrhundert entwickelte sich die Hochrenaissance, die mit ihrem Streben nach vollkommener Schönheit, Harmonie und einem idealen Menschenbild den klassischen Stil der Renaissance ausbildete. Bedeutende Werke sind die vom Zentralbau beherrschte Architektur D. Bramantes und A. Palladios, die psychologisch vertiefte Malerei Leonardo da Vincis, die harmonischen Kompositionen Raffaels. Auch in der Farbharmonie der venezianische Maler Giorgione, Tizian und P. Veronese sowie im heroischen Menschenbild Michelangelos widerspiegelt sich die Vollendung der Hochrenaissance Jedoch im Spätwerk Michelangelos wie im Schaffen anderer Florentiner Künstler zeigen sich bereits in den 20er Jahren des 16. Jahrhundert Züge des Manierismus und des Frühbarocks als Zeichen gesellschaftlicher und künstlerischer, teils krisenhafter Umgestaltungen. In den übrigen europäischen Ländern entwickelte sich die Renaissancekunst, beeinflusst von Italien, mit regionalen Unterschieden gemäß den verschiedenen sozialen, nationalen und religiösen Bedingungen. Der Prozess vollzog sich weniger kontinuierlich und konsequent. Obwohl in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich frühzeitig selbständige Ansätze zur Gestaltung eines realistischen Menschenbildes vorhanden waren, kann dort erst die Kunst des 16. Jahrhundert als Renaissance bezeichnet werden. Für die Entstehung der französischen und niederländischen Renaissance hatte die burgundische Kunst um 1400 (C. Sluter, Brüder von Limburg) große Bedeutung. Darauf fußend, leisteten in den Niederlanden die Maler J. van Eyck, Renaissance van der Weyden, H. van der Goes, H. Memling und Lucas van-Leyden einen großen Beitrag für die Entwicklung der europäischen realistischen Kunst. In Deutschland war die Renaissance Ausdruck der progressiven Kräfte im Zeitalter der frühbürgerlichen Revolution. Reformation und Bauernkrieg sowie die Entfaltung des Humanismus spiegeln sich im Schaffen der großen Meister wider, wie A. Dürer, L. Cranach der Ältere, H. Holbein der Jüngere, P, Vischer der Ältere und der Jüngere. Die vom Städtebürgertum getragene Baukunst dokumentiert sich in giebelgeschmückten Rathäusern (Leipzig, Altenburg) sowie Bürgerhäusern mit reichem ornamentalem Schmuck, der durch Stichvorlagen aus Italien vermittelt wurde. Auch innerhalb der stark entwickelten Spätgotik zeigen sich Züge der Renaissance, zum Beispiel in den Werken von M. Grünewald, V. Stoß und T. Riemenschneider. In Frankreich fiel die Renaissance mit dem Kampf um die Schaffung eines zentralisierten Staates zusammen (Hauptmeister J. Fouquet, J. und F. Clouet, J. Goujon, P. Lescot, P. Delorme). In Polen, Böhmen, Dalmatien, Russland und Ungarn zeigt sich die Renaissance besonders in der meist von Italienern ausgeführten Architektur. Die formale Nachahmung des italienischen Vorbildes führte zu einem eleganten höflichen Manierismus (zum Beispiel am Prager Hof Rudolfs II.).

Literatur: Die Literatur der Renaissance bildete sich im 14. Jahrhundert zuerst in Italien im Zusammenhang mit der schnellen Entwicklung der bürgerlichen Kultur in den Stadtstaaten heraus und erreichte in der 1. Hälfte des 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Vorläufer der neuen, von humanistischen Geist erfüllten Dichtung waren Dante Alighieri, F. Petrarca, der im «Liederbuch» irdisches Lebens- und Naturgefühl zum Ausdruck brachte, und G. Boccaccio, der mit dem das Leben seiner Zeit realistisch zeichnenden «Decamerone» zum Begründer der modernen Novelle wurde. Die Vertreter der Renaissancelyrik, unter anderem Lorenzo de Medici (gen. «der Prächtige»), A. Poliziano, Michelangelo, Vittoria Colonna und Gaspara Stampa, sahen ihr Vorbild in Petrarca. Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhundert entwickelte sich das romantische Ritterepos (L. Pulci, M. Boiardo), in dem die Stoffe der Karlssage frei verarbeitet wurden und das in L. Ariostos «Rasendem Roland», der kunstvollsten Dichtung der italienischen Renaissance, seinen Höhepunkt fand. N. Machiavelli, der vor allem durch seine politische Schrift «Der Fürst» Weltgeltung erlangte, verfasste mit «Mandragola» die beste Renaissancekomödie. Gegen Ende des 15. Jahrhundert entstand unter antikem Einfluss die galante Schäferpoesie, deren Hauptvertreter J. Sannazaro (Roman «Arcadia») und G. B. Guarini (Drama «Der treue Hirt») waren. Das Ideal des körperlich, geistig und musisch gebildeten Renaissancemenschen gestaltete B. Castiglione in seinem Buch «Der Höfling». In Deutschland bedingte der scharfe Kampf des progressiven Bürgertums gegen Reaktion und für geistigen und gesellschaftlichen Fortschritt, dass sich die Literatur vor allem auf dem Gebiet der Satire weiterentwickelte; am meisten verbreitet waren Dialoge, Pamphlete und Parodien, die sich gegen den Obskurantismus und Parasitismus der katholischen Geistlichkeit, die Habgier der Reichen und die Willkür der Fürsten richteten (im 16. Jahrhundert «Narrenschiff» von S. Brant, Dunkelmännerbriefe unter anderem); ebenso waren Predigten verbreitet, die nicht nur antipäpstlichen, sondern mitunter auch revolutionären Charakter besaßen (T. Müntzer). Eine deutsche Sonderform der Renaissanceliteratur waren frühbürgerlich-revolutionäre operative Streitschriften (M. Luther). In England waren die 1387/1400 erscheinenden «Canterbury Geschichten» von G. Chaucer erster Ausdruck der

Literatur der Renaissance die dann um 1600 in den Dramen C. Marlowes, W. Shakespeares und B. Jonsons sowie in den Dichtungen P. Sidneys und E. Spensers ihren Höhepunkt und Abschluss erreichte. In Frankreich verlief die Entwicklung der Renaissanceliteratur in 2 Etappen. Die erste stand im Zeichen einer Synthese von nationalen Kulturtraditionen und modernem humanistischen Gedankengut (vor allem bei F. Rabelais und C. Marot). Die durch die Pléiade eingeleitete 2. Etappe wurde, auch thematisch, völlig von antiken beziehungsweise italienischen Vorbildern bestimmt, wodurch die Literatur zunehmend zur Sache der Gebildeten wurde. Ihre reifsten Leistungen erreichte sie durch P. de Ronsard und J. Du Bellay in der Lyrik. Ihre Endphase spiegelt sich im skeptischen Relativismus M. de Montaignes wieder. In Spanien vermochten auch innere Unruhen und Kriege nicht die Impulse der Renaissance zu lähmen, vor allem nachdem Alfons V. von Aragonien 1443 das Königreich Neapel erobert und als kulturelles Zentrum entwickelt hatte, das die Vermittlung der italienischen Literatur, deren Übersetzung und Nachahmungen begünstigte. «Cancioneros» zeigten die italienischen Elemente der höflichen Kunstdichtung und deren humanistischen Tendenzen. Neben Terzine und Sonett wurden die «Romances» kunstvoll ausgebaut. Die unter den katholischen Königen realisierte nationale Einheit beförderte Wissenschaften und Künste, der Buchdruck breitete sich aus, die erste wissenschaftliche Grammatik des Spanischen (Nebrija) entstand. Ritterromane («Amadis de Gaula») und Schelmenromane («Lazarillo de Tormes») wurden verfasst, der Schäferroman fand im Anschluss an J. Sannazaro in der Prosaform (J. de Montemayor) vollkommene Ausbildung (Überleitung zur Literatur des «Siglo de Oro» (Goldenes Zeitalter)).

Musik: In der europäischen Musik des 14./16. Jahrhundert führte das neue Lebensgefühl des frühen Bürgertums zu einer bedeutsamen Ausdrucksbereicherung in neuen Formen sowie zu zunehmender Individualisierung des Kunstwerkes, einsetzend etwa mit P. de Vitry beziehungsweise G. Dufay. Einen Höhepunkt bildet die Verschmelzung der niederländischen Chorpolyphonie (Niederländische Schule) mit der italienischen Musiktradition (unter anderem des Madrigalstils) und der Terzen freudige volkstümliche Mehrstimmigkeit in England; als Endpunkt gilt die Entstehung der Oper um 1600. Verbunden ist diese Entwicklung auch mit neuen Notationsweisen, der Herausbildung tonaler Beziehungen, der Verselbständigung der Instrumentalmusik unter anderem

Theater: Das humanistische Menschenbild der Renaissance wurde Grundlage der europäischen realistischen Theaterentwicklung. Mit der Aneignung des Erbes des antiken Theaters und der Zurückdrängung von mittelalterlichen Weltbild und religiöser Thematik entstanden seit dem 15. Jahrhundert in Italien und dem 16. Jahrhundert in anderen europäischen Ländern nationale Theaterkulturen; besonders in England (Elisabethanischen Theater) und Spanien führte die Synthese mit Volkstheatertraditionen zu einzigartigen Höhepunkten volkstümliche Bühnenkunst. Ausgehend von Italien, entstanden richtungweisende Neuerungen der Theaterarchitektur, Bühnengestaltung und -technik (Rang- und Logentheater, Guckkastenbühne, bewegliche Kulissenbühne unter anderem). Das Renaissancetheater begründete das moderne Berufstheater.

Naturwissenschaften: Die Renaissance war gekennzeichnet durch neue, über die unmittelbare Erfahrung hinausgehende und auf Experimenten beruhende Methoden der Naturforschung. Zu den wichtigsten Errungenschaften zählt die Begründung des heliozentrischen Weltsystems durch N. Kopernikus. In der Mathematik wurden die imaginären Größen eingeführt, in der Algebra die Symbol. Bezeichnungen vervollständigt. Umfassende Entwicklung erfuhr die Mechanik (Theorie der einfachen Maschinen, Fallgesetze, Schwerpunktbestimmung, Hydrostatik und -mechanik). Zu Beginn des 17. Jahrhundert begründete G. Galilei die Dynamik und erweiterte den Horizont der Astronomie durch neue Entdeckungen mit Hilfe des Fernrohrs. Die Suche nach neuen Handelswegen führte zu wichtigen geographischen Entdeckungen (Kolumbus Entdeckung Amerikas, Vasco da Gamas Entdeckung des Seeweges nach Indien, Magalhäes erste Weltumsegelung und der praktische Nachweis der Kugelgestalt der Erde).

Technik: Die Manufakturproduktion erforderte die Weiterentwicklung der Handwerksinstrumente, Gestaltung mechanischer Antriebssysteme (Nutzung der neuen Erkenntnisse der Mechanik) unter anderem Ende 14./Anfang 15. Jahrhundert begann die Herstellung von Schießpulver und Feuerwaffen, von Mineralsäuren, Arzneimitteln und Alkohol. Wichtigste Errungenschaften waren die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (J. Gutenberg), die Vervollkommnung von Papiermühlen, Spinnrädern, des Bergbaus (G. Agricola), der Metallurgie sowie der Bau von Kanälen, Schleusen, Dämmen und Hafenanlagen, die Entwicklung des Weber-, Uhrmacher- (P. Henlein), Färber- und Optikerhandwerks (Erfindung von Brille, Mikroskop, Fernrohr).

Renaissance-Antiqua, Mediäval: zu den runden Schriften zählende Schriftgattung mit schrägen, am Grundstrich gekehlten Serifen der Versalien und schrägen Anstrichen bei den Kleinbuchstaben sowie geringen Breitenunterschieden zwischen Grund- und Querstrichen.