Reformation

Reformation: Geschichte - auf Reform der Kirche und Veränderungen der Gesellschaft drängende Bewegung im 15./16. Jahrhundert; erfasste fast alle europäischen Länder im Machtbereich der katholischen Kirche. Bereits Ende des 14. Jahrhundert gewannen die Vorstellungen radikaler Reformer wie J. Wyclif und J. Hus größere gesellschaftliche Resonanz. Im 15. Jahrhundert gab es Bemühungen, durch Reformkonzilien und innerkirchliche Reformen (insbesondere in geistlichen Orden) Auswüchse in der katholischen Kirche zu beseitigen. Es wurden auch Reformschriften (Reformation Kaiser Sigismunds) verbreitet; während des Bauernkrieges knüpfte das Heilbronner Programm an eine dieser Schriften an. In Deutschland begann die Reformation mit M. Luthers Thesenanschlag zu Wittenberg (31. 10. 1517), sie bildete die erste Phase der frühbürgerlichen Revolution. Die zunächst gegen Papsttum und katholische Kirche gerichtete Bewegung erfasste große Teile der Gesellschaft. Unterschiedliche soziale Interessen, politische Forderungen und Auffassungen führten 1521 zu einer Differenzierung. Neben dem bürgerlich-gemäßigten Flügel (Luther) entstanden ein radikal-bürgerlicher Flügel (H. Zwingli, A. Karlstadt), der tiefgreifendere Veränderungen in Theologie und Kirche erstrebte, und eine radikale, reformatorische Volksbewegung (T. Müntzer). Nach der Niederlage der Bauern und ihrer Verbündeten 1524/26 nutzten die Protestant, deutschen Fürsten die lutherische gemäßigte Reformation zur Festigung des Territorialstaates aus. Die Reformation Luthers trieb die Lösung grundlegender Widersprüche der Feudalgesellschaft in europäischen Ländern voran und beschleunigte damit den Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus.

Reformation Kaiser Sigismunds, Reformatio Sigismundi: anonyme Schrift zur Reichsreform, 1439 abgefasst; forderte unter anderem Stärkung der Zentralgewalt, Trennung von Kirche und Staat, Aufhebung der Zünfte und Handelsgesellschaften sowie einheitliche Münze, wandte sich gegen die Leibeigenschaft; war das radikalste, politisch jedoch nicht umgesetzte deutsche Reformprogramm vor 1523.

Reformationsfest: Gedenktag (31.10.) der evangelischen Kirche zur Erinnerung an den Thesenanschlag von M. Luther 1517; zuerst (seit 1667) in Sachsen begangen. Siehe auch Reformation 2.

Reform: 1. allgemein Erneuerung oder Umgestaltung eines Zustandes oder einer Lehre ohne grundsätzlichen Bruch mit der Überlieferung.

2. Philosophie: gesellschaftliche Veränderung im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Im Kampf der Arbeiterklasse bilden Reform und Revolution eine dialektische Einheit; die Arbeiterklasse kämpft für Reform, die ihre Existenz- und Kampfbedingungen verbessern und die Mobilisierung der werktätigen Massen für den revolutionären Kampf fördern. Die Beschränkung des Kampfes auf Reform ist Reformismus und bedeutet Verzicht auf die historische Mission der Arbeiterklasse. Reformen in der sozialistischen Gesellschaft dienen der Durchführung herangereifter Aufgaben bei der Entwicklung des Sozialismus (Hochschulreflex, Wirtschaftsreflex). Bodenreflex und Schulreflex sind revolutionäre Umwälzungen.

Reformierte: Kirchen- und Religionsgemeinschaften, die aus der Schweizer Reformation durch Zwingli und Calvin entstanden sind, beziehungsweise deren Anhänger, breiteten sich besonders in Frankreich (Hugenotten), England (Puritaner) und Holland aus; heute größtenteils im Reformierten Weltbund (gegründet 1875) zusammengeschlossen, der Christen von fast 160 Kirchen aus etwa 75 Ländern vertritt; charakteristisch ist strenge Bindung an die Bibel, die Lehre von der Prädestination, schlichte gottesdienstliche Formen sowie Leitung durch Gemeindeälteste.