Portugal

Portugal, Portugiesische Republik: Staat in Südwesteuropa; umfasst den Westteil der Pyrenäenhalbinsel, die Azoren (1400 km westlich Portugals) und Madeira (850 km südwestlich Portugals) im Atlantik; in t8 Distrikte und 2 autonome Regionen gegliedert; Währung ist der Portugiesische Escudo.

Bevölkerung: Sie besteht fast nur aus Portugiesen, die Amtssprache ist Portugiesisch, Analphabetentum ist besonders auf dem Lande noch verbreitet. Der Anteil der Stadtbevölkerung nimmt zu, etwa ein Drittel der Einwohner lebt in den Agglomerationen von Lissabon und Porto; viele Rückkehrer aus den ehemaligen afrikanischen Kolonien; Abwanderung aus dem Landesinnern in die Küstenstädte; niedriger Lebensstandard der Werktätigen, hohe Inflationsrate und Arbeitslosigkeit (etwa 15 % der Erwerbstätigen); viele Portugiesen arbeiten dauernd oder zeitweilig im Ausland.

Natur: Im Norden und Süden reicht die sich nach Westen abdachende iberische Hochfläche (Meseta) bis zur Küste des Atlantiks, den mittleren Teil nimmt die kahle, eiszeitlich überformte Serra da Estrela mit dem 1991 m hohen Malhao ein, der das mittelportugiesische Hügelland vorgelagert ist. Die hafenreiche Küste weist Kliffe, Ebenen und Mündungstrichter auf. Erdbebengefährdung. Das Klima ist im Allgemeinen mild und wird vom Atlantik beeinflusst, die Niederschläge nehmen von Norden nach Süden ab. Der Süden leidet häufig unter langanhaltenden sommerlichen Trockenperioden. Hauptflüsse sind Tejo, Douro und Guadiana, ihre Wasserführung ist schwankend; zahlreiche Staudämme. Die natürliche Vegetation besteht besonders im Norden aus sommergrünen Wäldern, im Süden wächst heute Macchie.

Geschichte: Seit dem Paläolithikum bewohnt im 7. Jahrhundert vor Christus Ansiedlung keltischer Stämme. Die seit dem 4./3. Jahrhundert nachweisbaren lusitanischen Stämme leisteten im Keltiberischen Krieg 197/179 und beim Aufstand des Viriathus 147/139 den vorrückenden Römern heftigen Widerstand, danach verstärkte Romanisierung und besonders im Süden, Entwicklung der Sklaverei Gesellschaft; unter Kaiser Augustus Bildung der römischen Provinz Lusitania. Anfang des 5. Jahrhundert nach Christus siedelten sich Sueben an. Der Feudalismus entwickelte sich vor allem im weniger romanisierten Norden relativ langsam; 713/18 erfolgte die arabisch-maurische Eroberung, im 9. Jahrhundert setzte im Norden die Reconquista ein, 1095 wurde Portugal Grafschaft und 1139 Königreich unter der Dynastie Burgund. Afonso I. (1139/85) eroberte 1147 mit Hilfe eines Kreuzzugsheeres Lissabon. 1249/50 wurde Algarve im Süden den Mauren entrissen und damit die Reconquista in Portugal beendet. Der Feudalismus entwickelte sich regional differenziert, eine breite Schicht persönlich freier Bauern nördlich des Tejo, Großgrundbesitz im S. Im 12./13. Jahrhundert Aufblühen der Städte und Erstarken der Königsgewalt; 1290 wurde in Lissabon eine Universität gegründet (1307 nach Coimbra verlegt). Mit dem Erlöschen des Hauses Burgund 1383 in Portugal wollte ein Teil des Hochadels Portugal Kastilien anschließen und unterstützte die einrückenden Kastilier. Städte, mittlerer und niederer Adel sowie Bauern schlossen sich dagegen um den Großmeister des Ordens von Avis zusammen, den die Cortes zunächst als Regenten (1383/85), dann als König (Joao I., 1385/1433) proklamierten. Die Kastilier wurden 1385 bei Aljubarrota geschlagen, danach festigte sich die Königsmacht rasch gegen den Widerstand des Hochadels. Im 15./16. Jahrhundert bildete sich der Absolutismus heraus. Der letzte große Aufstandsversuch des mit Kastilien verbündeten Hochadels 1483/84 wurde von Joao H. (1481/95) niedergeworfen. Unter Manuel I. (1495/1521) Glanzzeit des Absolutismus, wirtschaftliche und kulturelle Blüte, Höhepunkt der geographischen Entdeckungsreisen und Errichtung eines portugiesischen Kolonialimperiums in Asien (Indien, Ceylon, Maluku, Südarabien), Afrika (Goldküste, Kongo, Angola, Mozambique) und Amerika (Brasilien). Seit Mitte des 16. Jahrhundert allmählicher Wirtschaftsverfall und Niedergang frühkapitalistische Elemente, was durch die Annexion Portugals durch Spanien 1580/81 noch beschleunigt wurde. Ein Volksaufstand am 1.12.1640 in Lissabon stürzte die spanische Herrschaft. Unter Joao IV. (1640/56) begann die Abhängigkeit von England, die der Lissabonner Vertrag («Bündnis auf ewig») und der Methuen Vertrag (beide 1703) verfestigten. Unter José I. (1750/77) und seinem Ersten Minister Pombal erfolgten weitreichende Reformen im Geiste des aufgeklärten Absolutismus, 1759 wurden die Jesuiten vertrieben; ab 1777 wurden unter Maria I. die meisten Reformen wieder zurückgenommen. Nach der Besetzung Portugals durch napoleonische Truppen 1807 floh die königliche Familie nach Brasilien, im Juni 1808 leitete ein Volksaufstand die Unabhängigkeitsrevolution von 1808/10 ein. Die Franzosen wurden mit britischer Hilfe vertrieben, doch blieb Portugal bis 1820 durch britische Truppen besetzt. Mit einem Militäraufstand in Porto am 24.8.1820 begann die bürgerlich-liberale Revolution von 1820/23 (Verfassung von 1822, Abschaffung feudaler Privilegien und der Inquisition). 1822 löste sich Brasilien von Portugal, 1823 wurde die Verfassung nach einem konterrevolutionären Putsch beseitigt. Gegen den konservativ-liberalen Klassenkompromiss von 1826 (Verfassungscharta) revoltierte 1828 die feudalklerikale Reaktion unter Dom Miguel, der sich zum absoluten König proklamierte (bis 1834). Die Liberalen behaupteten sich nur auf der Azoreninsel Terceira, 1832 landeten sie in Portugal und siegten über Miguel im Bürgerkrieg von 1832/34. Die Latifundien von Feudaladel und Kirche wurden beseitigt und durch bürgerlichen Großgrundbesitz abgelöst. Die Septemberrevolution von 1836 brachte linke Liberale (Septembristen) an die Macht; sie restaurierten die Verfassung von 1822 (bis 1838 in Kraft). Die Innenpolitik wurde bestimmt von Kämpfen zwischen Anhängern der Charta von 1826 und Septembristen, deren Kompromiss in der Diktatur Saldanhas (1851/56) und der Zusatz-akte (5.7.1852) zur Charta von 1826 seinen Niederschlag fand. Die Entwicklung des Kapitalismus verlief langsam und in Abhängigkeit von Großbritannien; 1875 erfolgte die Gründung einer kurzlebigen sozialistischen Partei. Der Militäraufstand vom 4.10.1910 mündete, von den Volksmassen Lissabons unterstützt in die bürgerliche Revolution von 1910/11 ein; am 5.10.1910 wurde die Republik verkündet. Es folgten bürgerliche Reformen (Trennung von Staat und Kirche, Verbot religiöser Orden, Enteignung des Kirchenbesitzes, Streikrecht 8-Stunden-Arbeitstag für Arbeiter). Portugal nahm 1916/18 auf Seiten der Entente am 1. Weltkrieg teil. 1921 wurde die KP gegründet. Ein reaktionärer Staatsstreich vom 28. 5. 1926 leitete die Diktatur des Generals A. Carmona und die Faschisierung ein. Ministerpräsident A. Salazar (1932/68) proklamierte Portugal 1933 in Nachahmung des faschistischen Italiens zum «Korporativstaat». Im Spanischen Freiheitskampf 1936/39 unterstützte Portugal die Francofaschisten. Im 2. Weltkrieg bis 1943 neutral, geriet Portugal unter den Einfluss der USA (Stützpunkte auf den Azoren seit 1944); 1949 Beitritt zur NATO. Im Dezember 1961 befreite Indien die portugiesischen Kolonialenklaven Goa, Daman und Diu. Ministerpräsident M. Caetano (1968/74) führte die faschistische Diktatur mit flexibleren Methoden fort, konnte aber den Befreiungskampf der Völker Angolas, Mozambique und Portugiesisch-Guineas sowie die wachsende Opposition, unter anderem in den Streitkräften, nicht brechen.

Architektur: Unter spanischen und französischen entstandene romanische Bauten sind die Kathedralen in Porto, Lissabon und Coimbra; bezeichnend für die Ordensbaukunst ist die 16eckige wehrhafte Kirche der Templer in Temar und die 100 m lange dreischiffige Halle der Zisterzienser in Alcobaca, die wie die Kathedrale in Evora den Durchbruch gotischer Formen anzeigt Zu den hervorragendsten Zeugnissen der Gotik zählen der Klosterkomplex Alcobaca und die Klosterkirche S. Maria da Vitoria in Batalha von A. Domingues (1385/1402). Eng verknüpft mit dem nationalen Aufschwung und dem damit wachsenden Reichtum des Landes hat die Kunst Höhepunkt unter Manuel I. mit dem sogenannten Manuelin. Bedeutendste Vertreter waren D. Boytac (S. Jesus in Setúbal, Batalha, Coimbra, Lissabon), F. de Arruda (Torre Belém in Lissabon), J. de Castilho (Tómar, Alcobaja, Belém). In Castilhos spätem Schaffen gewannen Renaissancezüge Gewicht, die dann bei D. de Torralva (Hauptkreuzgang des Christusklosters in Tómar, seit 1554) vorherrschend wurden. Nach Annexion des Landes durch Spanien (1580/81) setzte sich italienischer Einfluss stärker durch. Seit Wiedergewinnung der Unabhängigkeit (1640) wurden Bauaufgaben von Bedeutung Ausländern, die sich am französischen und italienischen Barock orientierten, übertragen (so der den Escorial an Größe übertreffende Palast in Mafra dem Deutschen J. Ludovice; dem Italiener N. Nazoni die Kirche S. Pedro dos Clérigos in Porto, die wie die klassizistische Kirche Bom Jesus do Monte in Braga von C. L. Ferreira da Cruz Amarante Vorbild für Kirchen in Brasilien wurde). Hervorragendste Schöpfung des Rokokos ist der Palast in Queluz (M.V. de Oliveira und J. B. Robillon). Von den nach dem Erdbeben von 1755 begonnenen Städtebau!. Veränderungen in Lissabon ist die Umbauung des zum Tajo hin offenen Platzes Praca do Comercio interessant. Beeinflusst vom Eklektizismus des 19. Jahrhundert entstanden das Nationaltheater, das Rathaus und der Kongresspalast. Die moderne Architektur Portugals wird durch öffentliche Gebäude und neue Stadtviertel Lissabons und Portos repräsentiert Hervorragendes technisches Bauwerk ist die Brücke über den Tajo (60er Jahre).

Malerei: Wie die im Mittelalter bemerkenswerte Plastik, die seit dem 17. Jahrhundert ihre Originalität verlor und im 19. Jahrhundert hauptsächlich vom französischen Geschmack beeinflusst wurde, hatte auch die Malerei, deren früheste nachweisbare Persönlichkeit im 15. Jahrhundert N. Gonsalves ist, nur eine begrenzte Blütezeit. Bedeutende Maler des 16. Jahrhundert waren V. Fernandes (gen. Gräo Vasco), G. Lopes, J. Affonso, die Romanisten F. de Hollanda und C. Lopes. Das 17. und 18. Jahrhundert standen unter dem Einfluss Italiens, während sich die Maler des-19 Jahrhundert Frankreich anschlossen (Morgado de Setúbal, D. Ä. de Sequeira). Realist Bestrebungen widerspiegeln die Landschafts- und Genrebilder A Carvalho da Silva Portos und J. Marques da Silva Oliveiras sowie die Porträts M. A. Lupis. Vertreter der realistischen Bewegung im 20. Jahrhundert, beeinflusst von C. Bordalo Pinheiro, sind der Landschaftsmaler A. Manta, die Porträtisten E. Malta und H. de Medina sowie C. Fernández und J. Vital Branco Malhöa; in der Plastik A Duarte, S. Barata Feyo und J. Martins Correira. Eine Abhängigkeit von der Pariser Schule zeigen die kubistische Malerei A de Sousa Cardosos und die C. Botelhos. Als Repräsentantin modernistische Strömungen trat die Malerin und Graphikerin M. H. Vieira da Silva hervor, deren vom Abstraktionismus beeinflussten Graphiken gleichwohl eine gesellschaftskritische Tendenz eigen ist, die sich unter den Bedingungen des faschistischen Regimes in Portugal nur bei wenigen Künstlern konstatieren ließ. Ein Teil von ihnen wendete sich der nationalen Geschichte zu (A. de Freitas); Menschen aus dem Volk gestaltete in seinen Wandbildern R. Ribeiro. Seit 1947 gibt es eine neorealistische Strömung (Graphiker J. Pomar). Nach dem Sturz der Diktatur stellten zahlreiche Künstler ihre Arbeit in den Dienst der progressiven Bewegung.

Literatur: Älteste Zeugnisse der portugiesischen Literatur sind Minnelieder (12./14. Jahrhundert) sowie eine an den Interessen des Adels orientierte Historiographie. Im 15. und 16. Jahrhundert entwickelten sich eine volkstümliche plebejische Richtung mit F. Lopes (Historiographie) und G. Vicente (Drama) sowie eine adlige Richtung, die mit B. Ribeiro die Hirtendichtung in die portugiesische Literatur einführte. F. Sá de Miranda und vor allem der Nationaldichter L. Vaz de Camoes gelangten zu einem Ausgleich beider Richtungen, der in der 2. Hälfte des 16. Jahrhundert den Höhepunkt der älteren portugiesischen Literatur darstellte (Nationalepos «Lusiaden» von Camoes). Gegen Ende des 16. Jahrhundert löste sich mit dem Ruin der portugiesischen Gesellschaft die Literatur von volksverbundenen Positionen, suchte adlige Lebensideale ohne Bezug auf soziale Probleme zu gestalten und verfiel bald dem Formalismus (F. Rodrigues Lobo, F. M. de Melo). Seit der Mitte des 17. Jahrhundert setzte sich der Geist des Katholizismus (A Vieira) sowie die fruchtlose Beschwörung der großen nationalen Vergangenheit durch. Die Aufklärung orientierte sich vorwiegend auf eine Bildungsreform (L. A de Verney) sowie die Entwicklung von Handel und Gewerbe; gelegentlich wurde Kritik an Adel und Kirche geübt (F. X. de Oliveira, M. A. da Silva de E9a). In diesem Geiste entwickelte sich auch die arkad. Lyrik (M. M. de Barbosa du Bocage). Die Romantik wurde zunächst von einer an der Entwicklung der Landwirtschaft interessierten Bourgeoisie getragen und verband die Kritik an Adel und Kirche mit der Verherrlichung der mittelalterlichen vorabsolutistische Gesellschaft, Nach 1850 bildeten sich kleinbürgerlich-demokratische Tendenzen heraus. Mit C. Castelo Branco begann die Entwicklung des modernen Romans. Gegen 1870 setzten sich bürgerlich-demokratische Kräfte durch, J. M. Esa de Queirös gelang der Durchbruch zum realistischen Roman; A. M: de Guerra Junqueiro folgte in seiner Lyrik den! Vorbild V. Hugos; T. Braga erforschte Literaturgeschichte und Folklore; J. D. Ramalho Ortigao entwickelte die Literaturkritik.

Um 1890 erfolgte unter dem Eindruck der Auswirkungen des heranreifenden Imperialismus der Übergang zur modernen Literatur. Die Lyrik orientierte sich auf den französischen Symbolismus (E. de Castro) und folgte danach im Ganzen der Entwicklung der Lyrik in Frankreich (F. A. N. Pessoa), Das Theater verfiel. Roman und Erzählung hingegen erfuhren eine beachtliche Entwicklung, in der sich hauptsächlich die Einengung aller Entwicklungsmöglichkeiten für die kleinbürgerlichen Schichten und das Bauerntum spiegelte. J. V. Fialho de Almeida unter anderem, vor allem aber M. Torga und A Ribeiro verherrlichten die urwüchsige Integrität der bäuerlichen Bevölkerung abgelegener, rückständiger Gegenden. J. M. Ferreira de Castro sowie die Vertreter der antifaschistischen Opposition (S. Gomes, F. Namora, L. Penedo unter anderem) entwickelten seit 1940 mit dem Neorealismus eine international bedeutsame Strömung, die durch eine den demokratischen Traditionen Portugals verbundene Grundposition geprägt, im Allgemeinen sozialkritisch-realistisch war und ansatzweise bis zum sozialistischen Realismus vorstieß. In den 50er Jahren erreichte sie ihren Höhepunkt. Danach löste sie sich auf; einige Autoren verstärkten die-Rezeption existentialistische Positionen, andere wandten sich der Gestaltung weltanschauliche Probleme der internationalen Entwicklung seit dem 2. Weltkrieg zu. Vorwiegend jüngere Autoren (U. Tavares Rodrigues) verbanden die stärkere Orientierung auf psychologischer Vertiefung mit heftiger Gesellschaftskritik und riefen indirekt zum Kampf gegen die faschistische Diktatur auf. Die Entwicklung seit 1974 spielt in der portugiesischen Literatur eine wachsende Rolle. Die große Mehrheit der Künstler und Kulturschaffenden vertritt fortschrittliche Positionen.

Portugiesisch: zur iberoromanischen Sprachgruppe der romanischen Sprachen zählende Sprache, der selbständige Charakter geht auf die Reconquista zurück, die auch zur sprachlichen Aufgliederung der Pyrenäen-Halbinsel führte; ältere Texte stammen vom Ende des 12. Jahrhundert Portugiesisch wird in Portugal, Galicien, auf den Azoren, in Brasilien und in den ehemaligen portugiesischen Kolonien gesprochen (hier teilweise zur Staatssprache erklärt).