Polen

Polen: Staat im 0sten Mitteleuropas; grenzt im Norden an die Ostsee.

Bevölkerung: Im Verlauf der sozialistischen Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg stieg die Anzahl der Einwohner von 1946 bis 1986 von 23,9 auf 37,5 Millionen an. Somit wurde die Einwohnerzahl von 1938 (34,8 Millionen) überschritten. Der natürliche Bevölkerungszuwachs liegt bei jährlich etwa 0,9 %. Nur 1,3 % der Bewohner gehören nationalen Minderheiten an. Amtssprache ist Polnisch Am dichtesten bevölkert sind die Wojewodschaften Lódi, Warschau, Katowice und Kraków, am geringsten die im Bereich des Pojezierze Mazurskie gelegenen Wojewodschaften Lomza und Suwalki. Der Anteil der Stadtbevölkerung erreicht gegenwärtig 60 % (1946 nur 32 %). Von der Bevölkerung sind etwa 25 % im Kindes- (bis 14 Jahre), 64% im erwerbsfähigen und 11% im Rentenalter. Von den Erwerbstätigen sind etwa 30 % in der Industrie, 8 % im Bauwesen, 30 % in der Landwirtschaft, 6 % im Verkehrs- und Nachrichtenwesen und 7 % im Handel tätig. Etwa 6 % der im Sozialist Sektor Beschäftigten haben eine Hochschul-, 23 % eine Ober- und Fachschulbildung.

Oberfläche: Sie hat überwiegend Tieflandcharakter; 71 % der Landesfläche liegen unter 200 m, 26 % bei 200 bis 500 m und nur 3 % über 500 m. Obwohl Tiefland überwiegt, ist die Oberfläche infolge eiszeitlicher Überformung sehr abwechslungsreich Sie wird in 6 west-östlich verlaufende naturgeographischen Zonen untergliedert. Von Norden nach Süden sind dies:

a) schmaler Streifen tiefgelegener Küstenebenen (Ausgleichsküste) mit ausgedehnten Niederungen im Mündungsgebiet von Oder und Wisla;

b) Zone der Seenplatten (Pojezierze Mazurskie unter anderem) im Bereich hügeliger Moränen des Baltischen Landrückens;

c) Zone fruchtbarer Binnenlands Niederungen (etwa 50% des Territoriums), die von Urstromtälern durchzogen werden (Nizina Wielkopolska unter anderem);

d) Zone der Hochflächen, Mittelgebirge und erzreichen Hügelländer (Sudety, Wyzyna Krakowsko Czestochowska, Wyzyna Malopolska, Wyzyna Lubelska unter anderem);

e) Zone des Vorkarpatenbeckens;

f) Karpaten mit Tatra (Rysy, mit 2499 m höchster Berg Polens), der Hochbeckenlandschaft Podhale, den Beskiden und dem Karpatenvorland.

Klima: Es ist gemäßigt und gehört zum Übergangsgebiet vom maritimen Typ im Nordwesten zum kontinentalen im Osten und Südosten.

Gewässer: Das Flussnetz wird vor allem durch die Wisla mit ihren Nebenflüssen Dunajec, San, Wieprz, Pilica, Bug/Narew sowie durch die Oder mit ihren Zuflüssen Warta/Notec, Bebr unter anderem gebildet; 99,7 % der Oberfläche werden zur Ostsee entwässert Niedrige Wasserscheiden erleichtern die Verbindung der Flüsse durch Kanäle. Polen besitzt etwa 9300 Seen (größer als 1ha), am größten sind Jezioro Sniardwy und Jezioro Mamry. Die größten Stauseen hegen am San, Dunajec, an der Wisla und Nysa Klodzka.

Böden: Es überwiegen mäßig fruchtbare Böden, die Düngung, Melioration und andere agrotechnische Maßnahmen erfordern. Nördlich der Linie Legnica-Wroclaw-Lublin dominieren Böden aus eiszeitlichem Material (Sand, Ton, Lehm), in den Niederungen anmoorige Böden, die nach Entwässerung fruchtbar werden, südlich dieser Linie Verwitterungsböden; Teile des Karpatenvorlandes haben Lößbedeckung mit heute fruchtbarem Ackerland. Pflanzen- und Tierwelt. Die Flora Polens gehört zur mitteleuropäischen Zone der Laub- und Mischwälder, insgesamt sind 28 % der Landesfläche bewaldet; 80 % sind Nadel- und 20 % Laubwald; vielfach Flach-, seltener Hochmoore. Die Fauna wird durch Tierarten der Laub- und Mischwälder bestimmt; Hauptvertreter sind Hirsch, Reh, Wildschwein sowie mehrere Waldvogelarten; in den Karpaten Gebirgs- und Hochgebirgsarten (Gemse, Murmeltier, Luchs, Braunbär). Flora und Fauna werden in 14 Nationalparks geschützt. Bodenschätze. Polen hat ein reiches Naturdargebot an Brenn- und mineralischen Rohstoffen, die teilweise erst unter der Volksmacht entdeckt und durch den Bergbau erschlossen wurden; Steinkohle im GOP, besonders im Revier Rybnik (Gas-Koks-Kohle), bei Walbrzych und Nowa Ruda; neue Steinkohlebecken wurden in den Wojewodschaften Lublin und Biala Podlaska entdeckt und zum Teil bereits erschlossen; Braunkohle um Turoszów, in Zentralpolen (Konin) und bei Belchatów unweit von Lodi; große Torflager im Norden und NO; Schwefel bei Tarnobrzeg und Grzybów südöstlich von Kielce; Kupfererze im Raum Legnica-Glogów-Lubin; Blei- und Zinkerze am Nordostrand des GOP, besonders bei Olkusz; Eisenerze (durchschnittlich 30 % Fe-Gehalt) im Raum Czestochowa-Wielun, Kielce und Leczyca; Erdöl im Karpatenvorland (Krosno/Jaslo) und im Becken von Sandomierz; im Karpatenvorland auch beachtliche Erdgasvorkommen (Gebiet Lubaczów-Przemyél), ferner in den Wojewodschaften Poznan und Zielona Gòra, bei Ostrów Wielkopolski und im Seengebiet Pojezierze Pomorskie; reiche Steinsalzlager im Karpatenvorland (Wieliczka, Bochnia), Inowroclaw und Klodawa; ferner Vorkommen von Baryt, Magnesit, Kaolin, Marmor und Baustoffen; zahlreiche Mineralquellen, besonders in den Sudety und Karpaten.

Geschichte: Seit dem 6./7. Jahrhundert zeigten sich bei den slawischen Stämmen, die das Territorium des heutigen Polen besiedelten, Ansätze zur Herausbildung frühfeudaler Verhältnisse. Im 8./9. Jahrhundert entstanden die ersten slawischen Stammesfürstentümer bei den Wislanen und später bei den Polanen im Warta-Notec-Becken. Die Herrscher der Polanen begründeten das älteste polnische Fürstenhaus, die Dynastie der Piasten, und Großpolen (Wielkopolska) wurde zum Zentrum des entstehenden polnischen Staates. Der erste historisch nachweisbare Fürst war Mieszko l., der 966 zusammen mit dem Adel das Christentum nach dem lateinischen Ritus annahm. Sein Sohn, Boleslaw I. Chrobry, dehnte die Westgrenzen Polens bis zur Oder- und Spreemündung und zur Lausitz aus, im Osten entriss er der Kiewer Rus die Westukraine. Im Jahre 1000 errichtete er das Erzbistum Gniezno. Die weitere Entwicklung des Feudalismus führte zur Schwächung der königlichen Zentralgewalt und zum verstärkten Einfluss der Magnaten. Boleslaw III. Krzywousty unternahm 1138 den Versuch, durch das Senioratsstatut (der älteste Piast wurde jeweils Großfürst) die inneren Kämpfe und die feudale Zersplitterung einzuschränken. Doch 1157 musste Boleslaw IV. die Lehnshoheit des. Heiligen römischen Reiches unter Friedrich Barbarossa anerkennen. Nachdem 1226 Konrad von Masowien den Deutschen Ritterorden zur Unterwerfung der Pruzzen ins Land gerufen hatte, kam es zur Bildung des aggressiven Ordensstaates. Trotz feudaler Zersplitterung war Polen im 12. und 13. Jahrhundert durch eine rasche Entwicklung der Wirtschaft und Kultur gekennzeichnet. Der im 13 Jahrhundert einsetzende Einigungsprozess der polnischen Teilfürstentümer fand unter Kazimierz IH. Wielki (1333/70) seinen Abschluss. 1386 schlossen sich Litauen und Polen in Personalunion (Vertrag von Krewo) zusammen. Die vereinigten polnisch-litauisch-russischen Heere errangen bei Grunwald 1410 einen Sieg über den Deutschen Ritterorden, der 1466 endgültig unterworfen wurde. Polen wurde einer der bedeutendsten Staaten Mittel- und Osteuropas. Im 16. Jahrhundert verwandelte sich Polen in eine Adelsrepublik (Rzeczpospolita szlachecka), in der Schlachta und Magnaten um die Vorherrschaft kämpften. In den Städten gediehen Handel und Gewerbe; Blütezeit der Renaissancekultur. Der Expansionsdrang der polnischen Feudalen nach Osten führte 1569 zur Bildung der Lubliner Union mit Litauen. Der einsetzende ökonomische Aufschwung Polens stärkte die Macht des Adels und führte Anfang des 17. Jahrhundert erneut zum Verfall der Zentralgewalt. Eine politische, ökonomische und soziale Krise, verstärkt durch ständige Kriege gegen Russland, Schweden und die Türkei, erfasste Polen Es kam zu Kosakenerhebungen 1648/54 unter B. Chmelnizki und einem Bauernaufstand 1651 unter Kostka Napierski. Jan HI. Sobieski (1674/96), der die Türken 1683 bei Wien vernichtend schlug, versuchte erfolglos, Polen zu stabilisieren. Polen wurde im 18. Jahrhundert immer mehr zum Objekt der Machtkämpfe europäischen Fürstenhäuser. 1697 erwarb August H., Kurfürst von Sachsen, die polnische Königskrone und verwickelte Polen in den nordischen Krieg; unter Augustin kam es zum polnischen Thronfolgekrieg 1733/35 (Auseinandersetzung zwischen Russland und Österreich einerseits sowie Frankreich und Spanien andererseits um den polnischen Thron). Das von Cliquenkämpfen zerrissene Land verfiel völlig, der Sejm wurde beschlussunfähig. 1764 kam mit Hilfe Russlands Stanislaw II. August Poniatowski auf den Thron. Ab Mitte des 18. Jahrhundert begannen sich kapitalistische Verhältnisse zu entwickeln, aber heftige Kämpfe zwischen den einzelnen Fraktionen der herrschenden Klasse schwächten Polen weiter, wobei sich die Magnaten mit dem russischen Zarismus verbündeten. Auf Betreiben Preußens kam es 1772 zur 1. Teilung Polens, das fast ein Drittel seines Territoriums an Preußen, Russland und Österreich verlor. In diese Zeit fiel die Blüte der Aufklärung in Polen mit S. Staszic. Mit der Edukationskommission (1773) entstand das erste Bildungsministerium Europas. Die progressiven und patriotischen Kräfte berieten auf dem Vierjährigen Sejm (1788/91) eine Reihe Reformen und setzten diese sowie am 3. 5. 1791 eine fortschrittlichen Verfassung gegen den Widerstand der Magnaten durch. 1793 erfolgte die 2. Teilung Polens durch Preußen und Russland; die Reformen wurden rückgängig gemacht. Der Aufstand unter T. Kosciuszko 1794 gegen die Teilungen scheiterte, war aber von großer Bedeutung für die europäische revolutionäre Bewegung. Mit der nach der Niederschlagung des Aufstandes erfolgten 3. Teilung 1795 war Polen restlos unter seine Nachbarn Russland, Österreich und Preußen aufgeteilt. Ein Teil des polnischen Adels orientierte sich in der Folgezeit auf den russischen Zaren Alexander I., die patriotischen Kräfte, die in der Emigration lebten, auf Frankreich. Sie kämpften unter J. H. Dsbrowski in der polnischen Legion auf Seiten Napoleons I. Dieser bildete 1807 aus den von Preußen und Österreich annektierten polnischen Gebieten das von ihm abhängige Großherzogtum Warschau, in dem die Leibeigenschaft aufgehoben wurde. Nach dem Sturz Napoleons I. schuf der Wiener Kongress 1815 das Königreich Polen (Kongresspolen) in Personalunion mit Russland; Galizien kam zu Österreich, Krakow wurde Freistaat (1846 jedoch auch von Österreich annektiert); in Großpolen entstand das preußische Großherzogtum Posen. Die polnische Frage wurde für lange Zeit zu einem Kernproblem der internationalen Beziehungen und die polnische Befreiungsbewegung zu einem wichtigen Element der gesamteuropäischen revolutionären Bewegung.

Der Kampf des polnischen Volkes um nationale Unabhängigkeit führte 1830/31 zum Aufstand gegen die soziale und nationale Unterdrückung durch den Zarismus. Auf Grund der Schwäche der polnischen Bourgeoisie hatte der Adel die führende Rolle. Nach seinem Misslingen sammelten sich die Konservativen und Liberalen in der «Großen Emigration» um A. I. Czartoryski, die revolutionär-demokratische Kräfte in der polnischen demokratischen Gesellschaft um J. Lelewel. 1848/49 beteiligten sich zahlreiche polnische Freiheitskämpfer (J. Bern, L, Mieroslawski, A. Mickiewicz, H. Dembinski) an den revolutionären Bewegungen in Deutschland, Österreich, Ungarn und Italien. Charakteristisch für die revolutionäre Bewegung in Polen wurde in zunehmendem Maße das Bündnis mit den revolutionären Kräften Russlands. 1863/64 kam es unter Führung der «Partei der Roten» (niedere Schlachta, Intelligenz, Stadtarmut, Teile der Bauernschaft) erneut zum Aufstand: Er scheiterte infolge der reaktionären Zielsetzung der am; Aufstand Beteiligten «Partei der Weißen» (Großgrundbesitzer, Schlachta, Bourgeoisie). Nach seiner Niederschlagung setzte in Kongresspolen eine Zeit schärfster Russifizierungs-Maßnahmen ein und in den von Preußen annektierten Gebieten eine brutale Germanisierungspolitik.

Im Ergebnis der durch den Aufstand und die ökonomische Entwicklung erzwungenen Aufhebung der Leibeigenschaft (Bauernreform von 1864) setzte sich der Kapitalismus im Königreich Polen rasch durch. Es entstanden die großen Industriezentren Górnicza, Lòdi, Warschau sowie die Bergwerks-, Metall- und Hüttenindustrie. In den 70er Jahren des 19. Jahrhundert begann sich die revolutionäre Arbeiterbewegung herauszubilden. Die ersten Streiks und Gewerkschaftsorganisationen, Arbeiterzeitungen und illegalen Zirkel bereiteten die Gründung Sozialist Organisationen vor. 1882 entstand die erste marxistische polnische Arbeiterpartei, das Große Proletariat, 1888 das ü. Proletariat und 1889 der Bund polnischer Arbeiter. 1892 wurde die polnische Sozialistische-Partei (polnisch Abkürzung PPS) gegründet, die in sich gespalten war und unter reformistischen Einflüssen der damaligen Sozialdemokratischen Parteien Westeuropas stand. 1893 bildete sich die Sozialdemokratie des Königreiches Polen und Litauens (polnisch Abkürzung SDKPiL). Zu ihren hervorragenden Vertretern gehörten unter anderem R. Luxemburg, J. Marchlewski, F. Dzierzynski, Leo Jogiches-Tyszka. In den anderen Teilungsgebieten entstand der PPS nahestehende Sozialist Parteien. Gegen Ende des Jahrhunderts bildeten sich auch bürgerliche Parteien wie 1897 die nationaldemokratische Partei, die sich zu einer konservativen, nationalistischen Partei entwickelte. Die revolutionären Erhebungen 1905/07 im Königreich Polen waren Bestandteil der russischen Revolution und erfassten alle Teilungsgebiete. Sie griffen auf die Bauernschaft sowie auf Schüler und Studenten über. Unter dem Einfluss der revolutionären Ereignisse schritt der Polarisierungsprozess in der polnischen Gesellschaft voran. Es vertiefte sich der Konflikt innerhalb der PPS, und 1906 entstand die PPS-Linke, die sich der SDKPiL, deren Einfluss wuchs, annäherte. Gewerkschaftsorganisationen bildeten sich. Die polnische Bourgeoisie orientierte sich teils auf Russland und die Entente, teils zusammen mit der reformistischen PPS (J. Pilsudski) auf die Mittelmächte. Nur die SDKPiL und die PPS-Linke standen auf einer Internationalist Position und erstrebten revolutionäre Veränderungen. Im Sommer 1915 besetzten deutsche und österreichisch-ungarische Truppen das Königreich Polen; die Okkupanten proklamierten am 5.11. 1916 ein angeblich selbständiges Königreich. Unter dem Einfluss der Februarrevolution 1917 in Russland erlebte die revolutionäre Bewegung in Polen einen neuen Aufschwung.

Der Sieg der Großen sozialistischen Oktoberrevolution und die Niederlage Deutschlands und Österreich Ungarns im 1. Weltkrieg ermöglichten dem um seine nationale Befreiung kämpfenden polnischen Volk die Errichtung eines unabhängigen Staates. Der Rat der Volkskommissare bestätigte am 15.11.1917 die «Deklaration der Rechte der Völker Russlands», die das Recht jeder Nation auf Selbstbestimmung bis zur Lostrennung und Bildung eines eigenen Staates verkündete. In einem Dekret vom 29.8. 1918 wurden alle vom zaristischen Russland geschlossenen Verträge über die Teilungen Polens annulliert und das unbestreitbare Recht des polnischen Volkes auf Unabhängigkeit Und Einheit anerkannt. Die Entente sah sich zum Handeln herausgefordert. USA-Präsident T. W. Wilson musste in das Vierzehn-Punkte-Programm die Bildung eines selbständigen polnischen Staates aufnehmen. Am 7. li. 1918 wurde in Lublin die Provisorische Regierung unter I. Daszynski (PPS) gebildet, die ein demokratisches Programm entwickelte, die revolutionären Arbeiter und Bauern aber nicht zur Abwehr der Reaktion und zur Umsetzung dieses Programms aufrief. Die Wiedererrichtung des selbständigen Staates erfolgte unter Führung der polnischen Bourgeoisie. Durch harte Klassenkämpfe konnten die Arbeiterräte jedoch Teilerfolge bei der Durchsetzung sozialer Forderungen (Achtstundentag, Mieterschutz, Krankenversicherung) erreichen, die sich im Entwurf der bürgerlich-demokratischen Verfassung von 1921 widerspiegelten. Die am 16.12.1918 durch den Zusammenschluss von SDKPiL und PPS-Linke gegründete Kommunistische Arbeiterpartei Polens (ab 1925 KP) führte einen opferreichen Kampf gegen die zunehmend antidemokratische Innenpolitik und die reaktionäre Außenpolitik. Polen beteiligte sich an der Intervention gegen Sowjetrussland und sicherte sich 1921 im Frieden zu Riga die Annexion Westbelo-Russlands und der Westukraine. Im Mai 1926 unternahm J. Pilsudski unter der Losung der «Sanierung» (Sanacja) einen Staatsstreich und errichtete eine Militärdiktatur (Sanacja-Regime). 1935 wurde eine neue reaktionäre Verfassung beschlossen, die das Parlament dem Präsidenten unterstellte und dem Senat auf Kosten des Sejms größere Rechte einräumte. Die KP entwickelte, gestützt auf die Volksfrontkonzeption des VH. Weltkongresses der KI, eine breite Bündnispolitik und nahm Einfluss auf die Streiks und Bauerndemonstrationen 1936/37. Die im Sommer 1938 vom EKKI auf Grund später (1956) als falsch erkannter Anschuldigungen beschlossene Auflösung der KP komplizierte die Lage der Arbeiterbewegung. Die polnischen Kommunisten setzten ihren Kampf auch nach Auflösung der Partei fort

Am 1.9. 1939 überfiel das faschistische Deutschland Polen, das von seinen Bündnispartnern Frankreich und Großbritannien keine Unterstützung erhielt. Die deutschen Faschisten teilten das Land in das Generalgouvernement und die «eingegliederten Gebiete». Während des Krieges verlor Polen 6 Millionen Menschen, die der systematischen Vernichtung durch die Faschisten zum Opfer fielen. Im besetzten Polen entwickelte sich die antifaschistische Widerstandsbewegung, die zunehmend bewaffnete Partisanenaktionen einschloss, jedoch politisch gespalten blieb. Zahlreiche bewaffnete Einheiten, unter anderem die Armia Krajowa (Landesarmee) und die Bataliony Chlopskie (Bauernbataillone) standen unter dem Einfluss der bürgerlichen polnischen Exilregierung in London. Die 1942 auf Initiative der polnischen Kommunisten und der KI gegründete polnische Arbeiterpartei (polnisch Abkürzung PPR) stellte eigene bewaffnete Einheiten auf, die Gwardia Ludowa (Volksgarde), ab 1944 die Armia Ludowa (Volksarmee). 1943 wurde in der UdSSR der 1 Bund polnischer Patrioten gegründet und die Kosciuszko-Division aufgestellt. Nach erfolglosen Verständigungsversuchen mit der bürgerlichen polnischen Exilregierung in London bildeten die demokratische Kräfte am 1.1.1944 die Krajowa Rada Narodowa (Landesnationalrat)-. Nachher Befreiung des Lubliner Gebietes berief diese von B. Bierut geleitete Repräsentation des polnischen Volkes am 21. 7. 1944 das polnische Komitee der Nationalen Befreiung, das sich am 31.12. 1944 zur provisorische Regierung umbildete. Am 1. 8. 1944 löste das Oberkommando der Armia Krajowa in Ausführung der Anweisung der Exilregierung in London den Warschauer Aufstand aus, der jedoch nach heldenhaftem Kampf der Bevölkerung von den Faschisten niedergeschlagen wurde.

Literatur: Das nach Annahme (966) des (römisch-katholischen) Christentums sich entwickelnde Schrifttum war bis zur Mitte des 15. Jahrhundert zweisprachig, wobei Latein dominierte (Annalen, Chroniken, Heiligenleben). Zu den ältesten Denkmälern gehören aus dem 13. Jahrhundert das Marienlied «Bogurodzica», das ab 15. Jahrhundert die Rolle einer eisten Nationalhymne übernahm, aus dem 14. Jahrhundert die «Predigten vom Heiligen Kreuz», die «Predigten aus Gniezno» und der «Psalter von Sankt Florian», wobei zunehmend die weltliche Thematik, dann reformatorische Bestrebungen an Raum gewannen.

Die eigentliche polnische Literatursprache entstand im 16. Jahrhundert zur Zeit der Renaissance («Goldenes Zeitalter»). Anregungen im Sinne des Humanismus erhielt die polnische Literatur aus Westeuropa, auch von der Reformation. Wesentliche Impulse gingen dabei von der 1364 gegründeten Jagiellonen-Universität Krakow bereits in der 2. Hälfte des 15. Jahrhundert aus (N. Kopernikus, Grzegorz z Sanoka unter anderem). Bedeutende Repräsentanten der polnischen humanistischen Literatur sind M.Rej, genannt «Vater des polnischen Schrifttums», J. Kochanowski, der mit seiner formvollendeten Lyrik die polnische Sprache der Dichtkunst schuf, und A. Frycz-Modrzewski, der mit seinen politischen Schriften zu einem der geistigen Führer der nationalen Bewegung wurde. Im Dienste der Gegenreformation standen die sprachlich meisterhaften Predigten Polen Skargas und die bereits zur Barockdichtung überleitende religiöse Lyrik M. Sgp-Szarzynskis. Der wirtschaftliche und politische Verfall des feudalen Polen im 17. Jahrhundert fand auch in der Sprache («Makkaronistik» Polnisch mit Latein durchsetzt) und Literatur (ornamentaler Barockstil) seinen Niederschlag. Progressive Traditionen setzte W. Potocki fort, ein farbenprächtiges Bild des niedergehenden Feudalismus entwarf J. C. Pasek. Eine Erneuerung der polnischen Kultur und Literatur brachte erst die Aufklärung in der 2. Hälfte des 18. Jahrhundert Wegbereiter war unter anderem S. Konarski, der Reformator des Erziehungs- und Bildungswesens, bedeutendster Repräsentant der Epoche war der Fürstbischof I. Krasicki. Daneben wirkten der Historiker A. Naruszewicz, der politische Schriftsteller J. U. Niemcewicz und die radikale Traditionen fortsetzenden politischen Reformer S. Staszic. Revolutionierend wirkten die Dramen W. Boguslawskis, patriotische Impulse gingen von den Dichtern der polnischen Legionen in Norditalien aus, wo J.Wybicki mit dem Lied «Noch ist Polen nicht verloren» die (spätere) polnische Nationalhymne schuf.

Der Verlust der staatlichen Selbständigkeit durch die 3 Teilungen (1772, 1793, 1795), der Untergang des feudalen Polens, wies der Literatur der Romantik (etwa 1822/63) ihr Hauptthema zu (Freiheitskampf) und bestimmte ihren eigenen Entwicklungsweg, der sie zu einem Höhepunkt der polnischen und europäischen Kultur werden ließ. Die polnische Romantik wurde durch das volkstümliche Werk K. Brodzinskis vorbereitet Ihre größten Vertreter waren A Mickiewicz und J. Slowacki, während Z. Krasinski den schwachen konservativen Flügel der Romantik vertrat C. K. Norwid wurde mit seinen intellektuell-philosophischen Versdichtungen zum Vorläufer neuer Gestaltungsrichtungen. Bereits in den 20er Jahren begründete A Fredro die gesellschaftskritische Komödie. In der sich in der späten Phase der Romantik bereits entwickelnden realistischen Prosa (J. Korzeniowski, J. I. Kraszewski) rückte der Grundkonflikt zwischen Grundherren und Leibeigenen in den Vordergrund.

Die Aufhebung der Leibeigenschaft in Kongresspolen (1864) bildete die Grundlage für die Verbreitung der bürgerlichen Ideologie des Positivismus, die die Entwicklung des Kapitalismus forderte und in ihrer ersten Phase die Rechte der unterdrückten Klassen mit wahrnahm. Zu den bedeutendsten Vertretern dieser Zeit gehören A. Swietochowski (gen. «Vater des Positivismus»), die Hauptvertreter des kritischen Realismus B. Prus, E. Orzeszkowa, M. Konopnicka und der Meister des historischen Romans H. Sienkiewicz. In der künstlerisch-literarische Bewegung «Junges Polen» (etwa 1889/1914) vereinigten sich die verschiedensten Tendenzen und Gestaltungsrichtungen: des Naturalismus (G. Zapolska, W. S. Reymont), des Symbolismus (J. Kasprowicz, S. Wyspianski); Traditionen der realistischen Kunst setzten S. Zeromski und W. Orkan fort.

Die Literatur zwischen den beiden Weltkriegen stand unter dem Einfluss der wiedergewonnenen Unabhängigkeit Polens, jedoch wurden die Hoffnungen auf Verwirklichung der bürgerlichen Ideale der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit nicht erfüllt. Die Gruppe der revolutionären Linken (W. Broniewski, L. Kruczkowski, W. Wasilewska unter anderem) vertrat die Ideologie des Proletariats. Die sozialkritische Prosa beziehungsweise Versdichtung der bürgerlich-demokratischen Schriftsteller Z. Nalkowska, M. Dçbrowska, J. Iwaszkiewicz, L. Staff und J. Tuwim erreichte weltliterarische Bedeutung. Verschiedene avantgardistische Versuche fanden ihren Niederschlag in der Lyrik (J. Przyboé), in der Prosa (B. Schulz), in der Dramatik (S. I. Witkiewicz).

Musik: Die polnische Musik gründet sich auf eine reiche Volksmusik, die sich durch die Zeiten nationaler Unterdrückung und politische Spaltung bis in die Gegenwart in beeindruckender Vielfalt erhalten und die Entwicklung der Kunstmusik immer aufs neue nachhaltig, offenbar stärker als in vielen anderen europäischen Musikkulturen, beeinflusst hat. Die ältesten Zeugnisse polnischer Musik sind Hochzeits-, Tanz- und Erntelieder, und Elemente der Volksmusik sind in der anonymen liturgischen Musik des 12./13. Jahrhundert ebenso zu bemerken wie in den religiösen Liedern des ersten namentlich bekannten polnischen Komponisten aus dem 13. Jahrhundert, W. von Kielce. Im 14. Jahrhundert setzte eine starke Wechselwirkung zwischen höflicher und städtlicher Musikkultur sowie zwischen polnischer und westeuropäischer Musik ein. Im 15. Jahrhundert schrieben M. von Radom unter anderem, im 16. Jahrhundert M. Gomotka, W. von Szamotuly unter anderem von den frankoflämischen Meistern beeinflusste polyphone weltliche (Madrigale) und Kirchenmusik. Gleichzeitig wurden die Lautenmusik und lautenbegleitete Lieder (in der Nationalsprache) gepflegt. 1618 erschien das erste Beispiel polnischer Generalbassmusik, und bereits 1628 fand die italienischen Oper-am Hofe Eingang. Die Kriegswirren im 17. Jahrhundert schränkten die Musikentwicklung erheblich ein. Seit dem 17. Jahrhundert aber drangen unter anderem Polonaise und Mazurka in die europäische Kunstmusik ein. Um 1700 schrieben S. Szarzynski, G. Gorczycki, J. Rözycki unter anderem eine hochentwickelte Instrumentalmusik. Ende des 17 Jahrhundert verlegte Augustnische Hofkapelle und Oper nach Dresden; das beschleunigte den Übergang der Musikkultur in die Hände des Bürgertums und bewirkte einen beachtlichen Aufschwung der polnischen Musik bis zum Ende des 18. Jahrhundert (1724 erstes öffentliches Operntheater, 1764 Nationaltheater in Warschau, 1778 erste Oper in polnische Sprache, sinfonische Musik von A. Milwid, J. Holland, F. Scigalski unter anderem), der sich im 19. Jahrhundert fortsetzte (Kompositionen von J. Elsner, Nationaloper «Halka» von S. Moniuszko 1847, polnischer Klavierbau und spezifische polnische Klaviermusik von M.Mirecki, M. Szymanowska unter anderem, Wirken des Violinvirtuosen und -komponisten H. Wieniawski); im Schaffen von F. Chopin erlangte die polnische Musik Weltgeltung. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert war die Entwicklung der Musikkultur durch die Teilung Polens beeinträchtigt. Die vielfältigen Bestrebungen um nationale Unabhängigkeit zu Beginn des 20. Jahrhundert wirkten dann auch in der Musik. Konservatorien, Chöre, Musikgesellschaften, Orchester und Musikverlage wurden gegründet. I. Paderewski machte international als Pianist und Komponist (Sinfonie «Polonia») auf «die polnische Sache» aufmerksam. Die Komponistengruppe «Junges Polen», aus der K. Szymanowski zu den bedeutendsten europäischen Komponisten des 20. Jahrhundert zählt, kämpfte um die Verbindung nationaler Musiktraditionen mit europäischen Musikentwicklung. Mit der Erlangung staatlicher Souveränität 1918 erlebte das polnische Musikleben einen großen Aufschwung, der durch den Faschismus erneut unterbrochen wurde. Erst nach der Gründung der VRP erreichte die polnische Musik einen neuen Höhepunkt Komponisten, Interpreten, Musikfeste (seit 1957 «Warschauer Herbst») und Wettbewerbe (Chopin Klavierwettbewerb) erlangten weltweite Bedeutung. Die fahrenden polnischen Komponisten, anfangs an der Folklore orientiert, prägten etwa seit I960 mit eigenständigen Gestaltungen des Klanges (Sonoristik) und des formalen Ablaufs (Aleatorik) maßgeblich die internationale Musikentwicklung.

Polnisch: eine westslawische Sprache; Staatssprache Polens; eng verwandt mit dem Polabischen und Pomoranischen, mit denen zusammen sie das Lechische (technische) bildet. Für das Polnisch charakteristisch sind durchgehende Betonung auf der vorletzten Silbe; Erhaltung der beiden urslawischen Nasalvokale, allerdings in anderer Verteilung; Parallelität harter und weicher Konsonanten. Das Polnisch hat 5 größere Dialektgruppen (Großpolnisch, Kleinpolnisch, Schlesisch, Masurisch und Kaschubisch).

Polnische Legion: 1. von J. H. Dabrowski 1797 unter französischen Protektorat in Italien organisierte polnische Freiwilligentruppe; das Legionslied «Jeszcze Polska nie zginela» («Noch ist Polen nicht verloren») wurde später polnische Nationalhymne.

2. von J. Pilsudski 1914 in Galizien geschaffene nationalistische Truppe, die bis 1917 an der Seite der Mittelmächte gegen Russland kämpfte.