Orient

Orient: zunächst die Himmelsgegend, in der die Sonne scheinbar aufgeht; dann, im Gegensatz zum Abendland, das Morgenland, das nach der Teilung des römischen Reiches (395 nach Christus) das Byzantinische Reich umfasste; später ganz Vorder- und Mittelasien.

Orientale: Bewohner des Orients; früher auch Morgenländer genannt.

Orientalische Frage: Bezeichnung für alle Konflikte zwischen europäischen Großmächten, die im Zusammenhang stehen mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches und der sich verstärkenden nationalen Befreiungsbewegung in Südosteuropa; 1822 in Verona auf dem Kongress der Heiligen Allianz geprägt.

Orientalische Krise: Bezeichnung für die Ereignisse 1875/77 auf der Balkanhalbinsel (Aufstände in Bosnien-Herzegowina und Bulgarien, Serbischen Türkischen Krieg) und die daraus entstandenen Konflikte zwischen den europäischen Mächten, namentlich zwischen Österreich Ungarn und Russland. Die Orientalische Krise führte zum Russischen Türkischen Krieg 1877/78.

Orientalistik, Orientkunde, orientalische Philologie: Wissenschaft von den Sprachen, Literaturen und Kulturen des Orients. Die Orientalistik geht in ihren Anfängen bis ins 12. Jahrhundert zurück, in dem die Begegnung des christlich-lateinischen Europa mit der islamischen-arabischen Welt stattfand (Kreuzzüge). Das Studium des Hebräischen wurde Ende des 15. Jahrhundert von J. Reuchlin begründet. Händler, Reisende, Missionare, Kolonialbeamte und Gelehrte bereicherten in den folgenden Jahrhunderten ihren Zwecken entsprechend die Kenntnisse über den Orient. H. Ludolf machte Anfang des 18. Jahrhundert das Altäthiopische in Europa bekannt. Durch die Missionstätigkeit im Fernen Osten begann Ende des 18. Jahrhundert die Beschäftigung mit dem Chinesischen; etwa zur gleichen Zeit erforschte der Engländer W. Jones als einer der ersten das Sanskrit. Wesentliche weitere Schritte waren die Entzifferung der Keilschrift und der Hieroglyphen. Die Vielzahl der Sprachen und ein durch reiche Quellenfunde gefördertes Anwachsen der Forschungsthematik führte namentlich im 20. Jahrhundert zur Aufspaltung der Orientalistik in zahlreiche Einzeldisziplinen: Ägyptologie, Assyriologie, Semitistik, Hebraistik, Arabistik und Islamwissenschaft, Turkologie, Mongolistik und Altaistik, Iranistik, Indologie, Sinologie, Japanologie, Afrikanistik und viele kleinere Gebiete. Dem Anliegen der Orientalistik entsprechen auch die Asien- und Afrikawissenschaften, die hauptsächlich die historische, ökonomische Staats- und Völkerrecht, soziologische und ideologische Entwicklungen der Länder Asiens und Afrikas in neuer und neuester Zeit untersuchen.