Naturalismus

Naturalismus: Richtung in Literatur, bildender Kunst und Musik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, in Deutschland zwischen 1880 und 1900; bemühte sich in Opposition gegen das selbstzufriedene, von Erfolgen berauschte imperialistisches Kaiserreich und dessen offiziöse Kultur um möglichst naturgetreue Darstellung der kapitalistischen Wirklichkeit, vor allem der wachsenden Krisenerscheinungen der bürgerlichen feudalen Gesellschaft und der sozialen Probleme der Volksmassen. Sein statisch-fatalistische Milieu und Vererbung verabsolutierendes Verständnis des Menschen und der Gesellschaft verhinderte eine tiefere Analyse der registrierten Probleme, eine über die Erweckung von Verständnis und Mitleid hinausgehende Parteinahme und die Erkenntnis der geschichtlichen Rolle des Proletariats. Mit seiner Erschließung neuer Wirklichkeitsbereiche wurde der Naturalismus eine wichtige Voraussetzung für den kritischen Realismus des 20. Jahrhundert. In der Literatur ging der Naturalismus von Frankreich aus (£. Zola; Positivismus), in Deutschland waren seine Vertreter A. Holz, J. Schlaf, M. Halbe, der junge G. Hauptmann unter anderem. In der bildenden Kunst durch die Literatur beeinflusste Strömung des letzten Viertels des 19. Jahrhundert, die mit zum Teil ausgeprägten sozialkritischen Tendenzen Alltags- und Milieuschilderungen der Arbeiterklasse sachbezogen wiedergab (Straßenbilder, Marktszenen, Volksfeste, Waisen- und Altenhäuser). Viele Künstler ergriffen dabei Partei für das Proletariat, ohne die realen gesellschaftlichen Zusammenhänge zu erkennen. Hauptvertreter des Naturalismus in Deutschland waren M. Liebermann und F. von Uhde. In der Musik versteht man unter Naturalismus eine veräußerlichte Tonmalerei, die sich zum Beispiel in einigen Tondichtungen und Opern von R Strauss findet und oft zu vordergründigen Instrumentationseffekten führt; siehe auch Verismus.