Moral

Moral: (lateinisch mores, «Sitten», «Gewohnheiten») Bereich des Bewusstseins, des Verhaltens und der Beziehungen der Menschen, der wesentlich durch den Gegensatz der ethischen Grundbegriffe Gut und Böse bestimmt ist. Soziale Typen von Moralvorstellungen (zum Beispiel Sklavenhalter-Moral, Moral der Arbeiterklasse) bringen zum Ausdruck, welches Verhalten den historischen Interessen dieser oder jener sozialen Gruppe (besonders Klasse) ent- oder widerspricht. Moral. Verhaltensideale und Wertvorstellungen (Moralprinzipien und -normen, Auffassungen von moralischer Verantwortung, Pflicht, Ehre, Schuld unter anderem) dienen stets der geistig-praktischen Eingliederung der Menschen in eine bestimmte soziale Einheit beziehungsweise ihrer Unterordnung unter deren Interessen. Moralsysteme enthalten sowohl an mehrere historischen Gesellschaftsformationen oder Klassen wie auch an einzelne Entwicklungsabschnitte von Gesellschaftsformationen oder Klassen gebundene Elemente. Besonderheiten ergeben sich aus (oft überlieferten) ökonomischen, politischen und geistig kulturellen Unterschieden. Inhaltliche Veränderungen sind vor allem abhängig von (national wie international) bedeutsamen Veränderungen der objektiven Lage und der Interessen der Klassen (zum Beispiel durch soziale Revolutionen, die internationale Systemauseinandersetzung, wissenschaftlich-technische und ökonomische Umwälzungen). Letztlich determinieren die grundlegenden ökonomischen Verhältnisse die sozialen Grundinteressen und damit die Moral Allgemeinere Interessen und ihnen entsprechende moralische Forderungen sind typspezifisch ein- beziehungsweise untergeordnet bedingen jedoch Momente der Kontinuität und des Zusammenwirkens. So ist die Erhaltung des Friedens in der Gegenwart Forderung verschiedener Moraltypen. Die Entwicklung der Moral verläuft in dialektisch widersprüchlichen Prozessen, in denen die jeweils tragenden sozialen Kräfte Änderungen der objektiven Klasseninteressen reflektieren und unter anderem als (neue) moralische Ansprüche geltend machen. Dieser gesellschaftliche Suchprozess schließt individuelle und kollektive Erfahrungen, Literatur, verschiedene Wissenschaften, Entwicklungen in Berufen, in der Familie unter anderem ein; er verläuft sowohl spontan als auch bewusst. Die Herausbildung eines Moraltyps ist nie identisch mit seiner Herrschaft in der jeweiligen Klasse oder gar Gesellschaft. Das Verhältnis der Individuen zu der objektiv ihre sozialen Grundinteressen ausdrückenden Moral hängt wesentlich von ihren weltanschaulich-politischen Grundpositionen ab. Die Moralentwicklung der Individuen vollzieht sich innerhalb ihrer gesamten weltanschaulichen und Persönlichkeitsentwicklung (eingeschlossen Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten, Willensqualitäten). Moralvorstellungen des einzelnen werden (stets gemeinsam mit juristischen, politischen, ökonomischen und anderen gesellschaftlichen Regulativen sowie biologische Komponenten) als subjekteigene geistige Orientierungs-, Trieb-, Kontroll- und Sanktionskräfte (Gewissen) im Entscheiden und Handeln wirksam. Die bürgerliche Moral kann sowohl auf humanistischen Engagement wie auf kapitalistischen Privateigentum, Ausbeutung und Krieg orientieren. Das führt besonders in der allgemeinen Krise des Kapitalismus zu Moralzerfall. Die bürgerlich-demokratische, humanistische Moral widerspricht wesentlich der Moral militaristisch-faschistoider Kräfte. Die Arbeiterklasse bildet eine historisch neue Moral heraus. Im Sozialismus reflektiert sie in dieser ihre Stellung als gesellschaftlicher Eigentümer, Produzent und machtausübende Klasse. Das persönliche Erfahren der grundlegenden Übereinstimmung der Interessen aller Werktätigen sowie sozialistische weltanschauliche Bildung und Erziehung sind wesentliche Voraussetzungen für die Reproduktion und Verbreitung sozialistische Moral. Die Wissenschaft von der Moral ist die Ethik.

Moralisieren: ungerechtfertigtes, überzogenes, mit der Wirklichkeit nicht zu vereinbarendes moralisches Fordern und Werten.

Moralismus: abwertende Bezeichnung für das Geltend machen angeblich übergeschichtliche Moral (-normen); auch übertriebene Erwartung von der Wirkung der Moral.

Moralist: Sittenlehrer, Moralphilosoph; Künstler, Philosoph, Lehrer und so weiter, der sich für eine bestimmte Moral besonders einsetzt; Moralisten im engeren Sinne sind die Vertreter der französischen (J. de La Bruyère, F. de La Rochefoucauld, S. Chamfort) und der englischen (S. Butler, F. Hutcheson, A Shaftesbury) Aufklärung; im abwertenden Sinne Moralprediger.

Moralität:

1. Dramatik: spätmittelalterliche volkstümlich-didaktische Form des Schauspiels, deren Figuren zumeist allegorische Verkörperungen von Tugenden und Lastern sind; im 14./15. Jahrhundert weitgehend in religiösen Moralvorstellungen befangen, verweltlichte die Moralität im 16. Jahrhundert unter dem Einfluss des Humanismus (zum Beispiel die englischen Moralität «Everyman»; in der Bearbeitung von H. von Hofmannsthal als «Jedermann» bekannt).

2. Philosophie: Eigenschaft von Überlegungen, Gefühlen, Verhaltensweisen, bestimmten Moralprinzipien und -normen mehr oder weniger zu entsprechen.

Moralprinzip: allgemeinste, oberste Norm einer Moral, an der untergeordnete Normen, konkretisierende Forderungen und Wertungen orientiert werden; Maxime sozialistischen Moralprinzip orientieren auf persönlichen Einsatz für die historische Mission der Arbeiterklasse und den gesamtgesellschaftlichen Fortschritt, auf den sozialistischen Humanismus.