Materialismus

Materialismus: philosophisch-weltanschauliche Grundrichtung, die davon ausgeht, dass die Materie gegenüber dem Bewusstsein (Denken, Geist, Idee) das Primäre, Grundlegende, Bestimmende ist und damit die Grundfrage der Philosophie im Gegensatz zum Idealismus materialistisch beantwortet. Der Materialismus ist so alt wie die Philosophie selbst. Im Gegensatz zum religiös-mythologischen, idealistischen Denken, das die Welt auf das Wirken übernatürlicher Kräfte zurückzuführen versucht, entstand der Materialismus in dem Bemühen, die Welt, alle Erscheinungen, Zusammenhänge und Prozesse auf natürliche Weise, aus natürlichen Ursachen zu erklären; er war daher von Anfang an eng mit der Wissenschaft verbunden. Die Geschichte der Philosophie zeigt, dass der Materialismus im Prinzip geistiger Ausdruck der Bestrebungen progressiver Klassen, Schichten und Bewegungen ist. Im Kampf mit dem Idealismus und in enger Wechselwirkung mit dem einzelwissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt durchlief der Materialismus eine Reihe Entwicklungsstufen. Erste materialistische Anschauungen entwickelten sich lange vor Christus in Indien und China. In systematischer Form entstand die materialistische Philosophie im antiken Griechenland (6. Jahrhundert vor Christus). Thaies, Anaximander, Heraklit, Empedokles unter anderem versuchten, die Gesamtheit der Erscheinungen auf einen Urstoff, eine allem zugrunde liegende Urmaterie zurückzuführen und damit die Welt aus sich selbst zu erklären. Der antike Materialismus fand seinen Höhepunkt in der Atomistik Demokrits, nach der die gesamte Welt aus letzten, unteilbaren Bausteinen, Atomen, bestehe. Obwohl im geistigen Leben des Mittelalters Religion und Theologie vorherrschten, gingen die Ideen des Materialismus nicht unter. insbesondere anknüpfend an Fragestellungen des Aristoteles, zum Beispiel nach dem Verhältnis von Materie und Form sowie zwischen Allgemeinbegriffen und existierenden Einzeldingen, wurde materialistisches Denken weiterentwickelt und begann in Gestalt des Nominalismus (Universalienstreit) sowie des Pantheismus die Theologie zu zersetzen. Eine neue Blütezeit des Materialismus setzte mit der Herausbildung der kapitalistischen Gesellschaftsformation ein; der Materialismus wurde geistiger Ausdruck der Ziele der aufstrebenden Bourgeoisie im Kampf gegen den Feudalismus. In der Auseinandersetzung mit dem scholastischen Denken des Mittelalters erhob der englischen Materialismus (F. Bacon, T. Hobbes, J. Locke) Erfahrung, Beobachtung und Experiment zu den wichtigsten Mitteln der Naturerkenntnis. Darauf aufbauend, entwickelten die französischen Materialisten (J. 0. de La Mettrie, P. T. d’Holbach, C. A. Helvetius, D. Diderot) den Materialismus zu einer umfassenden philosophischen, insbesondere an der klassischen Mechanik orientierten Weltanschauung, nach der die Welt ein Gesamtsystem materieller, sich in Raum und Zeit nach den Gesetzen der Mechanik bewegender Körper ist (mechanischer Materialismus). Der vormarxistische Materialismus erreichte seine höchste Entwicklungsstufe in der Philosophie L. Feuerbachs und den Anschauungen der russischen revolutionären Demokraten (W. G. Belinski, A. I. Herzen, N. G. Tschernyschewski unter anderem). L. Feuerbach erweiterte und vertiefte das naturwissenschaftliche und erkenntnistheoretischen Fundament des Materialismus, überwand jedoch nicht dessen entscheidende Schwächen: seinen unhistorischen Charakter, seinen Mechanizismus und sein Unvermögen, die materialistische Grundanschauung auf die Erklärung der menschlichen Gesellschaft anzuwenden. Der Vulgärmaterialismus, auch physiologische Materialismus genannt, der Naturwissenschaftler beziehungsweise Mediziner K Vogt, J. Moleschott und L. Büchner verflachte die Ideen der französischen Materialisten und L. Feuerbachs und lehnte die Dialektik und revolutionäre Umwälzungen ab. Da der bürgerlichen Materialismus unfähig war, die praktische menschliche Tätigkeit materialistisch zu erklären und die Rolle der gesellschaftlichen Praxis zu begreifen, blieb er beschaulich-kontemplativ und erwies sich als ungeeignet, Anleitung zur praktischen Veränderung der Welt zu sein. Die russischen revolutionären Demokraten überwanden diese Schwächen teilweise, indem sie den Materialismus mit dem revolutionären Kampf verbanden und mit der Dialektik zu vereinigen suchten. Es gelang ihnen jedoch nicht, den entscheidenden Schritt zum materialistischen Verständnis der Gesellschaft zu vollziehen. Das erfolgte durch K. Marx, F. Engels und W. I. Lenin mit der Ausarbeitung des dialektischen und historischen Materialismus. Auf der Grundlage der Vereinigung von Materialismus und Dialektik und der Ausdehnung der Prinzipien des Materialismus auf die Gesellschaft beantworten sie die Grundfrage der Philosophie erstmalig in der Geschichte des philosophischen Denkens allseitig und konsequent materialistisch. Entscheidend dafür war das dialektische-materialistische Begreifen der gesellschaftlichen Praxis, insbesondere der Rolle der Arbeit bei der Entstehung und Entwicklung des Bewusstseins wie auch der materiellen gesellschaftlicher Verhältnisse, die die Basis der geschichtlichen Entwicklung bilden. Als dialektischen und historischen Materialismus wurde der Materialismus wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Parteien, Instrument der wissenschaftlichen Erkenntnis und revolutionär-praktischen Veränderung der Welt.

Materiell: (französisch) 1. geld- und sachwertbezogen; wirtschaftlich; auf wirtschaftliche Vorteil bedacht.

2. außerhalb und unabhängig vom Bewusstsein existierend und durch dieses erkennbar (Materie).

Materielle Einheit der Welt: Kurzformel für die Erkenntnis des dialektischen und historischen Materialismus, dass die Einheit der Welt in ihrer Materialität besteht, das heißt, dass alles Existierende Entwicklungsform oder -produkt der Materie ist. Diese Erkenntnis stützt sich auf eine Vielzahl von Ergebnissen der Natur- und Gesellschaftswissenschaften und der Philosophie selbst. Die marxistisch-leninistische Philosophie ist konsequenter materialistischer Monismus, da sie auch das ideelle menschliche Bewusstsein als (qualitativ besonderes) Entwicklungsprodukt der in Gestalt des menschlichen Zentralnervensystems hoch organisierten Materie erklärt und erstmalig in der Geschichte der Philosophie die politische, rechtlichen und anderen ideologischen Verhältnisse, Institutionen und Bewusstseinsformen aus den ihnen zugrunde liegenden materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen begreift.

Materielle Interessiertheit: Prinzip des sozialistischen Wirtschaftens, das sich aus den sozialistischen Produktionsverhältnissen ergibt; beruht auf dem materiellen Interesse der Gesellschaft und ihrer Mitglieder, die ständig wachsenden individuellen und gesellschaftliche Bedürfnisse rationell und immer besser zu befriedigen. Die materielle Interessiertheit ist eng mit dem Leistungsprinzip verknüpft. In den Kombinaten und Betrieben wird die materielle Interessiertheit durch die wirtschaftliche Rechnungsführung verwirklicht. Die Durchsetzung der persönlichen materiellen Interessiertheit erfolgt in der Hauptsache über Lohn, Arbeitseinheit und Prämie. Die materielle Interessiertheit muss eng mit den moralisch-ideellen Faktoren der Stimulierung verbunden werden. Ihre Einheit ist Voraussetzung dafür, bei allen Werktätigen die sozialistische Einstellung zur Arbeit zu vertiefen sowie das Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Gesellschaft weiter auszuprägen.

Materielle Verantwortlichkeit: materielles, meist finanzielles einstehen müssen einer (natürlichen oder juristischen) Person für einen Schaden, der einem anderen durch Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung eines Vertrages oder durch Verletzung von anderen Rechtspflichten entstanden ist; wird vor allem in Arbeits-, Wirtschafts- und Zivilrechtsverhältnissen wirksam. Im Arbeitsrechtsverhältnis wird die materielle Verantwortlichkeit des Werktätigen geltend gemacht, wenn er durch eine Arbeitspflichtverletzung dem Betrieb schuldhaft eine Minderung des ihm anvertrauten sozialistischen Eigentums verursacht hat, Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden besteht und die Anwendung der materiellen Verantwortlichkeit wegen der Gesamtheit der Umstände erforderlich ist. Bei fahrlässiger Schädigung des sozialistischen Eigentums ist die materielle Verantwortlichkeit beschränkt.