Lettland

Lettland: an der Ostsee; 63700 km2, 2,57 Mil1. Einwohner; 40 Einwohner/km2; Hauptstadt Riga.

Bevölkerung: 54% Letten, 33% Russen, 5% Belorussen, 3% Ukrainer und 5% Angehörige anderer Nationalitäten. Etwa 70% der Bewohner leben in Städten. Unter der Sowjetmacht erfolgte eine beträchtliche Verbesserung der Lebenslage. So stieg beispielsweise bis heute die Zahl der Arzte und Krankenhausbetten, auf 10000 Einwohner bezogen, im Vergleich zu 1940 um das 3,5- beziehungsweise 2,2fache. 1971/75 Einführung der zehnjährigen Schulpflicht. Etwa 60% der Bürger haben eine Hoch- beziehungsweise Mittelschulbildung (1939 18%).

Natur: Die Lettland SSR hat eine vom Inlandeis geformte Oberfläche mit zum Teil versumpften und vermoorten Niederungen im zentralen Teil an unterer Daugava, Gauja und Venta; Moränenplatten und Hügelländer breiten sich im Westen, Vidzerner (bis 312 m) und Latgaler Höhen im Osten aus. Die wenig gegliederte Ostseeküste greift mit der Rigaer Bucht tief in das Land ein. Es herrscht ein Übergangsklima vom ozeanischen zum kontinentalen Typ. Etwa 12000, meist kurze Flüsse (Hauptstrom Westlich Dwina); etwa 3000 Seen, besonders im Osten; zu knapp 40% bewaldet. Von den Bodenschätzen haben nur Torf und Baustoffe größere wirtschaftliche Bedeutung.

Geschichte: Die Bildung der ersten lettischen Fürstentümer erfolgte im 12. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert unterlag Lettland dem Schwertbrüderorden und wurde zusammen mit Estland von deutschen Feudalherren beherrscht; seit Ende des 15. Jahrhundert entwickelte sich die Leibeigenschaft. 1558/61 Beseitigung der Ordensherrschaft durch das russische Heer. Der Teil nördlich der westlichen Dwina kam an Polen-Litauen, das restliche Gebiet wurde als Herzogtum Kurland polnisches Lehen; im 18. Jahrhundert kam ganz Lettland an Russland; 1817/19 Aufhebung der Leibeigenschaft. Mit der industriellen Entwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert nahm die Arbeiterbewegung einen Aufschwung; 1904 Lettische Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet, die sich 1906 der SDAPR anschloss und 1914 mit der Partei der Bolschewiki vereinigte. Die Revolution 1905/07 erfasste ganz Lettland. 1917 siegte im nicht von deutschen Truppen (1. Weltkrieg) besetzten Teil Lettlands die Sowjetmacht; im Februar 1918 Okkupation ganz Lettlands durch deutsche Truppen; am 18.11.1918 Bildung der bürgerlichen provisorische Regierung Ulmanis; Dezember 1918/Januar 1919 abermals Sieg der Sowjetmacht, die im Mai 1919 wieder von Weißgardisten gestürzt wurde. Die 1920 gebildete KP Lettlands kämpfte bis 1940 in der Illegalität. 1920 Friedensvertrag mit Sowjetrussland; 1934/40 faschistische Regime in Lettland; 21.7.1940 Bildung der Lettland SSR, seit 5.8.1940 Unionsrepublik. Im 2. Weltkrieg wurde die Lettland SSR 1941 von faschistischen deutschen Truppen besetzt, im Mai 1945 vollständig durch die Rote Armee befreit. In den Nachkriegsjahren wurde die sozialistische Industrialisierung durchgeführt und 1950 die Kollektivierung der Landwirtschaft abgeschlossen. Siehe auch Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Geschichte).

Kunst: Die mittelalterliche lettische Kunst spiegelt die Mittlerrolle des Landes zwischen Osten und Westen wider, lediglich Volkskunst und Kunsthandwerk zeigen eigenständige Züge (Schmuck, Textilien, Keramik). In der Steinbaukunst, die um 1200 den traditionellen Holzbau ersetzt, wurden romanische und ab Ende 13. Jahrhundert gotische Formen aus Westeuropa übernommen, ehe sich Ende 14. Jahrhundert eine eigenständige Variante der Gotik entwickelte (Dom und St. Petri in Riga). In der bildenden Kunst des Mittelalters bestimmen die Arbeiten norddeutscher Werkstätten Malerei und Plastik (Fresken im Dom und St. Jakobi in Riga). Im 16. Jahrhundert dringen Renaissance- und Manierismus Formen ein (Schwarzhäupterhaus in Riga, Fassade 1620, rekonstruiert); in der 2. Hälfte des 17. Jahrhundert setzt sich der Barock durch, in dessen Bauten sich Strenge des Äußeren mit reicher Innenausstattung verbindet (Katharinenkirche in Kuldiga, Dannensternhaus in Riga unter anderem). Nach der Angliederung an Russland nähert sich auch die Kunst der russischen an. Seit Mitte 18. Jahrhundert setzte sich in Lettland der Klassizismus durch (Bauten von K. Haberland in Riga und Katakulu). Zahlreiche lettische Künstler erhielten ihre Ausbildung in Petersburg und arbeiteten dort. Um 1900 bildete sich eine ausgesprochen nationale Kunstschule heraus, Bedeutung erlangte auch die Bildhauerkunst und die Monumentalplastik. Die klassizistischen Architekturtraditionen wurden von J. Baumanis und K. Bohnstedt weitergeführt. Nach Errichtung der Sowjetmacht setzte sich der sozialistische Realismus in der bildenden Kunst durch. In jüngster Zeit haben vor allem Monumentalplastik (Mahnmale, Denkmäler), freie Graphik und Buchgraphik Bedeutung erlangt.

Literatur: Lange Zeit hemmte die Herrschaft deutscher Ordensritter und Feudalherren die Entwicklung einer eigenständigen lettischen Literatur; es entwickelte sich jedoch eine reiche Volksdichtung, vor allem die lettischen Volkslieder (Dainas). Lettische Schriftsteller traten nach der Aufhebung der Leibeigenschaft Mitte des 19. Jahrhundert mit der Aufklärer bürgerlich-nationalistischer Bewegung der Jungletten hervor. In den 90er Jahren des 19. Jahrhundert brach sich die sozialkritische, realistische Richtung Bahn. Der linke Flügel der Gruppe «Neue Strömung» machte sich um die Popularisierung sozialistischer Ideen verdient. Literarische Anerkennung fand um die Jahrhundertwende die Dichterin Aspazija; Vertreter demokratischer Traditionen und eines klassenbewussten Standpunktes waren E. Birznieks-Upitis, Sudrabu Edzus und A. Upits. Nach der Oktoberrevolution traten die fortschrittlichen Schriftsteller Lettlands, vor allem Upits, A. Arajs-Berce, Lettland Paegle, Lettland Laicens, V. Läcis und J. Sudrabkalns, auch während der Diktatur der Bourgeoisie für ein sowjetisches Lettland ein. Mit der Wiederherstellung der Sowjetmacht (1940) gelangte die lettische Literatur zu schöpferischen Entfaltung. Höhepunkte der neuen lettischen Sowjetliteratur sind die großen Romane von V. Läcis und A. Upits. Im Rahmen der multinationalen Sowjetliteratur weist die moderne Sowjet, lettische Literatur in der Lyrik, Prosa und Dramatik eine große Vielfalt an Themen und Formen auf.

Musik: Die vorwiegend einstimmigen lettischen Volkslieder haben meist lyrischer Charakter. Volksinstrumente sind Kokle (eine Art Zither), Hirtenflöte, Hirtentrompete, Dudelsack unter anderem Seit der Mitte des 19. Jahrhundert entwickelte sich die lettische Kunstmusik, insbesondere das Chorlied. Die 1873 begründeten Sängerfeste wurden zu einem charakteristischen Bestandteil des lettischen Musiklebens. Zum Klassiker der lettischen Musik wurde um 1900 J. Vitols und zum Schöpfer der nationalen Oper Alfreds Kalnins. Mit der Errichtung der Sowjetmacht 1940 und in den Nachkriegsjahren blühte das Musikleben in Lettland weiter auf. Bedeutende lettische Komponisten der Gegenwart sind M. Zariijs, A. Skulte, M. Grinblat und J. Ivanovs, P. Dambis und P. Plakidis. International bekannt wurde der Dirigent A. Jansons. Musikalisches Zentrum des Lettlands ist Riga. Hier gibt es unter anderem eine Oper (gegründet 1913), ein Konservatorium (gegründet 1919) und eine Philharmonie (gegründet 1941). In Lettland besteht ein dichtes Netz von Musikschulen und Musikfachschulen.