Kiefer

Kiefer: 1. Kiefer (indogermanisch): Anatomie der Nahrungszerkleinerung dienende Hartgebilde im vorderen Verdauungskanal der meisten Tiere. Beim Menschen ist der Oberkiefer unbeweglich, der Unterkiefer durch die Kiefergelenke mit den Schläfenbeinen verbunden. Die Kiefer tragen die Zähne, sind ursprünglich paarig angelegt, verschmelzen aber noch vor der Geburt. Siehe auch Zwischenkieferknochen.

Kieferanomalien: Form- und Größenabweichungen im Kieferbereich mit Biss-, Gebiss- und Kiefer Unregelmäßigkeiten. Kieferanomalien werden meist durch das Zusammenwirken innerer (Vererbung, Keimschädigung, Sekretionsstörung) und äußerer (Kaufunktion, schlechte Angewohnheiten, vorzeitiger Zahnverlust unter anderem) Einflüsse verursacht. Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungsmöglichkeit (kieferorthopädisch oder stomato chirurgisch) sind abhängig von der Art und vom Schweregrad morphologischer und funktioneller Störungen. Die häufigsten Kieferanomalien sind: Schmalkiefer. Verengung des Kiefers, dabei Frontzähne häufig vorstehend (Prognathie); Kreuzbiss (ein- oder beidseitig): die unteren Zähne umfassen die oberen und hemmen das Oberkieferwachstum; frühzeitige Behandlung ist erforderlich; Vorbiss, Mesialbiss (Progenie): Vorbeißen der unteren Frontzähne, meist im Profil schon deutlich durch Kinnbetonung erkennbar; die kieferorthopädische Behandlung muss die gesamte Wachstumsperiode umfassen, eventuell schließt sich eine kieferchirurgische Korrektur an; Deckbiss-, die oberen Zähne sind nach innen geneigt, überdecken teilweise oder völlig die unteren Frontzähne und beißen mitunter auf den unteren äußeren Zahnfleischsaum; offener Biss-. Kieferschluss nur im Seitenzahngebiet; ursächlich 2 Formen:

a) rachitisch bedingt, infolge Deformierung des gesamten Gesichtsschädels sehr schwer korrigierbar;

b) durch Lutschen bedingt, günstige Behandlungsaussichten; im Milchgebiss heilt der offene Biss bei Abgewöhnen des Lutschens von selbst aus, im bleibenden Gebiss nur mit Hilfe kieferorthopädische Apparate; Diastema-, Lückenbildung zwischen mittleren Schneidezähnen durch Größenmissverhältnis von Zähnen und Kiefer; ein unechtes Diastema schließt sich nach Durchbruch der Eckzähne, das echte Diastema kann nur mit Hilfe kieferorthopädische (evtl. kombiniert mit Chirurg.) Maßnahmen beseitigt werden; Kopfbiss: senkrechtes Aufeinandertreffen der oberen und unteren Zähne, wobei die Höcker zusammenbeißen; ein besonderes Kennzeichen des Kopfbisses ist die starke Abnutzung (Abrasion); Rückbiss (Distalbiss): zu weites Zurückliegen des Unterkiefers gegenüber dem Oberkiefer. Normale Gebissverhältnisse können durch Tragen besonderer kieferorthopädische Apparate geschaffen werden; siehe auch Kieferorthopädie.

Kiefergelenk: vor dem Ohr liegende bewegliche Verbindung zwischen Unterkiefer und Schläfenbein.

Kieferhöhle, Sinus maxillaris: zu den Nasennebenhöhlen gehörender, mit Schleimhaut ausgekleideter Hohlraum im Oberkiefer.

Kieferklemme: beim Menschen Behinderung der Mundöffnung durch Gelenkveränderungen und entzündliche Vorgänge im Bereich der Kaumuskulatur und umgebender Weichteile (zum Beispiel erschwerter Weisheitszahndurchbruch). Mundöffnungsbehinderung durch Kaumuskelkrampf (oft erstes Symptom des Wundstarrkrampfes) wird Trismus genannt.

Kieferlose, Agnatha: im Wasser lebende ursprüngliche Wirbeltiere ohne Gesichtsschädel mit paarigen Gliedmaßen und Schuppen; die Chorda dorsalis bleibt lebenslang erhalten. Kieferlose besitzen ein rundes Saugmaul mit Raspelzähnen; rezent nur noch Inger und Neunaugen.

Kieferngewächse, Pinaceae: Familie der Nacktsamer; baum-, seltener strauchartige Nadelhölzer mit spiralig angeordneten, meist immergrünen Nadelblättern (an Langtrieben zum Beispiel bei Fichte und Tanne, an Kurztrieben zum Beispiel bei Zeder und Lärche) und eingeschlechtigen Zapfenblüten; die Samenzapfen bestehen aus großen verholzenden Samen- und kleinen Deckschuppen. Die Kieferngewächse umfassen 9 Gattungen mit über 200 Arten, zum Beispiel die Gattungen Tanne, Douglasie, Hemlocktanne, Fichte, Lärche, Zeder und Kiefer.

Kieferorthopädie, früher Orthodontie (griechisch): Teilgebiet der Stomatologie, das sich mit der Verhütung und Beseitigung von Gebiss- und Kieferanomalien befasst. Neben prophylaktische Maßnahmen (Aufklärung, Abgewöhnen von Lutschen unter anderem entwicklungsstörenden Angewohnheiten, muskuläres Training, Tragen von Mundvorhofplatten) erfolgt die Behandlung im Wesentlichen durch Einschleifen, Zahnentfernung und mit kieferorthopädischen Geräten. Diese Hilfsmittel können abnehmbar oder auch festsitzend gestaltet sein. Während ein Teil der kieferorthopädischen Geräte (zum Beispiel Dehnplatte) mechanisch auf die Zähne einwirkt, um Stellungsänderungen zu bewirken, versucht die Funktionskieferorthopädie Zahnstellungs- und Bissfehler durch Ausschalten von Störfaktoren der Lippen, Wangen und der Zunge mit Hilfe besonderer kieferorthopädischen Apparate (zum Beispiel Funktionsregler) und durch Schaffung physiologischer Reize über die Aktivierung der Muskeltätigkeit (zum Beispiel Aktivator) zu erreichen. Ziel der kieferorthopädischen Behandlung ist ein funktionelles und ästhetisches Optimum. Kinder, bei denen der Verdacht auf Entstehung von Kieferanomalien besteht, sollten frühzeitig (unter anderem im Rahmen kinderstomatologische Betreuung) einer kieferorthopädischen Beratung zugeführt werden. Die günstigste Behandlungsphase ist die Periode des Gebisswechsels.

Kiefersperre: Behinderung des Zahnreihenschlusses, zum Beispiel bei Kieferbrüchen, Verrenkungen oder akuten Gelenkentzündungen.