Kernfusion

Kernfusion, Kernverschmelzung: Vereinigung leichter Atomkerne zu einem schwereren Kern, eine exotherme Kernreaktion, bei der Bindungsenergie frei wird. Damit eine Kernfusion zustande kommt, müssen die reagierenden Kerne ihre elektrostatische Abstoßung, das heißt ihre Coulomb-Barriere überwinden. Die dazu notwendige Energie kann den Kernen in Beschleunigern oder durch hohe Temperatur übertragen werden. Die Kernfusion ist Energiequelle der Sonne unter anderem Fixsterne und findet dort bei Temperaturen von 107 bis 10 Kernfusion statt (siehe auch Proton-Proton-Reaktion, Bethe-Weizsäcker-Zyklus). Auch die Entstehung schwererer Kerne erfolgt durch Kernfusion. In der Wasserstoffbombe läuft die Kernfusion unkontrolliert ab. Die gesteuerte Kernfusion gilt als nahezu unerschöpfliche Energiequelle der Zukunft. Als Brennstoff dienen schweres Wasser aus den Ozeanen und Tritium, das aus Lithium gewonnen werden kann. In Plasma- oder Fusionsreaktoren wird schwerer Wasserstoff (Deuterium) und Tritium erhitzt, bis deren Kerne zu Heliumkernen verschmelzen (thermonukleare Reaktion). Dazu ist eine Plasmadichte entsprechend dem Lawson-Kriterium erforderlich. Der innere Druck des Plasmas muss von außen durch starke Magnetfelder kompensiert werden (Magnetfeldhalterung), zum Beispiel in Tokamaks. Die Kernfusion kann auch durch Laser-, Elektronen- oder Ionenstrahlen, die gleichzeitig aus möglichst vielen Richtungen auf ein Brennstoffkügelchen (kryogene Deuterium-Tritium-Kugeln) treffen, gezündet werden. Der Brennstoff wird etwa l000fach komprimiert. Die Trägheitskräfte halten dabei das Plasma während der Reaktionszeit zusammen (Trägheitshalterung).

Kernkraftwerk, Atomkraftwerk: Kraftwerk, in dem die Kernenergie ausgenutzt wird. Im Unterschied zum konventionellen Wärmekraftwerk dient ein Kernreaktor als Wärmequelle. Die dort freigesetzte Wärme wird direkt (zum Beispiel bei Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor) oder über Dampferzeuger den Turbogeneratoren zur Umwandlung in Elektroenergie zugeleitet. Gestaltung und Auslegung des Kernkraftwerks werden nicht unwesentlich vom eingesetzten Reaktortyp beeinflusst. Das Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor besitzt zum Beispiel 3 Kreisläufe. Der 1. oder Kühlkreislauf dient dem Wärmetransport von der Spaltzone des Reaktors zum Dampferzeuger. Er ist in mehrere parallele Schleifen mit je einer Hauptumwälzpumpe und je einen Dampferzeuger unterteilt und muss wegen Radioaktivität abgeschirmt werden. Der 2. oder Arbeitskreislauf schließt sich über den Sekundärteil der Dampferzeuger an und ist nicht radioaktiv. Er führt überhitzten Sattdampf (Druck 3 ... 6 MPa, Temperatur 250 ... 300°C) zum Turbogenerator. Der 3. Kreislauf kühlt den Kondensator und wandelt den Dampf wieder in Wasser um. Das Kernkraftwerk mit natriumgekühltem schnellem Brutreaktor verfügt über einen zusätzlichen Kreislauf. Er trennt den radioaktiven Kühlkreislauf mit Natrium von dem Dampf enthaltenden Arbeitskreislauf und enthält als Wärmeüberträger ebenfalls Natrium. Wegen der hohen Kühlmitteltemperaturen kann im Arbeitskreislauf Heißdampf gleicher Parameter erzeugt werden wie in modernen Steinkohlekraftwerken. Ein umfangreiches technisches System. Einrichtungen und Organisator: Maßnahmen gewährleistet auch bei Störfällen eine sichere und umweltfreundliche Beherrschung der Kernkraftwerke (siehe auch Sicherheitseinschluss). Bei Einsatz der Brutreaktoren können Kernkraftwerke die Elektroenergieversorgung der nächsten Jahrhunderte sichern. Das erste Kernkraftwerk ging 1954 in Obninsk bei Moskau mit einer Leistung von 5 MW in Betrieb.

Kernphysik: Teilgebiet der Physik, in dem der Aufbau der Atomkerne, die Eigenschaften ihrer Anregungszustände, die Gesetze ihrer Umwandlung bei Kernreaktionen und beim radioaktiven Zerfall ff Radioaktivität) sowie die Wechselwirkung der Nukleonen untersucht werden. In der experimentellen Kernphysik werden die Eigenschaften der Atomkerne (Massen, Radien, magnetische Momente, Drehimpulse, Zerfallseigenschaften) bestimmt. Eine große Rolle spielt die Untersuchung der Kernstruktur mit Geschoßteilchen aus Beschleunigern (Elektronen, Protonen, Deuteronen, a-Teilchen und so weiter) oder aus Kernreaktoren (Neutronen). Dabei erhält man Aussagen sowohl über die Kernkräfte als auch über die ganze Vielfalt der angeregten Kernzustände. Die theoretische Kernphysik beschäftigt sich mit der Entwicklung und mathematischer Beschreibung von Kernmodellen und Mechanismen von Kernreaktionen. Damit können messbare Größen berechnet werden, zum Beispiel Reaktionsquerschnitte oder Übergangswahrscheinlichkeiten, die mit experimentellen Werten verglichen werden können. Zentren der Kernphysik sind unter anderem CERN in Genf.

Kernspaltung: Kernreaktion bei schweren Atom-kernen, bei denen die elektrostatische Abstoßung der Protonen die anziehenden Kernkräfte kompensiert. Man unterscheidet spontane und induzierte Kernspaltung, letztere zum Beispiel durch Neutroneneinfang ausgelöst. Nach Eingang des Neutrons wird der Kern stark deformiert und zerfällt unter Energiefreisetzung in 2, selten 3 Bruchstücke, wobei außerdem 2 bis 3 Neutronen emittiert werden, die weitere Kernspaltung verursachen können (siehe auch Kettenreaktion). Der Energiegewinn erklärt sich daraus, dass die Bindungsenergie je Nukleon für mittelschwere Kerne etwa 1 MeV größer ist als für Uran. Die Kernspaltung wurde 1938 von 0. Hahn und F. Straßmann am Uran 235 entdeckt (Uranspaltung). Der Urankern zerfällt dabei zum Beispiel in einen Barium- und einen Kryptonkern; viele andere Spaltprodukte können entstehen, wobei sich ihre beiden Kernladungszahlen jeweils zu der des Ausgangskerns (92) ergänzen. Von der im Mittel je U-235-Spaltung entstehenden Energie von 200 MeV entfallen 168 MeV auf die kinetische Energie der Spaltprodukte; der Rest verteilt sich auf die Energie der Neutronen, der y-Quanten, der y- und ß-Strahlung der Spaltprodukte und der Neutrinos. Bei vollständiger Kernspaltung von 1 kg Uran 235 entstehen =2107 kWh; das ist etwa die Energiemenge, die bei der Verbrennung von 100001 Rohbraunkohle frei wird. Kernspaltung wird technisch in Kernreaktoren und bei Kernspaltungswaffen genutzt.