Juden

Juden: (lateinisch griechisch hebräisch) zunächst Angehörige des Stammes Juda; nach der Babylon. Gefangenschaft Bezeichnung für alle Israeliten. Heute sind unter dem Begriff Juden vor allem die Angehörigen einer Religion zu verstehen, deren Entwicklung mit der Geschichte der Israeliten verknüpft ist.

Geschichte: Seit dem 14. Jahrhundert vor Christus drangen Hirtenstämme von der Arabischen Halbinsel in Palästina ein. Um 1220 vor Christus lässt sich ein Stammesverband Israel durch einen ägyptischen Siegesbericht in Palästina nachweisen; die Israeliten behaupteten sich gegen die Hethiter, Kanaaniter und Philister; um 1000 vor Christus bildete sich ein einheitliches Reich unter den Königen Saul und David mit der Hauptstadt Jerusalem heraus. Es zerfiel nach König Salomo in 2 Reiche, Israel im Norden und Juda (Judäa) im S. 722 vor Christus wurde Israel von Assyrern, 587 Juda von Babyloniern unter Nebukadnezar II. erobert, Jerusalem zerstört und die Juden in die Babylon. Gefangenschaft geführt. Das Vorhandensein einer eigenen monotheistischen Religion gab ihnen im Exil starken geistigen Zusammenhalt, führte aber in der Folge zur immer stärkeren religiösen Absonderung von den anderen Völkern. 539 vor Christus kehrte ein Teil der Juden nach Juda zurück, das Rom 70 nach Christus endgültig unterwarf, den Tempel in Jerusalem zerstörte und nach dem Aufstand unter Bar Kochba 132/35 die Juden aus Palästina vertrieb. In jüdischen Gelehrtenschulen in Palästina und Babylonien entstand der Talmud. In Spanien und Nordafrika entwickelten sich unter islamischer Herrschaft bedeutende wissenschaftlicher jüdischer Zentren. Die zunächst freiwillige Ansiedlung der Juden in geschlossenen Stadtvierteln zahlreicher europäischer Städte (Gettos) erfolgte seit dem 13. Jahrhundert zwangsweise. Für die Feudalherren besaßen die Juden Bedeutung für den Fernhandel mit dem Orient, sie benutzten die Juden für ihre Finanzmanipulationen, erklärten sie für schuldig an der feudalen Ausbeutung und organisierten, um von den eigentlichen Ursachen, den gesellschaftlichen Widersprüchen, abzulenken, religiös motivierte Judenverfolgungen: 1099/1291 Dezimierung der jüdischen Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken, 1290 Vertreibung aus England, 1394 aus Frankreich; 1348/51 aus Anlass der Pest Pogrome in fast ganz Europa (starke Auswanderung aus deutschen Territorien nach Polen und Russland). Seit dem 13. Jahrhundert gab es zwangsbekehrte Juden (Maranen) in Spanien, von dort erfolgten 1492 große Vertreibungen nach Nordafrika und dem Orient. Der nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775/83) und die Französische Revolution von 1789 leiteten die bürgerliche Gleichberechtigung der Juden ein, die in Europa im 19. Jahrhundert formal vollzogen war, aber nur in den bürgerlichen Klassengrenzen verwirklicht wurde. Nach Pogromen im zaristischen Russland 1880/81 und 1904 erfolgte eine starke Auswanderung nach Westeuropa und den USA. Im Verlaufe des 19. Jahrhundert hatten sich die Juden in Europa und Amerika zunehmend dem Charakter der betreffenden Nation angepasst. Ende des 19. Jahrhundert entstand die nationalistische Bewegung (Zionismus) der jüdischen Bourgeoisie. Mit dem Imperialismus verstärkte die Bourgeoisie den Antisemitismus, um von den gesellschaftlichen Widersprüchen abzulenken. Sie nutzte die religiöse Rechtfertigung durch die Kirche und bediente sich zugleich der Rassenhetze bei den Judenverfolgungen. Die internationale und deutsche revolutionäre Arbeiterbewegung spielte bei der Bekämpfung des Antisemitismus eine hervorragende Rolle. Wesentlicher Ausdruck dafür war der IV. Parteitag der Sozialdemokratie 1893, auf dem A. Bebel den Klassencharakter des Antisemitismus nachwies. In unmenschlicher Weise verfolgte der deutsche Faschismus die Juden: 15.9.1935 «Nürnberger Gesetze», 9. 11.1938 Kristallnacht, 12./13. 2. 1940 erste Massendeportation von Juden aus Stettin (Szczecin), 16.10.1940 Befehl zur Anlage des Warschauer Gettos; im April 1943 heroischer Aufstand der Gettobewohner; am 16. 5.1943 völlige Zerstörung des Wohnviertels und Ermordung von 56000 jüdischen Bewohnern. Am 31.7.1941 wurde R. Heydrich mit der Durchführung der «Endlösung der Juden frage» beauftragt. In Konzentrationslagern wurden etwa 6 Millionen jüdische Männer, Frauen und Kinder auf grauenhafte Weise ermordet. Nach dem 1. und besonders nach dem 2. Weltkrieg erfolgte eine starke Einwanderung jüdischer Bürger nach Palästina; 1948 Proklamierung des Staates Israel. Zurzeit leben von insgesamt etwa 14,26 Millionen Juden 5,78 Millionen in den USA und etwa 3,4 Millionen in Israel. Während in den sozialistischen Staaten die Grundlagen für Antisemitismus und Rassismus beseitigt wurden, blieb in den kapitalistischen Staaten die Basis für ein Aufleben des Antisemitismus erhalten.

Jüdische Kunst: die Kunst des Volkes von Israel sowie all jene Kunst, deren Gegenstand von jüdischen Geist angeregt und getragen, aus den Quellen jüdischer religiöser, kultureller und geschichtlicher Überlieferung heraus gestaltet und letztlich nur innerhalb dieser Überlieferung zu begreifen ist. Ursprünglich (15. bis 12. Jahrhundert vor Christus) machten sich in der Entwicklung der jüdischen Kunst Einflüsse aus Kanaan und Assyrien, später (ab 6. Jahrhundert nach Christus) persische und hellenistische Einflüsse geltend. Von der jüdischen Kunst des Altertums ist wenig bekannt. Wie weit das religiös begründete Bilderverbot aus Furcht vor Götzendienst der Entwicklung der jüdischen Kunst im Wege stand, ist schwer zu sagen. Bereits in der Antike stand der Bilderfeindlichkeit eine ausgesprochene Bilderfreundlichkeit gegenüber; zuweilen verdrängte sie jene sogar vollkommen. Frühe Zeugen jüdischer Kunst sind die Tempel Salomons und von Herodes dem Großen in Jerusalem. Die Ausgrabungen der in der Römerzeit errichteten Synagogen (zum Beispiel in Dura Europos am oberen Euphrat) forderten Mosaiken und Wandmalereien zutage, die bekannte jüdische Symbole, biblische Szenen, Stern- und Tierbilder sowie Pflanzenornamente darstellen. Nach der Vertreibung aus ihrer Urheimat durch die Römer und während des gesamten Mittelalters fanden die Juden gelegentlich in Europa zur Sesshaftigkeit zurück, erlangten aber weder rechtliche noch soziale Sicherheit, die die Voraussetzung für die Entstehung einer eigenen kontinuierlichen künstlerischen Entwicklung bildet. Später erschwerte die Nichtaufnahme in die Zünfte die Entfaltung einer künstlerischen Tradition. Die aus dem Mittelalter bekannten Synagogen wurden häufig von Nichtjuden gebaut; die in Spanien von jüdischer Baumeistern errichteten Synagogen waren besonders prachtvoll und glichen bezüglich der architektonischen Schönheit den christlichen Gotteshäusern und wurden so, auch nach der Vertreibung der Juden, sofort als Kirchen verwendet. Erst im späten Mittelalter begegnen wir in allen jüdischen Niederlassungen Kunsthandwerkern, die sich jetzt der Ausschmückung der Thoraschreine, des Zubehörs der Thorarolle, der Synagogenleuchter und anderer Kultgeräte widmeten. Etwas früher hatte sich bereits eine jüdische Schrift- und Buchkunst entwickelt, die durch die Illuminierung der hebräischen Buchstaben besonderes Gepräge erhielt. War die Thora selbst von allen Verzierungen ausgeschlossen, so boten das Gebetbuch und insbesondere die zu Passah und Purim vorgesehenen Liturgien dem Künstler reiche Anregungen, diese auszumalen. In der Auseinandersetzung vor allem mit der christlichen Kirche trat die Symbolik der Buchillustrationen oftmals an die Stelle apologetische oder polemische Traktate. Es begann auch eine eigene Miniaturmalerei. Die Einführung des Druckes ließ die jüdische Holzschnitt- und Kupferstichkunst entstehen. Anwendung fanden diese auch zur Ornamentierung der Heirats- und anderer Urkunden. Erste jüdische Meister des Buchdrucks und der Buchkunst waren im 15. Jahrhundert die vorwiegend in Oberitalien tätigen Künstler Josua Salomo Soncino und sein Neffe Gerson Moses Soncino. Ihr Drucksatz ist bei Gebetbüchern, der Bibel, dem Talmud und anderen religiösen Schriften heute noch üblich. Nichtreligiöse Bücher wurden von ihnen ebenso typographisch gestaltet. In Osteuropa begann sich die jüdische Kunst mit der im 17. Jahrhundert einsetzenden Ausmalung von Synagogen zu entwickeln. Diese Kunst der Synagogenausmalung brachten dann rückwandernde Juden nach Deutschland. Wenn sich in Osteuropa die jüdische Kunst auch erst verhältnismäßig spät entwickelte, waren es gleichwohl ostjüdische Künstler (zum Beispiel El Lissitzky, M. Chagall, A. Kaplan), die in der neueren Zeit wesentlichen Leistungen der jüdischen Kunst erbrachten. Seit der Mitte des 19. Jahrhundert begegnen wir auch in Deutschland jüdische Künstlern und Architekten, die sich der Errichtung und Ausschmückung monumentaler jüdischen Kultbauten widmeten und hierin eine spezifisch jüdische Form der Kunst entwickelten. Zu ihren bedeutendsten Vertretern zählen die Bildhauer M. Antokolski und B. Elkan, der Maler M. Oppenheim und die Architekten L. M. Poliakoff und E. Mendelsohn. Viele der während der Zeit des Faschismus aus Deutschland wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum vertriebenen Künstler gelangten in ihren Emigrationsländern zu hohen Ehren.

Jüdische Literatur: Die jüdische Literatur entstand im 12. bis 7. Jahrhundert vor Christus in Palästina, entwickelte sich nach der Babylon. Gefangenschaft weiter und endete im l. Jahrhundert nach der Unterwerfung durch Rom. Von da an schrieben jüdische Schriftsteller in verschiedenen auch nichtjüdischen Sprachen (Arabisch, Spanisch unter anderem). Heute gilt der Terminus als Oberbegriff für die von jüdischen Schriftstellern in verschiedenen Sprachen geschriebenen Werke zu jüdischen Thematik.

Jüdische Musik: Nach der Bildung eines einheitlichen jüdischen Staates um 1000 vor Christus entwickelte sich eine vielfach gegliederte Musikkultur, die stark von der Ägyptens und des alten Vorderen Orients beeinflusst war. Von der streng geregelten Tempelmusik hob sich die am Königshofe gepflegte Musik und die Musik der Bauern und Handwerker ab. Im 5. Jahrhundert wurde neben dem psalmodischen Gesang der Hymnengesang in die Liturgie einbezogen. Nach der in römischer Zeit einsetzenden Massenauswanderung besonders nach Europa integrierten sich viele jüdische Musiker in die jeweilige Musikkultur. Mit den Ende des 19. Jahrhundert ersetzenden Massenrückwanderungen gelangten daher unterschiedliche Musiktraditionen nach Palästina. So ist die Musikkultur des 1948 gegründet Staates Israel sehr heterogen. Sie umspannt sowohl jahrhundertealtes Musik-Gut orientalischer Gemeinden als auch die in Europa entwickelte artifizielle Musik.

Jüdische Religion: Monotheismus, der sich selbst auf die göttliche Offenbarung zurückführt, die durch Moses beim Empfang des Gesetzes auf dem Berg Sinai vermittelt worden sei, darum auch mosaische Religion genannt; lehrt die Einzigartigkeit und Ausschließlichkeit ihres Gottes Jahwe, des Schöpfers der Welt und der Menschen, der sich das israelitische jüdische Volk auserwählt hat. Das Leben des Volkes und des einzelnen wird durch Gesetze genau geregelt. Die jüdische Religion ist durch ihre Gesetze stark ethisch und sozial bestimmt. Sie war in der Antike die einzige Religion, die Gottesabbildungen verbot.

Jüdischer Krieg: der 66/70 zwischen Rom und der Bevölkerung der römischen Provinz Juda (Judäa) geführte Krieg. Die Judäer kämpften gegen die römische Steuerlast, für die Freiheit ihrer Religion und gesellschaftliche Eigenständigkeit. Während die Pharisäer aus Furcht vor der Volksbewegung mit den Römern paktierten, führte die städtliche und ländliche Bevölkerung den Kampf bis zur Zerstörung Jerusalems im September 70 durch Titus fort. Für seinen Sieg wurde Titus in Rom ein Triumphbogen erbaut.