Indianische Literatur

Indianische Literatur: Schriftlich fixierte Überlieferungen bilden einen geringen Anteil der von den verschiedenen indianischen Völkern geschaffenen Lieder, Gedichte, Epen, Dramen sowie ihrer Erzähltraditionen. Die meisten indianischen Sprachen sind schriftlos geblieben, Schriftzeugnisse anderer, zum Beispiel die Hieroglyphentexte der Maya Südmexikos aus dem 1. Jahrhundert, noch nicht völlig enträtselt. Während der kolonialen Eroberung wurden viele Schriftdokumente vernichtet; anderes wurde bewahrt, bisher mündlich Überliefertes in den indianischen Sprachen aber in lateinischer Schrift aufgezeichnet. Aus Altmexiko blieben ungefähr 20 auf Hirschleder oder Rinden beziehungsweise Agavefaser-Papier gemalte bunte bilder- oder hieroglyphenschriftlichen Darstellungen erhalten, die nach den Sammlern oder ihrem Aufbewahrungsort benannt werden, zum Beispiel die kostbarste der 3 erhaltenen Mayahandschriften, Codex Dresdensis, die schönste der mixtekischen Handschriften, Codex Borgia, oder der Codex Borbonicus der Azteken. Sie enthalten Daten und Ereignisse vieler Jahrhunderte vorspanischen Geschichte, Herrschergenealogien, epische Dichtungen, Tributlisten, Land- und Flurkarten. Nach der spanischen Eroberung wurden Berichte aztekischer Würdenträger über Lebensweise und Kultur, Mythen und Annalen unter anderem in der «Allgemeinen Geschichte der Angelegenheiten Neuspaniens» des Franziskanermönchs Bernardino de Sahagun (um 1500-1590) zusammengestellt. Neben den sogenannten Büchern des Jaguarpriesters (Chilam Balam) der Yucatán-Maya hat das «Buch der Ratsversammlung» (Popol Vuh) der Quich6-Maya Guatemalas wegen seiner Darstellungen mythische und historische Ereignisse Berühmtheit erlangt. In den altamerikanischen Kulturen des Andenraumes war keine vollwertige Schrift entwickelt worden, deshalb ist der Umfang der aus diesem Gebiet stammenden indianischen Literatur weitaus geringer. Berühmt ist das sehr spät aufgezeichnete Drama «Ollantay», dessen Stoff aus der Inkazeit stammt. Bei den nordamerikanischen Indianern gab es bildliche Darstellungen von Stammesüberlieferungen historischen und mythischen Inhalts, die auf Rinde, Büffel- oder Hirschhaut, Knochen und Stein gemalt wurden. Ihre höchste Entwicklung erfuhren sie als sogenannt «winter counts», Kalender der Kiowa und Dakota, in der «roten Einritzung» (Walam Olum) der Delawaren und den Geheimnissen der Midewiwin, des Geheimbunds der Ojibwa.