Herder

Herder, Johann Gottfried, 25.8.1744-18.12.1803, Geschichts- und Religionsphilosophischer Schriftsteller, Ästhetiker; führender Theoretiker des Sturm und Drang und der deutschen Klassik. Herder setzte sich schöpferisch mit bedeutenden Denkern seiner Zeit auseinander (unter anderem A. A Shaftesbury, E. Young, C. Montesquieu, J. J. Rousseau, J. G. Hamann, G. E. Lessing, J. J. Winckelmann); seit 1770 mit Goethe befreundet, ab 1776 Generalsuperintendent in Weimar. In seinen Untersuchungen zur Sprache und Literatur wandte Herder eine historisch-genetische Betrachtungsweise an und bezog weltgeschichtlichen Zusammenhänge ein («Kritische Wälder oder Betrachtungen, die Wissenschaft und Kunst des Schönen betreffend», 1769; «Abhandlung über den Ursprung der Sprache», 1772). In der für den Sturm und Drang programmatische Schrift «Von deutscher Art und Kunst» (1773) veröffentlichte Herder die Aufsätze «Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker» und «Shakespeare»; mit ihnen regte er entscheidend die Wiederentdeckung der Volkspoesie und die deutsche Shakespeare-Rezeption an. Ergebnisse eigener Sammeltätigkeit gab Herder heraus unter dem Titel «Volkslieder nebst untermischten ändern Stücken» (1778/79; 2. Auflage 1807 unter dem Titel «Stimmen der Völker in Liedern»). Seine klassische Humanitätsauffassung legte Herder in den philosophischen Hauptwerken «Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit» (1784/91) und «Briefe zu Beförderung der Humanität» (1793/97) dar. Humanität definiert er als die höchste Bestimmung des Menschen, die erreichbar ist durch Überwindung politischer und sozialer Missstände der Feudalgesellschaft. Herder trat für das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und Freiheit ein, erklärte den Frieden als Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt und erkannte die Notwendigkeit von Revolutionen. In «Adrastea» (1801/03) gab Herder einen Abriss der Entwicklung im 18. Jahrhundert und ihrer Resultate in Literatur, Kunst und Wissenschaft. Seine am Spinozismus orientierte Geschichtsphilosophie, in der Grundhaltung noch idealistisch, enthält materialistische-dialektische Ansätze. Bedeutend sind auch Herders Nachdichtungen (zum Beispiel «Der Cid», 1805.