Epos

Epos: (griechisch, «das Gesagte»; Plural Epen) historisch frühe Großform der Epik, die bedeutende Stoffe aus Mythologie, Sage und Geschichte gestaltet, einen großen Kreis typisierter Personen aufweist und die Handlung in einheitlichen Versen gleichmäßig fortschreiten lässt. Im Altertum wurde das Epos von einem Sänger (Rhapsoden) vorgetragen und mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Das Volksepos entstand bei allen Völkern auf einer frühen Stufe ihrer gesellschaftlichen Entwicklung. Oft viel später wurde es aufgezeichnet und künstlerisch ausgeformt. Im 3. Jahrtausend vor Christus ist das «Gilgamesch Epos» belegt, um 700 vor Christus Homers «Ilias» und «Odyssee»; ihrem Vorbild folgten die späteren Epen der Griechen und Römer, zum Beispiel Vergils «Äneis» (29-19 vor Christus). Zahlreiche Heldenepen bildeten sich unter den germanischen Völkern aus («Nibelungen», «Gudrun», «Dietrich», «Walthari», «Beowulf»). Im Mittelalter entstanden höfliche Epen unter anderem von Chrétien de Troyes, Heinrich von Veldeke, Wolfram von Eschenbach, Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg. Berühmtestes Epos der Renaissance ist Dantes «Göttliche Komödie» (um 1320). Bedeutende religiöse Epen sind «Das verlorene Paradies» (1667) von J. Milton und «Der Messias» (1748/73) von F. G. Klopstock. Im Allgemeinen entsprach seit dem 16. Jahrhundert die Form des Epos nicht mehr den historisch-ästhetischen Ansprüchen des sich emanzipierenden Bürgertums; es wurde durch die neue Großform des Romans abgelöst. Ab und an erschien es noch als komisch-parodistisches Epos oder als spezifische idyllenhafte Dichtung, so im Schaffen J. W. Goethes («Hermann und Dorothea», 1797) oder J. H. Voß1. G. W. F. Hegels historisch begründete Auffassung von der notwendigen Ablösung des Epos durch den Roman hat sich schon im 19. Jahrhundert angesichts aller Versuche, das Epos wiederzubeleben, bestätigt.