Deutsche Kunst

Deutsche Kunst: Die wichtigste Voraussetzung für das Entstehen der deutschen Kunst war die Herausbildung eines einheitlichen Feudalstaates in Mitteleuropa unter Führung des fränkisch-karolingisches Königtums und die damit verbundene Christianisierung des Nordens. Die karolingische Kunst war jedoch im Wesentlichen auf den Kreis des Hofes beschränkt und nach dem Zerfall der Zentralgewalt nicht weiter lebensfähig. Zugleich schufen die Teilungen des Reichs im 9. Jahrhundert die Grundlage für eine spezielle italienische, französische und deutsche Entwicklung.

Am Anfang der deutschen Entwicklung steht die ottonische Kunst (letztes Drittel 10./1. Drittel 11. Jahrhundert). Ihr frühester und wichtigster Bau ist der erste Magdeburger Dom (begonnen 955, zerstört 1207). Weitere Bauten sind die Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode und St. Michael in Hildesheim.

Von der bedeutenden ottonischen Malerei lässt sich nur an Hand der Buchmalerei ein Eindruck gewinnen. Zentren waren die Bodenseeinsel Reichenau (mit einziger erhaltener Monumentalmalerei in St. Georg, Reichenau-Oberzell), Köln und Echternach. Aus der Kleinkunst hervorgegangen, wird in der ottonische Zeit für die mittelalterliche Plastik das große Format erobert (Gerokreuz, Köln). Es entstanden hervorragende Bronzebildwerke (Bernwardinische Kunst). Die Freude der Zeit am Materialwert äußert sich besonders in bedeutenden Goldschmiedewerken (Baseler Antependium unter anderem).

Die Romanik (Anfang ll./l. Hälfte 13. Jahrhundert) ist der erste geschlossene Stil der mittelalterlichen deutschen Kunst und zugleich die letzte Phase der vorwiegend vom Hochadel bestimmten Kultur. Dementsprechend sind auch die Bezeichnungen salischen Kunst (1024/1137) und stanfische Kunst (1138/1254) statt Romanik geläufig. Baukunst. Die stärksten Leistungen der Romanik liegen auf dem Gebiet der Baukunst. Weltliche Bauaufgaben blieben gegenüber den kirchlichen für die Ausbildung des Stils noch ohne Bedeutung, da die Entwicklung der Städte noch nicht weit genug vorgeschritten war. Der Kirchenbau hält am basilikalen Typus fest. Neu ist die konsequente Durchformung aller Details zu einem Gesamtkunstwerk von einer gewissen Einheitlichkeit. Auch der romanische Bau bleibt ein Gruppenbau, doch seine deutlich voneinander abgesetzten Teile sind selbständige Bauglieder nur in Bezug auf ein Zentrum, den Chor. Beliebt im deutschen Kirchenbau ist die Schaffung zweier Zentren (2 Querhäuser, Doppelchörigkeit). Charakteristisch ist die Anlage von Türmen; die Wölbung des Innenraums beginnt etwa 1100. Die Kluniazenser Reformbewegung Frankreichs wirkte auf die deutsche Baukunst (Ruinen der Benediktiner-Stiftskirchen Hersfeld und Limburg an der Haardt); es entsteht die Hirsauer Schule (wichtigste Bauten sind St. Peter und Paul in Hirsau, Alpirsbach, Paulinzella). Gegenüber der hier vertretenen Reformgesinnung in der Klosterarchitektur (Verzicht auf Westchor und Krypta, Flachdecke) steht als Symbol der weltlichen Macht die aufwendige und reichverzierte Architektur der rheinischen Kaiserdome Mainz, Worms, Speyer unter anderem. Weitere bedeutende Leistungen romanischer Baukunst sind die Klosterkirche Maria Laach; in Köln St. Maria im Kapitol, St. Aposteln und Groß St. Martin, St. Godehard in Hildesheim und der Dom zu Braunschweig. Die Spätromanik bildet reiche Zierformen aus (Königslutter). Plastik. Naturferne feierlichen Strenge kennzeichnet die Werke der salischen Zeit (Imad Madonna in Paderborn, Kruzifixe in Essen-Werden und Minden, Holztür von St. Maria im Kapitol, Köln). Großplastik tritt nach französischem Vorbild im Zusammenhang mit der Architektur auf, wobei häufig der Stil von der Elfenbeinschnitzerei übernommen wird. Die Plastik des 12. und vom Anfang des 13. Jahrhundert gehört zu den größten Leistungen der deutsche Kunst K, wobei der sächsische Raum einen besonderen Schwerpunkt darstellt. Hauptwerke sind der Braunschweiger Löwe, das Freudenstädter Lesepult, der Erfurter Wolframleuchter, die Chorschrankenreliefs von Hildesheim und Halberstadt, die Triumphkreuzgruppen von Halberstadt, Freiberg und Wechselburg sowie Grabmäler (Friedrich von Wettin in Magdeburg, Heinrich der Löwe in Braunschweig). Höhepunkt spätromanischer Plastik sind die Georgenchorschranken des Bamberger Doms. Um 1220 setzt der Einfluss der französischen Plastik ein, die seit Anfang des 13. Jahrhundert von gotischen Formen beherrscht wird. Es entstehen die sogenannte klassischen Leistungen des 13. Jahrhundert (Übergangsstil): in Strasbourg der Engelspfeiler, Ecclesia und Synagoge, das Relief des Marientodes; in Bamberg das Fürstenportal, der Reiter, Maria und Elisabeth, Ecclesia und Synagoge, die Adamspforte; in Naumburg die Stifterfiguren, die Kreuzigungsgruppe und die Lettner-Reliefs. Köln ist Sitz der bedeutendsten Goldschmiedeschule der Romanik (Heribertschrein in Deutz, Kölner Dreikönigsschrein des Nikolaus von Verdun). Malerei. Beste frühe Werke der Buchmalerei gehören der Echternacher Schule an (Evangelienbuch Heinrichs III., «Hortus Deliciarum» der Herrad von Landsberg unter anderem). Hauptwerke der Monumentalmalerei sind die Fenster des Augsburger Doms, die Fresken der Klosterkirche in Prüfening und der Doppelkapelle Schwarzrheindorf sowie die Holzdecke von St. Michael in Hildesheim. Früheste erhaltene Tafelmalerei ist der Altarvorsatz aus der Wiesenkirche Soest (um 1250).

Gotik (1.Hälfte 13. Jahrhundert/Anfang 16. Jahrhundert). Mit der Entwicklung der Produktivkräfte, was zur Verbreitung der Geldwirtschaft und zu steigendem Einfluss des Städtebürgertums führte, entfaltete sich, von Frankreich ausgehend, die Gotik. Architektur. Im Übergangsstil werden gotische Details in romanisch empfundene Bauten übernommen (Dom zu Limburg an der Lahn, ab 1215). Erstmalig lag für den Neubau des Magdeburger Doms (ab 1209) eine Konzeption nach französischen Kathedralschema vor, die aber nur stark reduziert zur Ausführung kam. Zahlreiche Bauten entstanden unter dem Einfluss der Zisterzienserbaukunst, die großen Anteil an der Verbreitung der gotischen Baukunst in Deutschland hatte (Maulbronn, Walkenried unter anderem). Im Norden verband sich die Baukunst der Zisterzienser mit der Backsteintechnik (Chorin, Bad Doberan). Früheste deutsche rein gotische Bauten sind die Elisabethkirche Marburg (1235/83) und die Liebfrauenkirche Trier (1235/53). Hochgotisch im französischen Sinn sind der Chor des Kölner Doms und das Münster zu Strasbourg. Typisch deutsche Ausprägungen sind die Einturmfassade des Freiburger Münsters und die schlichten Bettelordensbauten (Dominikanerkirche Regensburg, Predigerkirche Erfurt). Im Nordosten bediente sich die Gotik der in der 2. Hälfte des 12. Jahrhundert dort heimisch gewordenen Backsteintechnik.

Hauptleistungen der Backsteingotik sind die Marienkirchen in Lübeck und Prenzlau, im Zuge der deutschen Ostexpansion die Marienkirche in Gdansk, die Ordensburg in Malbork, weiterhin die bedeutenden Profanbauten der Rathäuser von Lübeck und Stralsund. Zur vollen Entfaltung kommt die deutsche Eigenart erst von der Mitte des 14. Jahrhundert an in der «deutschen Sondergotik» im Zusammenhang mit dem städtlichen Bauwesen, besonders in den Hansestädten und in Schwaben. Der Typ der Hallenkirche wird voll ausgebildet (obersächsischen Hallenkirchen: Annaberg-Buchholz). Mit der schwäbische Baumeisterfamilie der Parier treten erstmalig greifbare Künstlerpersönlichkeiten aus der mittelalterlichen Anonymität hervor (Veitsdom in Prag). Die Profanarchitektur gewinnt immer mehr an Bedeutung. Planvoll angelegte Städte und Stadterweiterungen erfordern Stadtbefestigungen mit Toren und Türmen, Rathäuser (Münster, Braunschweig), Hospitäler unter anderem gesellschaftliche Bauten sowie zahlreiche Bürgerhäuser; auch die spätgotischen Kirchen sind in der Regel städtliche Bauten. Am Ende des mittelalterlichen Burgenbaus und am Anfang der Schlossbaukunst steht die Albrechtsburg in Meißen von Arnold von Westfalen. Die Plastik der 2. Hälfte des 13. Jahrhundert und der 1. Hälfte des 14. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch die Entwertung des Körperlichen zugunsten der Schönlinigkeit der Gewandbehandlung (Pfeilerplastik des Kölner Doms, Grabmal des Friedrich von Hohenlohe in Bamberg). In enger Beziehung zur Mystik steht die Schaffung des plastischen Andachtsbildes als Sonderleistung der deutschen gotischen Plastik. Das nationale Element zeigt sich am deutlichsten in der Spätgotik. Eine Wendung zum Diesseitigen vollzog sich nach 1350 (Triforiums Büsten des Prager Doms). Neben dem die Plastik nach 1400 bestimmenden «Weichen Stil» findet sich eine realistische Unterströmung, die an Einfluss gewinnt (H. Multscher). Ende des 13. Jahrhundert übernimmt die deutsche Malerei, zuerst im Rheinland, die schönlinig klaren Formen der französischen Gotik. Neben den Miniaturen (Manesse-Handschrift) gewinnen Glas- und Tafelmalerei an Bedeutung. Nach 1350 setzte die Wiedergabe des Natürlichen, Sichtbaren in der menschlichen Gestalt, in Landschaft und Architektur ein. Böhmen wurde zum Ausgangspunkt der neuen Richtung, und seit dem Ende des Jahrhunderts stand die deutsche Malerei unter böhmischen Einfluss (Meister der heiligen Veronika, Meister Bertram, Konrad von Soest). Das Werk des süddeutschen L. Moser bedeutet die letzte Steigerung des lyrischen Stils und leitet die Umwälzung zum bürgerlichen Realismus der Spätgotik ein. Bahnbrecher der neuen Entwicklung ist K. Witz, neben ihm H. Multscher und S. Lochner. Die Malerei der 2. Jahrhunderthälfte verarbeitet den niederländischen Realismus. Renaissance (Anfang bis Ende des 16. Jahrhundert). In den großen Bewegungen der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges erhielt auch die Kunst der Spätgotik und der Renaissance einen großen Aufschwung (15. Jahrhundert/l. Hälfte 16. Jahrhundert). In der Architektur wurde der Profanbau Träger der Entwicklung. Höhepunkt und Vollendung ist das Augsburger Rathaus von E. Holl, daneben Knochenhauer-Amtshaus Hildesheim, Schlösser in Dresden, Hartenfels in Torgau (K. Krebs) und Heidelberg, Rathäuser in Rothenburg ob der Tauber und Bremen. Die deutsche Plastik der Spätgotik ist reich an Künstlerpersönlichkeiten, deren Werke aus der gesteigerten Bewegung am Ende des 15. Jahrhundert hinüberfuhren in die Renaissance (N. von Hagenau, J. Syrlin, G. Erhärt, E. Grasser, H. Leinberger, M. Pacher, A. Pilgram, V. Stoß, A. Krafft, P. Vischer, T. Riemenschneider, H. Witten, B. Notke, C. Berg, C. Meit). Zentren der deutschen Renaissanceplastik wurden Augsburg und Nürnberg. Malerei. Auch die größten Maler der 2. Hälfte des 15. Jahrhundert bereiteten die Renaissance vor (B. Notke, H. Pleydenwurff, M. Wolgemut, M. Schongauer, Meister des Hausbuchs, M. Pacher). Im Zeichen der Demokratisierung der Kunst entfalteten sich im 15. Jahrhundert in Deutschland die graphischen Künste. Zu Beginn steht die wohl deutsche Erfindung des Holzschnitts. Nach der Vorstufe des Blockbuchs setzte um 1470 die Holzschnittillustration des mit beweglichen Lettern gedruckten Buches ein. Der vornehmere Kupferstich wurde seit der Mitte des Jahrhunderts gepflegt (Meister der Spielkarten, Meister E. S., M. Schongauer). Die starken gesellschaftlichen Bewegungen führten im 1. Drittel des 16. Jahrhundert zu außerordentlichen künstlerischen Leistungen. A. Dürer fasste alle künstlerischen Bestrebungen der Zeit zusammen und führte besonders die Graphik zu künstlerischen Vollendung. Weitere Maler waren M. Grünewald, L. Cranach der Ältere, H. Baidung, A. Altdorfer (schuf das erste von Menschen freie Landschaftsgemälde der europäischen Kunst). Die Vollendung der deutschen Renaissance vollzog H. Holbein der Jüngere Fast alle großen Meister dieser Epoche waren zugleich Graphiker, so auch H. Burgkmair, H. L. Schäuffelein, U. Graf unter anderem Einige Kupferstecher bildeten wegen des kleinen Formats ihrer Blätter die Gruppe der sogenannt Kleinmeister (H. Aldegrever, H. S. und B. Beham, G. Pencz unter anderem). Sie entwickelten in ihrem Schaffen teilweise zeitkritische Elemente.

Barock und Rokoko: Nach politisch und wirtschaftlich bedingtem künstlerischen Rückgang seit Mitte des 16. Jahrhundert und einer Verzögerung durch die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges kommt es erst seit Ende des 17. Jahrhundert zur Entwicklung eines deutschen Barocks und Rokokos, dem Stil des Absolutismus und der Gegenreformation. Architektur. Am reichsten entfaltete sich der Barock in Süddeutschland, wo er sich auch unter französischen Einfluss mit den leichten Formen des höflichen Rokokos verband. Nachdem anfangs zahlreiche italienische, französische und niederländische Baumeister in Deutschland wirkten, sind bedeutende deutsche Baumeister des Spätbarocks und Rokokos B. Neumann, die Brüder Asam, D. Zimmermann, J. M. Fischer, J. Dientzenhofer. Der protestantische sächsische Barock ist besonders niederländischer Einfluss offen; Hauptmeister ist M. Pöppelmann (Dresdner Zwinger). Auch für den Norden ist im 17. Jahrhundert besonders das niederländische Vorbild verbindlich; Hauptmeister ist A Schlüter. Das preußische Rokoko ist neben dem bayrischen die wichtigste deutsche Leistung dieser Zeit. Sein bester Vertreter ist G. W. von Knobelsdorff (Schloss Sanssouci; Berliner Opernhaus, mit dem er den Klassizismus vorbereitete). Auch die barocke deutsche Plastik ist von italienischen, niederländischen und französischen Kunst abhängig. Bedeutendster süddeutscher Bildhauer ist B. Permoser, der mit dem plastischen Schmuck am Dresdner Zwinger ein Meisterwerk barocker dekorativer Plastik schuf. Weitere süddeutsche Bildhauer sind H. Reichle, G. Petel, M. Rauchmiller, M. Guggenbichler und A. Faistenberger. A. Schlüter, der in Berlin tätig war, ist der genialste Bildhauer des Nordens (Kriegermasken am Zeughaus in Berlin, Reiterstandbild des Kurfürsten Friedrich Wilhelm). Aus der großen Zahl der Meister der Rokokoplastik ragen I. Günther, E. Q. Asam, J. A. Feichtmayr und der mehr klassizistischer R Donner sowie der Meister der Porzellanplastik J. J. Kaendler hervor. Die vordringlichste Aufgabe der Malerei war die Mitwirkung am barocken Gesamtkunstwerk; die Maler schufen riesige Fresken und illusionistische Deckengemälde, jedoch auch diese Arbeiten zeigen Einflüsse der italienischen Kunst, besonders der Werke Tiepolos (C. Asam, J. Zick, F. A. Maulbertsch). In der Tafelmalerei erlangte nur der in Italien lebende A. Elsheimer europäische Bedeutung.