Chemie

Chemie: (zurückgebildet aus «Alchimie») Wissenschaft von den Stoffen, ihrer Zusammensetzung, ihrem Aufbau, ihren unter stofflicher Umwandlungen (Stoffwandlungen) verlaufenden Wechselwirkungen (ehem. Reaktionen) und den diese Wechselwirkungen verursachenden Eigenschaften. Aufgaben der Chemie sind es, die Gesetze der chemischen Wechselwirkungen von Stoffen sowie die Struktur der Stoffe zu erforschen und auf Grund dieser Erkenntnisse neue Stoffe zu gewinnen sowie auch chemisch-technische Prozesse zu entwickeln. Dabei untersucht die Chemie nur solche Vorgänge, die auf Wechselwirkungen von Elektronenhüllen beruhen, während Veränderungen der Atomkerne, Reaktionen unter Einbeziehung von Kernbruchstücken oder zum Beispiel Elementumwandlungen der Kernphysik beziehungsweise der Kernchemie zuzuordnen sind. Der Wissenschaftszweig der anorganischen Chemie umfasst die chemischen Elemente und ihre Verbindungen mit Ausnahme der Kohlenstoffverbindungen, von denen nur wenige (zum Beispiel die Oxide, Kohlensäure, Carbonate, Karbide, Metallcarbonyle) der anorganischen Chemie zugerechnet werden. Die organische Chemie behandelt die Mehrzahl der Kohlenstoffverbindungen. Wichtige Teilgebiete der anorganischen und der Organ. Chemie sind die präparative Chemie (Synthesen), die analytische Chemie (qualitative und quantitative Zusammensetzung) und die theoretische Chemie (zum Beispiel Grundlagen der chemischen Bindung und des Reaktionsvermögens). Letztere steht in enger Beziehung zur physikalischen Chemie, welche die physikalischen Ursachen und Wirkungen chemische Vorgänge sowie die Abhängigkeit chemischer Prozesse von physikalischen Einflussgrößen untersucht. Die technische Chemie (unterteilt in chemischer Technologie und Verfahrenstechnik) befasst sich mit der Erforschung der zur Realisierung von chemischen Produktionsprozessen notwendigen Gesetzmäßigkeiten sowie der Entwicklung der dazu notwendigen Verfahren. Geschichtliches. Die Kenntnis chemischer Vorgänge reicht bis in die Urgesellschaft beziehungsweise die altorientalische Klassengesellschaft zurück (Erzeugung von Feuer, Gewinnung von Metallen, Herstellung von alkoholischen Getränken und Essig durch Gärung). Chemische Produktionsverfahren waren im Altertum besonders in Ägypten, Mesopotamien, Indien und China auf einem hohen Stand. Die Theorie wurde, wenn auch rein spekulativ, insbesondere durch griechische Philosophen entwickelt (Atomtheorie von Leukipp und Demokrit, Vier-Elemente-Lehre von Empedokles). Im 1. Jahrhundert kam die Alchimie auf. Sie wurde erst im 18. Jahrhundert überwunden; doch forderte bereits im 15. Jahrhundert Paracelsus, chemische Erfahrungen zur Herstellung von Arzneien einzusetzen (Iatrochemie), und G. Agricola (1494-1555), J. R. Glauber (1604-1668) unter anderem setzten sich für die Anwendung chemischer Kenntnisse zur Rationalisierung der gewerblich-chemischen Produktion ein. G. E. Stahl schuf 1697 die Phlogistontheorie, die A. L. Lavoisier um 1780 zur Oxydationstheorie weiterentwickelte. Auf der Grundlage quantitativer Untersuchungen schuf J. Dalton um 1800 die Anfänge einer wissenschaftlichen Atomtheorie. Elektrolyse, Spektralanalyse unter anderem Methoden führten zur Kenntnis weiterer chemische Elemente, deren umfassende Systematisierung 1868/69 D. I. Mendelejew und L. Meyer gelang. Die organische Chemie entwickelte sich, insbesondere seit F. Wöhler 1828 durch seine Harnstoffsynthese nachwies, dass organischen Substanzen ohne besondere «Lebenskraft» aus anorganischen Stoffen hergestellt werden können. Die Fortschritte in der organischen Chemie (J. von Liebig, A. M. Butlerow, A. Kekule unter anderem)

Das Faserstoffvorprodukt wird durch Spinndüsen in ein Färbbadgepresst. Dabei bildet sich der Faserstoff und wird abgezogen führten schließlich zur Entwicklung einer organischen chemischen Großindustrie (Farbstoffe, Arzneimittel sowie im 20. Jahrhundert insbesondere Synthesekautschuk, Chemiefaserstoffe und Plaste). Diese zog den Ausbau der im 18. Jahrhundert entstandenen chemischen Grundstoffindustrie (Mineralsäuren, Alkalien, Chlor) zu einer anorganischen chemischen Großindustrie nach sich, die Grundchemikalien für die sich besonders im 20. Jahrhundert entwickelnde Düngemittel- und Sprengstoffindustrie lieferte. Die katalytische Synthese von Ammoniak (Leuna-Werke, 1916) sowie auch andere großtechnischen Verfahren (Herstellung von Schwefelsäure, Salpetersäure, Benzin unter anderem) fußten auf den Erkenntnissen der sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhundert herausbildenden physikalischen Chemie (W. Ostwald, W. Nernst unter anderem). Durch die Entwicklung zum Beispiel der chemischen Thermodynamik, der Theorie der elektrolytischen Dissoziation (S. Arrhenius, 1887) und durch die Erforschung der Struktur der Atome (E. Rutherford, N. Bohr, 1911/13) wurde die physikalische Chemie immer mehr zur Grundlage der theoretischen und praktischen Chemie. Hinsichtlich der technischen organischen Chemie vollzog sich im 2. Drittel des 20. Jahrhundert eine zur Zeit wieder rückläufige Schwerpunktverlagerung von der ursprünglich allein vorhandenen Karbochemie auf die Petrolchemie. Besondere Leistungen für die Synthese organischen-chemischen Verbindungen werden von den mikrobiologischen Verfahren erwartet, die, abgesehen von der seit dem Altertum bekannten alkoholischen Gärung, etwa von 1940 an in größerem Maßstab, zum Beispiel zur Produktion von Antibiotika, betrieben werden.

Chemiefaserstoffe: industriell hergestellte Faserstoffe, die textil verarbeitbar sind und die im Gegensatz zu den Naturfaserstoffen durch chemische Verfahren aus natürliche oder synthetische organische Polymeren sowie aus anorganischen Substanzen hergestellt werden. Die Chemiefaserstoffe werden in der Regel aus Spinnmassen (Lösungen oder Schmelzen) erzeugt, indem diese durch Spinndüsen in Fällbäder (Nassspinnen), Heißluft (Trockenspinnen durch Verdunsten des Lösungsmittels) oder Kaltluft beziehungsweise Inertgas (Schmelzspinnen durch Erstarren der Schmelze) gepresst werden. Man stellt Chemiefasern endlicher Länge oder Chemieseiden praktisch unbegrenzter Länge her, letztere in Form eines einzigen Elementarfadens (Seide) oder einer Elementarfadenschar (polyfile Seide). Der Anteil der Chemiefaserstoffe am Gesamtfaserstoffaufkommen der Welt betrug 1980 52%; davon wurden drei Viertel vollsynthetisch, ein Viertel durch Umwandlung natürlicher Zellulose hergestellt.