Byzantinische Kunst

Byzantinische Kunst: die Kunst des Byzantinischen Reiches, die in der spätantiken und frühchristlichen Kunst der Mittelmeerländer wurzelte und sich im 5. Jahrhundert im Ostteil des römischen Reiches herausbildete. Ihre Werke standen vornehmlich im Dienste der christlichen Kirche. Die bedeutendsten Leistungen erreichte die byzantinische Kunst in der Baukunst (Kuppelbasilika und Kreuzkuppelkirche), in der Monumentalmalerei und im Mosaik, in der Buchmalerei und im Kunsthandwerk (Silberschmiedearbeiten, Email und Elfenbeinschnitzereien), wogegen die Plastik (ausgenommen das Relief) vernachlässigt wurde. Hauptwerke der frühbyzantinische Periode (6-/8. Jahrhundert) sind die Kuppelbasiliken Hagia Sophia (532/37) und Hagia Eirene (um 532) sowie Zisternen- und Befestigungsanlagen in Konstantinopel (Istanbul), Mosaiken der Kirchen und der elfenbeingeschnitzte Bischofsthron (Maximianskathedra, 6. Jahrhundert) in Ravenna. Die Prunkhandschriften «Wiener Genesis» und «Codex aus Rossano» (6. Jahrhundert) stehen in syrischer Tradition. Für die mittelbyzantinische Periode (9. bis Anfang 13. Jahrhundert) sind kleine kreuzförmige Kuppelkirchen mit reicher Ausstattung an Mosaiken und Wandmalereien (Hosios-Lukas-Kloster in Phokis, Griechenland, 11. Jahrhundert) bezeichnend. In der Malerei ist eine Rückbesinnung auf die Antike bemerkbar (Miniaturen der «Homilien des Gregor von Nazianz», 9. Jahrhundert; Pariser Nationalbibliothek). Nach dem Verlust der ägyptischen und syrischen Provinzen und der Abtrennung von der römisch-katholischen Kirche verbleiben Konstantinopel, Griechenland, Teile Kleinasiens und der Balkan als Kerngebiete der byzantinischen Kunst. Die spätbyzantinische Periode (13. Jahrhundert bis zur türkischen Eroberung Konstantinopels 1453) zeichnet sich in der Baukunst durch eine dekorative Belebung der (meist in Backstein ausgeführten) Fassaden, in der Malerei durch gefühlsbetonte, verfeinerte Gestaltungen aus. Die Prinzipien der byzantinischen Kunst lebten noch über Jahrhunderte, insbesondere auf dem Balkan, fort (Mönchsrepublik Athos, Hagion Oros). Eine hohe Bedeutung kommt der byzantinischen Kunst bei der Herausbildung der Kunst des Feudalismus in Osteuropa zu. Befruchtend wirkte sie während des Mittelalters nicht nur auf Mittel- und Westeuropa, sondern auch auf die islamischen Länder des Mittelmeerraumes.

Byzantinische Literatur: die Literatur des Byzantinischen Reiches, die in griechischer Sprache abgefasst, die altgriechische Literatur und mit ihr den rückwärtsgewandten Attizismus der römischen Kaiserzeit fortsetzte. Neben einer offiziellen Literatur in der an den klassischen Vorbildern geschulten Schriftsprache stand ein volkstümliches Schrifttum in der sich beständig fortentwickelnden Umgangssprache. Die neugriechische Diglossie (Doppelsprachigkeit) wurde so durch die byzantinische Literatur vorbereitet. Die byzantinische Literatur selbst trägt hauptstädtlichen Charakter und ist geprägt durch Traditionsbewusstsein und daraus resultierender Überschätzung der Form, Gelehrsamkeit anstelle von Empfindung, Abschließung gegenüber fremden Einflüssen. Die Leistungen der byzantinischen Literatur sind ungleich. Auf poetischem Gebiet steht neben traditionsverbundener Epigrammatik (Griechische Anthologie, 10. Jahrhundert) die noch heute in den östlichen-orthodoxen Kirchen lebendige rhythmische Hymnik (Romanos, 6. Jahrhundert), während eine vielfach gesellschaftskritische Volksdichtung sich vom 10. Jahrhundert an entfaltete (Digenis Akritas); das Drama fehlt völlig. Bedeutendes leistete die Historiographie in der zeitgeschichtliche Darstellung (Prokopios, 6. Jahrhundert; Anna Komnena, 12. Jahrhundert), der Kirchengeschichtsschreibung (Eusebios, 4. Jahrhundert) und der Weltchronistik (Malalas, 6. Jahrhundert). Die umfangreiche theologische Literatur gipfelte in Johannes von Damaskus (8. Jahrhundert), die philosophische in Michael Psellos (11. Jahrhundert) Philologie, Rhetorik, Rechts- und Militärwissenschaft wurden aufmerksam gepflegt. Die byzantinische Literatur hat wesentlich zur Erhaltung des antiken Geistesgutes beigetragen und die Herausbildung von Literaturen bei den Völkern des östlichen Mittelmeer- und des Kaukasusgebietes sowie bei den Ost- und Südslawen gefordert.

Byzantinische Musik: die hauptsächlich auf altchristliche und altvorderasiatischen Traditionen fußende kultische Gesangsmusik des Byzantinischen Reiches, die 2 Hauptgattungen umfasst, die Musik des höflichen und kirchliches Zeremoniells und die Musik der orthodoxen Kirche. Erstere wird antiphonal von Doppelchören ausgeführt und ist instrumental begleitet, letztere ist einstimmig und unbegleitet. Das Tonsystem verfügt über 4 authentische(Haupt-) und 4 plagale (Neben-) Tonarten (Echoi), die im 8./9. Jahrhundert in der westeuropäischen Kunstmusik übernommen wurden. Vom byzantinischen Kirchengesang nahm der russischen und südslawischen seinen Ausgang. Von der weltlichen byzantinischen Musik ist wenig erhalten und erforscht.

Byzantinisches Reich: feudaler Staat (4. Jahrhundert/ 1453). Der seit Ende des 3. Jahrhundert gesondert verwaltete Ostteil (Griechenland, Mittel- und Ostbalkan, Kleinasien, Syrien, Palästina, Ägypten) des Römischen Reiches wurde 395 juristisch endgültig vom Westteil als Ostrom. Reich getrennt, das später nach der antiken Bezeichnung seiner Hauptstadt Konstantinopel (Byzantion) Byzantinische Reich genannt wurde. Auf Grund seiner größeren wirtschaftlichen Stabilität (Weiterbestehen der Städte) und des vorherrschenden Kleingrundbesitzes mit relativ geringer Verwendung von Sklavenarbeit konnte das Byzantinische Reich im Gegensatz zum Weströmischen Reich die Krise des 4./5. Jahrhundert überwinden, die bestehende Ordnung nach innen und außen erfolgreich verteidigen. Unter Justinian I (527/65) gelangen sogar die Rückeroberung Italiens und Nordafrikas und die Wiederherstellung spätantiker Produktionsverhältnisse (Sklaverei und Kolonat) in diesen Gebieten. Mit der Eroberungspolitik ging eine rücksichtslose Ausbeutung einher; es kam zu zahlreichen Aufständen (siehe auch Nika-Aufstand). Kriege und Steuerforderungen hatten jedoch die Kraft des Reiches erschöpft. So gingen außer den eroberten Gebieten auch Syrien (636) und Ägypten (646) verloren. Durch das Zusammenwirken von innerer Krise und Angriffen der Slawen, Perser (6./7. Jahrhundert) und Araber (ab 7. Jahrhundert) wurden die alten Produktionsverhältnisse im Wesentlichen zerstört, begannen sich zögernd feudale Verhältnisse herauszubilden. Südslawische Stämme siedelten sich in den Balkangebieten und in Griechenland an und stärkten die Dorfgemeinden, die auch in anderen Provinzen wiederbelebt wurden. Seit Herakleios (610/41) wurde die Themenverfassung aufgebaut und das Söldnerdurch ein Bauernheer ersetzt. So vermochte sich das Byzantinische Reich in seinen Kerngebieten (Griechenland, Balkanhalbinsel, Kleinasien) schließlich zu stabilisieren. Nach der Periode des Bilderstreits (726/843) und dem Scheitern des großen Aufstandes unter Thomas dem Slawen (820/23) hatten die Angriffe des sich formierenden Feudaladels auf den kleinen Grundbesitz und seine Versuche, die Bauern zu Abhängigen (Paröken) zu machen, zunehmend mehr Erfolg. Nach den vergeblichen Versuchen der Kaiser des 10. Jahrhundert, diese Entwicklung durch Gesetze aufzuhalten, erreichte die Feudalentwicklung im 11./12. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Die Lehen (Pronoia), die für besondere Dienste vergeben wurden, erinnern an westliche Feudalinstitutionen. Im 11. Jahrhundert ging ein großer Teil Kleinasiens an die Seldschuken verloren. Auf die Gründung der Kreuzzugsstaaten (12. Jahrhundert), die ebenso wie die italienischen Stadtrepubliken für Byzanz eine gefährliche Handelskonkurrenz bedeuteten, folgte nach dem 2. Kreuzzug die Errichtung des Lateinischen Kaiserreiches (1204/61) auf byzantinischem Gebiet. Im 14. Jahrhundert erschütterten große Volksbewegungen das erheblich reduzierte Byzantinische Reich (Zeloten), das schließlich 1453 den Angriffen der osmanischen Türken erlag.

Byzantinistik, Byzantinologie: Wissenschaft, die sich mit Geschichte, Sprache und Kultur des Byzantin. Reiches sowie dessen historische Stellung und Nachwirkung beschäftigt. Ihre Vertretung ist die Internationale Assoziation für byzantinistische Studien.

Byzantinismus (zu «Byzanz»): Kriecher (Unterwürfigkeit).